Pentagon-Bericht "irreführend": Experte sieht Iran-Atomprogramm zerstört

  • Im Video oben: So erklärt Trump den Bombenangriff auf den Iran

Der US-amerikanische Atomwaffen-Experte David Albright hat in mehreren Mitteilungen auf dem Nachrichtendienst X die Auswirkungen der US-Schläge gegen iranische Atomanlagen analysiert. 

Albright formuliert drei zentrale Erkenntnisse:

1. "Alles in allem haben die Angriffe Israels und der USA das iranische Zentrifugen-Anreicherungs-Programm effektiv zerstört. Es wird lange dauern, bis die Iraner den Fähigkeiten nahe kommen, die sie vor den Angriffen erreicht hatten."

2. "Allerdings gibt es im Iran immer noch Bestände an angereichertem Uran sowie die in Natanz und Fordo hergestellten, aber noch nicht installierten Zentrifugen. Diese nicht zerstörten Teile stellen eine Bedrohung dar, da sie in Zukunft zur Herstellung waffenfähigen Urans verwendet werden könnten."

Dieses von Maxar Technologies zur Verfügung gestellte Satellitenbild zeigt die Schäden an der Anreicherungsanlage Fordo im Iran nach den US-Angriffen am 22. Juni 2025. Maxar Technologies

3. "Alle Bemühungen, aus waffenfähigem Uran nukleare Sprengstoffe herzustellen, werden durch umfangreiche Angriffe auf iranische Einrichtungen und Personal, die die Atomwaffen selbst herstellen würden, erschwert. Die iranische Infrastruktur zum Bau der Atomwaffe wurde schwer beschädigt. Die Zeit, die der Iran benötigen würde, um selbst eine nicht per Raketen einsetzbare Atomwaffe zu bauen, hat sich erheblich verlängert."

US-Experte: Bombenkrater befindet sich an Stelle der Zentrifugen-Halle

Albright, der lange für die Internationale Atomenergiebehörde (IAEA) arbeitete, ist der Chef des US-Thinktanks "Institute for Science and International Security" (ISIS). Ein Geheimdienstbericht, wonach in den unterirdischen Zentrifugenhallen in Natanz nur wenige Zentrifugen zerstört worden sein sollen, kann der Atomwaffen-Experte "kaum glauben".

Die Bombenkrater befänden sich an der Stelle genau jener Halle, in der alle iranischen Zentrifugen untergebracht gewesen seien, so Albright in seiner Analyse. In anderen, nicht zerstörten Hallen, hätten wiederum gar keine Zentrifugen gelegen.

Der von Albright erwähnte Geheimdienstbericht der Defense Intelligence Agency (DIA), einer Abteilung des US-Verteidigungsministeriums, sorgt aktuell für viel Aufsehen in den USA. CNN hatte ihn veröffentlicht. Darin stehe, so der US-Sender, dass das Atomprogramm des Iran nicht zerstört worden sei, sondern lediglich um einige Monate zurückgeworfen.

US-Präsident Trump und seine Pressesprecherin Karoline Leavitt hatten in der Folge den Bericht als "echt, aber völlig falsch" bezeichnet. Trumps Erzählung eines großen Erfolgs seines lange geplanten Militärschlags sei korrekt, so die US-Regierung.

US-Experte nimmt Stellung zu Geheimdienstbericht: "Irreführend"

Albright unterstützt diese Darstellung. Der Bericht zeige zwar, dass sich in den Trümmern der iranischen Atomanlagen noch mehr Uran befindet als zunächst angenommen. Aber Albright schreibt deutlich: "Angesichts der Schäden an den drei bekannten Anreicherungsanlagen des Iran, der Zerstörung seiner Zentrifugenproduktion, seiner Uranumwandlungsanlage, seiner Anlage zur Uranmetallproduktion und anderer an seinem Prozess zur Herstellung von Atomwaffen beteiligter Anlagen wird die Wiederherstellung dieser Anlagen, um den Zustand vor dem Krieg wiederherzustellen oder Atomwaffen zu bauen, viel Zeit, Investitionen und Energie erfordern."

Die iranische Atomanlage Natanz auf einem Satellitenbild aus dem Januar 2025
Die iranische Atomanlage Natanz auf einem Satellitenbild aus dem Januar 2025 dpa

Der Iran habe in Natanz und Fordo wahrscheinlich an die 20.000 Zentrifugen verloren, so Albright. Und unter der genauen Beobachtung durch Israel und die USA dürfte es für den Iran schwierig werden, das Programm wieder aufzubauen.

Es werde noch dauern, so Albright, bis man den wahren Stand des iranischen Atomprogramms vollständig ermitteln könne. Aber der Geheimdienstbericht als "Worst-Case-Bewertung" sei "irreführend" und das iranische Atomprogramm "erheblich beeinträchtigt", so der Experte.

Schafften die Iraner 408 Kilogramm noch weg?

Allerdings gibt es noch ein großes Rätsel, auf das bisher kein Politiker, kein Experte und kein Geheimdienst eine abschließende Antwort geben konnte: Wo sind die 408 Kilogramm weit angereichertes Uran der Iraner? Schon kurz nach dem Angriff gab es Hinweise darauf, dass die Iraner das Material noch wegschaffen konnten.

Albright sagte dazu dem "Spiegel": "Iran könnte den größten Teil des zu 60 Prozent angereicherten Urans aus Fordo und Isfahan entfernt haben, bevor diese Anlagen angegriffen wurden." Und weiter: "Es könnte überall sein, da das Uran in seinen Lagerbehältern leicht zu transportieren ist." Womöglich reichten wenige Fahrzeuge, um das Uran wegzuschaffen.

Das Uran soll bereits zu 60 Prozent angereichert sein. Der Schritt zu waffenfähigen 90 Prozent ist technisch "nicht mehr gewaltig, wie Nuklear-Experte Clemens Walther im Gespräch mit FOCUS online erklärte. Allerdings bleibt für die Iraner das Problem, dass die benötigten Zentrifugen wohl zu großem Teil zerstört sind.

Die iranischen Atomanlagen. Die rot gekennzeichneten werden zur Urananreicherung genutzt.
Die iranischen Atomanlagen. Die rot gekennzeichneten werden zur Urananreicherung genutzt. Getty/AFP

US-Experte formuliert zwei zentrale Prognosen

Albright wagt dann auch noch eine Prognose, was nun passieren wird und muss:

1. Israel werde weiterhin nach nicht zerstörten Reststoffen (Uran, Zentrifugen etc.) suchen.

2. Die USA müssen ein Abkommen mit dem Iran schließen, das sich genau mit diesen Reststoffen befasst. Albright: "Im Rahmen dieses Abkommens muss der Iran auch seine angereicherten Uranvorräte aufgeben und seine verbleibenden Zentrifugen zerstören." Der Iran müsste zudem dazu verpflichtet werden, seine Kapazitäten zur Herstellung von Atomwaffen abzubauen.

Albright resümiert: "Jedes Abkommen sollte als Waffenstillstandsabkommen konzipiert sein. Verstöße können zu sofortigen israelischen Angriffen und in seltenen Fällen zu einer Reaktion der USA führen."