Schulschwänzen unter Berufsschülern: Ein Gespräch mit Schulpsychologin Schaumburg

  1. Startseite
  2. Lokales
  3. Freising
  4. Freising

KommentareDrucken

„Angststörungen können zum Schwänzen führen“, sagt Schulpsychologin Katrin Schaumburg. © Schaumburg

Schulpsychologin Katrin Schaumburg im Interview über die Ursachen für das Schulschwänzen und den Umgang damit im Berufsschulzentrum Freising.

Freising – Schulschwänzer werden von der Schule an die Kommunalaufsicht im Landratsamt gemeldet. Für diese ist der Fall nach dem bezahlten Bußgeldbescheid oft erledigt. Doch wie geht die Schule mit Schulschwänzern um? Dies und mehr beantwortet Katrin Schaumburg, Schulpsychologin und Lehrerin, im FT-Interview. Sie ist seit zehn Jahren Schulpsychologin an der Berufsschule Freising und hat schon mit einigen Schwänzern gesprochen.

Frau Schaumburg, mussten Sie selbst schon einmal einen Schulschwänzer melden?
In meiner Rolle als Lehrkraft ja, als Schulpsychologin jedoch nicht, nein.

Können Sie sich erklären, warum ausgerechnet Berufsschüler so viel schwänzen?
Ganz allgemein sehe ich als Grund die Entwicklungsphase, in der sich die Jugendlichen in der Berufsschule befinden. Ihr Bestreben nach Autonomie wächst, sie stellen Dinge mehr infrage und lassen sich weniger von ihren Eltern sagen. Natürlich sind Eltern trotzdem dafür verantwortlich, dass ihre Kinder in die Schule gehen. Doch ab einem gewissen Alter, wenn die Jugendlichen selbst aufstehen und zur Schule losgehen, haben die Eltern weniger oder keine Kontrolle, ob ihre Kinder auch in der Schule ankommen. Grundsätzlich muss ich auch sagen, dass die Gründe für das Schwänzen sehr individuell sind.

Diese Gründe, wie können die aussehen?
Man spricht in der Psychologie von einem multikausalen Ursachengeflecht, man kann also nicht von einer bestimmten Ursache ausgehen, oft ist es ein Zusammenspiel mehrerer Ursachen. Bei jedem einzelnen Schüler muss man genau hinschauen und das Gespräch suchen.

Großes Beratungsteam am BSZ: Gespräche mit Schulschwänzern

Und wie sehen diese Gespräche aus?
Zunächst führen die Klassenlehrer Gespräche mit dem Schüler, der geschwänzt hat und auch mit den Eltern. Wenn der Eindruck besteht, dass ein vertiefter Gesprächsbedarf besteht, wird das Beratungsteam hinzugezogen. Mit Vertrauenslehrer, Jugendsozialarbeit, Beratungslehrer, Schulpsychologin und sonderpädagogischen Fachkräften sind wir am BSZ recht gut aufgestellt. Bedeutet, je nachdem welche Ursache sich für das Schwänzen herauskristallisiert, wird der Schüler von einem bestimmten Lehrer oder einer Fachkraft weiterbetreut.

Welche Fälle landen dann bei Ihnen?
Wir unterscheiden zwischen Schulschwänzern und angstbedingtem Schulvermeiden. Letzteres bedeutet, wenn Angststörungen dazu führen, dass Schüler sich nicht mehr in die Schule trauen. Soziale Angststörungen können zum Beispiel ein Grund für das Schwänzen sein. Oder aufgrund von schlechten Schulleistungen können beispielsweise Frust, mangelnde Leistungsmotivation und schließlich Versagungs- und Leistungsängste entstehen, weshalb die Schule dann gemieden wird. Aber auch Suchterkrankungen wie Social-Media- oder Computerspielsucht kann ein Grund sein. Wenn psychische Probleme für das Schwänzen verantwortlich sind, dann finden natürlich vertiefte Gespräche mit dem Schüler oder Schülerin statt. Ich begleite sie beispielsweise auch bei der Therapeutensuche.

(Übrigens: Alles aus der Region gibt‘s jetzt auch in unserem regelmäßigen Freising-Newsletter.)

Laut Statistik des Landratsamtes steigt die Anzahl der Bußgeldbescheide für Schwänzer jährlich an. Beobachten Sie diesen Trend ebenfalls?
Ich kann den Anstieg von Schulschwänzern auf unserer Schule nicht bestätigen, denn ich kenne die aktuellen Zahlen nicht, bzw. liegt mir als Schulpsychologin keine Statistik vor. Ich führe ja aber nicht nur Gespräche mit Schwänzern, sondern allgemein mit Schülern mit Problemen verschiedener Art. Was ich sagen kann, ist, dass diese Gespräche im Allgemeinen zugenommen haben.

Psychische Störungen kommen seit Corona häufiger vor

Warum benötigen immer mehr Schüler die Betreuung eines Schulpsychologen oder Psychologin?
Psychische Störungen haben in den letzten Jahren stark zu genommen. Angststörungen, Depressionen, Suchterkrankungen wie Social Media und Computerspielsucht treten verstärkt auf. Sicher spielen die Auswirkungen von Corona eine starke Rolle. Mit diesen haben wir immer noch zu kämpfen. Dazu kommen auch die weiteren Themen, welche die Medien aktuell beherrschen, wie Klimakatastrophen und Krieg, weshalb Zukunfts- und Existenzängste zunehmen.

Was wäre also eine Lösung, um die Zahl der Schulschwänzer gering zu halten?
Ich denke, die Lösungswege sind individuell und vielfältig wie die Gründe für das Schulschwänzen. Doch ich glaube, es würde helfen, den ganzen therapeutischen Bereich auszubauen. In den letzten Jahren ist es zunehmend schwieriger geworden, zeitnah Therapieplätze zu bekommen. Es würde eine Menge – und nicht nur in Sachen Schwänzer – bewirken, wenn es genug Therapieplätze oder Beratungsangebote gäbe.

Noch mehr aktuelle Nachrichten aus dem Landkreis Freising finden Sie auf Merkur.de/Freising.

Auch interessant

Kommentare