Interview mit Krebspatientin: „Ich dachte, daran werde ich jetzt sterben“
Rund 50 Menschen werden jährlich im Weilheimer Krankenhaus wegen Darmkrebs operiert – Marianne Mayer war 2023 eine von ihnen. Zum Weltkrebstag am Sonntag erinnert sich die 66-Jährige aus Murnau gemeinsam mit ihrem operierenden Arzt Prof. Dr. Reinhold Lang an ihren steinigen Weg heraus aus der Schockdiagnose – und wie sie am Ende zurück in ein neues Leben fand.
Frau Mayer, wann haben Sie gemerkt, dass etwas nicht stimmt? Und vor allem wie?
Mayer: Das war im Frühjahr 2022. Mein Mann war gerade gestorben und die Trauerzeit war schwierig für mich. Mir war immer wieder schwindelig und ich hatte Probleme mit der Verdauung. Mein Hausarzt vermutete aber, das hänge alles mit der Trauer zusammen. Doch dann hatte ich auch helles Blut im Stuhl. Lang: Das ist ein ganz häufiges Warnsignal für Darmkrebs. Und zwar eben auch helles Blut, nicht nur dunkles. Denn es kommt darauf an, wo im Darm der Tumor ist.
Waren Sie dann gleich alarmiert?
Mayer: Ich habe gemerkt, dass ich eine Darmspiegelung machen lassen sollte. Doch ich habe mich gedrückt, hatte vielleicht auch Angst vor einer schlimmen Diagnose. Im Januar 2023 bin ich dann aber doch gegangen. Und leider fand der Proktologe einen Tumor. Lang: Der Tumor saß tief im Enddarm, also nah am Darmausgang. Deshalb war auch helles, nicht dunkles, eingelagertes Blut im Stuhl.
Also Darmkrebs – eine Schockdiagnose. Wie haben Sie die erste Zeit erlebt?
Mayer: Eine Bekannte hat mich von der Darmspiegelung abgeholt. Ich war total verwirrt. Ich dachte, da kann man jetzt nichts machen und daran werde ich sterben. Ein paar Tage ging es mir gar nicht gut, ich war so durcheinander, dass ich zum Beispiel beim Tanken meinen Autoschlüssel nicht mehr fand. Einen Tag und eine Nacht habe ich gegrübelt, dann entschied ich mich für die Operation. Lang: Aus dieser Phase wollen wir im Krankenhaus die Patienten möglichst schnell herausholen, denn das ist schon sehr belastend. Der Proktologe, der die Darmspiegelung gemacht hat, hat mich sofort angerufen und über Frau Mayers Fall informiert. Innerhalb weniger Tage war sie zur vervollständigenden Diagnostik bei uns im Haus.
Was wurde dann genau gemacht?
Lang: Eine kleine Enddarmspiegelung, eine Computertomographie und eine Kernspintomographie vom Becken. Mit den Ergebnissen daraus bin ich dann ins sogenannte Tumorboard gegangen, das ist eine Konferenz mit sechs Fachdisziplinen wie Radiologen, Chirurgen und so weiter. Hier wird dann diskutiert und entschieden, wie die Therapie aussehen kann. Bis zum nächsten Sprechstundentermin mit Frau Mayer sind nur drei Tage vergangen. Wir wollen die Patienten ja schnellstmöglich weiter informieren. Mayer: Ja, das ging wirklich schnell. Nur ungefähr eine Woche später wurde ich operiert.
Prof. Lang, Sie haben operiert. Wie verlief der Eingriff?
Lang: Er dauerte etwa vier Stunden. Wir haben einen Minimalschnitt gemacht, den Darm freigelegt und etwa 50 Zentimeter vom Darm an der Tumorstelle entnommen. Die nahen Lymphabflussgebiete ebenso, denn darin können sich Tumorzellen verschlüpfen. Am Schluss haben wir noch einen vorübergehend künstlichen Darmausgang gelegt, ein Stoma. Mayer: Ich muss schon sagen, nach der OP hatte ich Schmerzen. Und auch das Stoma hat mir zuerst einmal Probleme bereitet. Ich habe mich aber hier im Krankenhaus sehr gut aufgehoben gefühlt. Und das war alles nichts gegen die Chemo.
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Die war auch noch erforderlich?
Lang: Ja, bei der Untersuchung des Lymphabflussgebiets wurden 15 Lymphknoten gefunden, einer war von Krebszellen befallen. Dagegen kann man nur mit einer Chemotherapie vorgehen. Mayer: In der Chemotherapie ging es mir total mies. Mein Kreislauf brach zusammen, ich habe nichts mehr behalten. Ich hatte Luftnot. Am Ende war ich in der Notaufnahme. Da dachte ich, es geht nicht mehr weiter.
Eine heftige Reaktion auf die Medikamente…
Lang: Ja, eine ungewöhnlich heftige. So schwere Nebenwirkungen sind extrem selten. Mayer: Ich habe die Therapie nach dem ersten Chemo-Zyklus dann abgebrochen. Das habe ich innerhalb von Sekunden entschieden. Lang: Man muss dazu sagen, dass die Heilungschance bei Darmkrebs nach einer OP bei etwa 75 Prozent liegt. Mit Chemo bei 90. Das war also unter den schweren Nebenwirkungen verantwortbar.
Wie geht es Ihnen jetzt, Frau Mayer?
Mayer: So ziemlich wie vorher. Ich bin froh, dass ich wieder arbeiten kann. Ich war im Spätsommer schwimmen und vor Kurzem auch Langlaufen. Und seit etwa zwei Wochen ist die Verdauung auch wieder relativ normal, darüber bin ich sehr glücklich. Übrigens: Mein Enkel will mit mir auf den Schachen wandern. Aber ob ich das schaffe? Lang: Warum nicht? Gehen Sie zum Test aufs Hörnle. Wenn Sie das schaffen, dann den Schachen auch!
Marianne Mayer soll in einem Jahr zur Nachsorge-Darmspiegelung, danach findet alle drei Jahre eine Kontrolle statt. Nach zwei Jahren wird ein Wiederauftreten der Krebserkrankung immer unwahrscheinlicher. Eine Darmspiegelung zur Krebsvorsorge wird Frauen ab 55, Männern ab 50 Jahren empfohlen.