Die russische Propagandamaschinerie witterte einen großen Erfolg. Prominente Filmemacher und Schauspieler hatten sich zusammengeschlossen, um "Toleranz" zu drehen – einen Horrorfilm, der die angeblich gefährliche Liberalität des Westens verhöhnt. Doch bereits nach drei Wochen wurde er wegen Misserfolgs wieder aus Russlands Kinos genommen, wie die "Times" berichtet.
"Toleranz": Russischer Film mit perfiden Propaganda-Botschaften
"Toleranz" spielt in einem fiktiven europäischen Land mit dem Namen Franglia. Die Propaganda-Botschaften werden mit dem Holzhammer vermittelt: Unter anderem geht es um einen Pastor, dessen Tochter eine Trans-Frau ist. Während die ganze Stadt sie dafür feiert, gibt es nur wenige mutige Männer, die ihre Identität missbilligen.
Später wollen Flüchtlinge die Frau vergewaltigen. Als sie entdecken, dass das Opfer trans ist, kastrieren sie die Pastorentochter und kreuzigen sie an der Fassade der Kirche. Sie überlebt, aber der Pfarrer weigert sich, die Angreifer seiner Tochter zu verfolgen. Seine perfide Argumentation: Die Tochter habe ihren Penis ohnehin loswerden wollen.

Eine führende russische Filmwebsite feiert das Drehbuch. In der Kritik heißt es, der Film zeige, wie die "Ablehnung traditioneller Werte und kultureller Wurzeln zum Zusammenbruch der Gesellschaft und zum Verlust der Identität führt".
Kulturministerium lobt "sozial bedeutendes Projekt"
Regie führte laut "Times" der russische Regisseur Andrey Grachev, der in der Vergangenheit vor allem historische Dokumentarfilme gedreht hat. Er sagte, die Idee zu dem Film habe er bereits 2018 gehabt, die Finanzierung sei aber erst zu Beginn der Vollinvasion in die Ukraine sichergestellt worden.
Seither hat die russische Staatsführung um Präsident Wladimir Putin ein gesteigertes Bedürfnis an Propaganda. Kein Wunder also, dass der Kreml auf das Filmprojekt aufmerksam wurde und es unterstützte. Neben der Finanzierung gab es auch Werbung von staatlicher Seite. Das russische Kulturministerium bezeichnete den Film als "sozial bedeutendes Projekt".
Film macht trotz prominenter Besetzung Millionenverlust
Wie die "Times" berichtet, soll der Film mindestens 200 Millionen Rubel gekostet haben – umgerechnet mehr als zwei Millionen Euro. Ein großer Teil davon dürfte an die Schauspieler geflossen sein: Unter anderem wurde Zakhar Prilepin, ein ehemaliger Abgeordneter und prominenter nationalistischer Schriftsteller, für die Rolle des Serienmörders engagiert. Zu sehen sind in dem Film außerdem unter anderem die prominenten russischen Schauspieler Mikhail Politseymako und Sergei Chonishvili.
Doch trotz aller Bemühungen der Kreml-Propaganda interessierte sich kaum ein Russe für den Film. Wie die "Meduza" schreibt, sahen am Eröffnungswochenende in 41 Kinos nur 192 Menschen den Horrorstreifen. "Toleranz" spielte somit nur umgerechnet knapp 1000 Euro ein. Bis zum Kino-Aus nach drei Wochen stiegen die Einnahmen nur noch geringfügig.
Regisseur hatte Oscar-Gewinner "Parasite" als Vorbild
Dabei hatte Regisseur Grachev ein großes Vorbild: Wie geleakte Dokumente zeigen, über die das russische Exilmedium „Meduza“ berichtet, wollte er sich an "Parasite" orientieren. Der südkoreanische Film von Bong Joon-ho gewann bei der Oscarverleihung 2020 vier Academy Awards, darunter als erste fremdsprachige Produktion den Preis für den besten Film des Jahres. Zwei an "Toleranz" beteiligte Produzentinnen sollen ihr Projekt als ähnlich "mutig, realistisch und daher sehr beängstigend" beworben haben.
Ivan Philippov, ein im Exil lebender Filmemacher, äußerte den Verdacht, dass es Regisseur Grachev nie darum gegangen sei, einen Straßenfeger zu drehen. Er habe das ganze Projekt nur inszeniert, um "Millionen vom Kulturministerium zu erpressen", die dann unterschlagen worden seien. "Ich habe buchstäblich keine andere Erklärung dafür, wie dieser Mist staatliche Unterstützung erhalten konnte", schrieb Philippov in den sozialen Medien.
Bereits in der Vergangenheit floppten russische Propagandafilme in den Kinos. "Der Zeuge", ein Film über den Krieg in der Ukraine, lief überwiegend in leeren Kinosälen. Die Russen schauen offenbar lieber weiterhin westliche Filme. Sie sind eigentlich verboten, die Kinos behelfen sich aber mit Raubkopien.
Zuletzt verzeichnete auch ein Propaganda-Projekt im Fernsehen schlechte Zuschauerzahlen: Die russische Kopie des Eurovision Song Contest blieb hinter den Erwartungen des Kremls zurück.