„Stadtrat muss Farbe bekennen“: Bürgermeister Heilinglechner im großen Interview zum Jahreswechsel
Zum Jahreswechsel spricht Rathauschef Klaus Heilinglechner über die Weidacher Schwarzbauten, ein zentrales Parkhaus und „Sandkastenspielchen“ - und eine erneute Kandidatur.
Wolfratshausen – Kurz vor dem Jahreswechsel traf sich unsere Zeitung mit Bürgermeister Klaus Heilinglechner zum Interview. Im Rückblick auf die vergangenen zwölf Monate benotet der 56-jährige Rathauschef das Jahr 2023 mit einer Zwei minus, sagt, dass ihn politische „Sandkastenspielchen“ nicht mehr frustrieren und erklärt, warum er während der Klausurtagung im Kloster Seeon ein Bekenntnis von den Stadträten verlangen wird. Und Heilinglechner beantwortet die Frage, ob er bei der Kommunalwahl 2026 erneut als Bürgermeisterkandidat antreten wird.
Herr Bürgermeister Heilinglechner, was fällt Ihnen spontan zu folgenden Begriffen ein: Schwarzbauten...
Heilinglechner: Es ist bedauerlich, dass die Entscheidung des Verwaltungsgerichts München mit Blick auf die Einsprüche des Bauherrn und der Eigentümerin der drei Schwarzbauten am Isarspitz gegen die erteilten Abrissanordnungen noch immer auf sich warten lässt. Für mich ist das Thema aber abgeschlossen.
S7-Verlängerung...
Heilinglechner: Das ist eine wichtige Infrastrukturmaßnahme. Wir müssen in die Zukunft denken, und hierzu gehören nun mal Ausbauten des Bahnnetzes. Allerdings wäre eine transparentere Kommunikation seitens der Bahn wünschenswert. Man weiß hier nicht so recht, wann es weitergeht und mit welchem Engagement die Bahn das Projekt vorantreibt.
Zwischenfrage: Die S7-Verlängerung nach Geretsried lässt seit Jahrzehnten auf sich warten. Ist es nicht an der Zeit, sich über eine Alternative beziehungsweise eine Interimslösung wie einen Pendelbus zwischen den Nachbarstädten Gedanken zu machen?
Heilinglechner: Es tut sich ja etwas im Landkreis. Die X-Busse beispielsweise, die zu Beginn sehr kritisch beäugt worden sind, haben sich als begehrtes Transportmittel erwiesen und werden gut angenommen. Zudem kommt 2025 der Alpenbus. Wir in Wolfratshausen werden jedoch – ob mit oder ohne S-Bahn-Verlängerung – die Ausweitung der Stadtbuslinie forcieren. Perspektivisch gesehen muss man mit Blick auf Alternativen bis zum Ausbau der S7 nach Geretsried natürlich über klimaneutrale Technologien reden.
Danke, ein gutes Stichwort: Klimaschutz...
Meine news
Heilinglechner: Wir haben heuer sehr viele energetische Maßnahmen durchgeführt: Umbau der Heizungsanlage in der städtischen Musikschule, neue Heizungsanlage für den Gebäudekomplex der ehemaligen Landwirtschaftsschule an der Bahnhofstraße und die Modernisierung der Rathausheizanlage, um nur einige Punkte zu nennen. Der häufig erhobene Vorwurf, dass die Stadt nichts für den Klimaschutz tue, geht ins Leere. Wir müssen natürlich immer unsere personelle Leistungsfähigkeit berücksichtigen – es dreht sich nicht unbedingt immer alles ums Geld. Mit energetischen Maßnahmen geht’s im neuen Jahr weiter: Auf den Dächern der ehemaligen Landwirtschaftsschule und des Kindergartens an der Badstraße werden Photovoltaik-Anlagen installiert.
Untermarkt 10...
Heilinglechner: Ein echtes Erfolgsprojekt! Es ist mit neuem Museum, neuer Tourist-Info, der Kaffeerösterei Velvet die herausragende Schlüsselimmobilie, die den Eingang zur historischen Altstadt markiert. Ich bin der Meinung: In die Sanierung des Gebäudes ist kein Cent zu viel investiert worden. Allein in den acht Monaten seit Eröffnung des Museums Wolfratshausen kamen rund 5000 Besucher. Wer kann da – außer dem Badehaus in Waldram – mithalten? Es war eine sinnvolle und kluge Investition, die der Stadtrat beschlossen hat.
Sie waren 2014 genau 100 Tage im Amt, da sagten Sie im Interview mit unserer Zeitung: „Ich bin mir 100-prozentig sicher, dass – wenn wir jetzt nichts für unsere Altstadt tun – sie definitiv in fünf Jahren tot ist. Und dafür wären der Bürgermeister und der Stadtrat mitverantwortlich.“ Nun sitzen wir knapp zehn Jahre später zusammen. Hat die Altstadt nur mit viel Glück überlebt?
Heilinglechner: Nein, natürlich nicht. Das eine ist das städtisch geförderte Projekt, das andere sind aber auch die Händler selbst, die viel Engagement an den Tag legen, um Kunden in den Markt zu locken. Die neuen Objekte, die wir in den vergangenen Jahre hinzugewonnen haben – Drogeriemarkt Müller am neuen Standort, Untermarkt 10, neue Eismanufaktur am Johannisplatz, Rathauscafé und so weiter – haben ja schon zu einer Aufwertung geführt. Das Projekt Altstadtaufwertung begann im Herbst 2018 mit einem großen Bürgerbeteiligungsprozess. Ich war und bin sehr überzeugt von diesem Projekt und werde es auch weiterhin mit oberster Priorität vorantreiben.
Aber das Projekt war doch Chefsache – und liegt nun bis mindestens 2026 auf Eis.
Heilinglechner: Die Altstadtaufwertung ist nicht Chefsache, sondern sie ist mir eine Herzensangelegenheit. Die Aufwertung ist übrigens nicht aus finanziellen Gründen zurückgestellt worden.
Mit Verlaub: Fünf Jahre ist diskutiert und geplant worden. Und nun passiert mittelfristig nichts. Es war doch bekannt, dass vor der Altstadtaufwertung der Kanal unter der Marktstraße von den Stadtwerken erneuert werden muss. Gibt’s denn dafür schon ein Konzept?
Heilinglechner: Passiert ist schon etwas. Bestimmte Dinge müssen ganz einfach aufeinander abgestimmt werden. Erst muss das Ergebnis des Sturzflut-Risikomanagements vorliegen, dann sind die Stadtwerke am Zug, dann folgt die Aufwertung der Altstadt. Für jemand, der nicht in die komplexen Planungsprozesse eingebunden ist, ist es sicherlich schwer, das Ganze nachzuvollziehen.
Wann rechnen Sie mit dem Ergebnis des Sturzflut-Risikomanagements?
Heilinglechner: Das ist ja schon 2017 in Auftrag gegeben worden. Wir haben sogar Fördermittel dafür bekommen. Es ist nicht unser Verschulden, dass das so lange dauert. Es sollte heuer im Herbst vorgestellt werden, das soll nun im März geschehen.
Was bedeutet das für die Kanalsanierung in der Marktstraße?
Heilinglechner: Wir schließen Ende 2024, so viel kann ich heute sagen, die Planung ab. 2025 könnte die Maßnahme in Angriff genommen werden. Zu dem Kanalproblem kommt noch eine Herausforderung, die sich erst nach und nach herausgestellt hat: Die Marktstraße entwässert in die Loisach. Erneuern wir das Kanalsystem, brauchen wir vom Wasserwirtschaftsamt Weilheim eine neue Entwässerungsgestattung. Die Gestattung einer Straßenentwässerung in einen öffentlichen Fluss... mehr muss ich dazu wohl nicht sagen. Es könnte sein, dass wir unter anderem über Filteranlagen reden müssen. Das könnten zusätzliche Maßnahmen werden. Das ist übrigens mit ein Grund, warum die Umgestaltung des westlichen Loisachufers nicht isoliert betrachtet werden darf. Das Westufer und die Marktstraße hängen in Sachen Entwässerung zusammen. Beide Projekte sind wichtig für die Entwicklung der Innenstadt. Aber ich kann die Planungen für das westliche Loisachufer nicht vorantreiben, solange ich nicht weiß, ob irgendwelche Filter- oder Pumpanlagen gebaut werden müssen. Das heißt: Erst die Marktstraße, dann die Neugestaltung des Westufers. Das sind zwei Projekte, die ich in meiner Amtszeit noch zu Ende bringen möchte.
Ein weiterer Baustein ist ein Parkhaus oder Parkdeck. Wird die Attraktivität der Altstadt erhöht, fallen rund 70 Parkplätze weg, die an anderer Stelle kompensiert werden müssen. Dieses Thema wird der Stadtrat im Januar in einer Klausur im Kloster Seeon erörtern. Mit welchen Erwartungen reisen Sie ins Chiemgau?
Heilinglechner: Lassen Sie mich kurz ausholen: Wolfratshausen hat kein Parkplatzproblem. Das haben zwei Parkraumanalysen ergeben. Es sind aktuell genügend öffentliche Stellflächen vorhanden. Die Parkplätze sind nur in Spitzenzeiten zu 100 Prozent ausgelastet. Aber wenn hinterm Rathaus für die Neugestaltung des westlichen Loisachufers und für die Altstadtaufwertung Parkplätze wegfallen, müssen wir Alternativen schaffen. Wir hatten bekanntlich schon einen Beschluss, eine Planung und einen Erbpachtvertrag mit einem Investor aus Bad Tölz geschlossen. Der wollte auf dem Hatzplatz ein Parkhaus bauen und betreiben. Doch es wurden außerdem noch ein paar politische Runden gedreht – und der Erbpachtvertrag mit Mehrheitsbeschluss des Stadtrats wieder aufgehoben.
Welche Position vertreten Sie in der Klausurtagung?
Heilinglechner: Wenn die Stadträte die Innenstadt aufwerten wollen, muss ihnen bewusst sein, dass wir dringend eine Alternative für die Stellflächen brauchen, die wegfallen. Sonst habe ich eine attraktive Innenstadt, die mehr Menschen anlockt, aber ich habe für die Gewerbetreibenden und ihre Kunden keine Parkplätze. Der Stadtrat muss in der Klausur vorab ein grundsätzliches Bekenntnis ablegen: Brauchen wir ein Parkhaus oder Parkdeck – oder nicht? Bis vor einem halben Jahr gab’s eine Mehrheit für ein Parkhaus auf dem Hatzplatz. Doch die Mehrheit ist gebröckelt, dann kam der Vorschlag von der CSU, eine Tiefgarage unter dem Sportplatz am Jugendhaus La Vida zu bauen...
Einige Stadträte, vor allem in den Reihen der Grünen, lehnen ein neues Parkhaus oder Parkdeck in Zentrumsnähe kategorisch ab...
Heilinglechner: Ja, einige wollen das grundsätzlich nicht. Die werde ich von der Notwendigkeit, die ich erkenne, auch nie überzeugen können.
Stadtrat Dr. Manfred Fleischer hat via Zeitung angekündigt, dass er der Klausurtagung fernbleiben wird...
...obwohl er sich wie die gesamte Wolfratshauser Liste öffentlich für ein Parkhaus auf dem Hatzplatz starkmacht.
Im Kloster Seeon muss ein Konsens her?
Heilinglechner: Ich kann den Stadtrat zu nichts zwingen. Doch die Bürgerinnen und Bürger sowie die Gewerbetreibenden erwarten jetzt eine klare Aussage. Nicht von mir allein. Ich sage, wir brauchen ein Parkhaus oder Parkdeck. Jetzt muss der Stadtrat Farbe bekennen! Wenn wir mit der Altstadt-Aufwertung weiterkommen wollen, brauchen wir die Antwort auf die Parkplatz-Frage. Ganz egal, über welchen Standort wir reden.
Legen Sie sich vorher fest?
Heilinglechner: Für den Hatzplatz gibt’s Baurecht. Die Stadt könnte einen Bauantrag einreichen und sofort anfangen. Mir ist aber auch bewusst, dass der Hatzplatz ein sehr sensibler Bereich ist. Da können wir nicht einfach irgendwas hinstellen. Man hätte seinerzeit in Sachen Außenfassade noch einiges mit dem Investor aus Bad Tölz besprechen können. Doch der Stadtrat wollte das nicht. Das Thema Parkhaus ist aber auf jeden Fall mein Thema.
Ihre Themen waren auch der Bürgerladen im städtischen Gebäude am Untermarkt 10, die künstliche Surfwelle in Weidach und die Versetzung des Marienbrunnens. Warum konnten Sie ihre Herzensprojekte nicht in die Tat umsetzen?
Heilinglechner: (lacht) Das ist Politik. Das sind die üblichen Sandkastenspielchen.
Frustriert sie das?
Heilinglechner: Nein, inzwischen nicht mehr. Ich weiß, dass mir gewisse Sachen wichtig sind, dass ich mich dafür mit Leidenschaft einsetze. Ich bin jemand, der mit Veränderungen grundsätzlich immer Positives verbindet, daher unterstütze ich Projekte, die in die Zukunft gerichtet sind. Wenn ich allerdings keine politischen Mehrheiten bekomme, kann ich damit mittlerweile gut umgehen.
Der Wirtschaftsreferent des Stadtrats, Ex-Bürgermeister Helmut Forster, warnt vor einer Überschuldung der Flößerstadt. Müssen sich die Bürger Sorgen machen?
Heilinglechner: Die Finanzlage wird ohne Zweifel – auch ohne die begonnenen und die geplanten Baumaßnahmen – angespannter. Ich gehe davon aus, dass die Gewerbesteuereinnahmen, die in den vergangenen Jahren unerwartet hoch waren, zurückgehen werden. Wir haben aktuell einen Schuldenstand von 3,6 Millionen Euro. Da wären viele andere Kommunen hocherfreut. Ich glaube, dass eine Stadt einen gewissen Schuldenstand erträgt. Vielleicht müssen wir lernen, unsere freiwilligen Ausgaben ein bisschen einzuschränken. Momentan schöpfen wir aus dem Vollen, das ist natürlich gut für die Vereine und die Kulturschaffenden. Eventuell müssen wir mal auf die Bremse treten. Einschränken müssen wir uns definitiv bei Neuprojekten. Absoluten Vorrang haben Pflichtaufgaben wie die Sanierung und Erweiterung der Grund- und Mittelschule am Hammerschmiedweg.
Gibt’s weitere anstehende Pflichtaufgaben?
Heilinglechner: Ja. Wir brauchen auf jeden Fall zusätzlich einen zwei- oder dreigruppigen Kindergarten. Der steht zwar noch nicht im Finanzplan, kommt aber auf die Agenda. Die Bevölkerungsstatistik zeigt, dass wir spätestens in drei Jahren noch einmal investieren müssen. Aber das ist eine Investition in die Zukunft – genauso wie die Aufwertung der Altstadt. Was nutzt es, wenn wir null Schulden haben, aber es in der Altstadt keinen Einzelhandel mehr gibt?
Das Jahr 2023 bekommt von Ihnen bitte eine Schulnote – von 1/sehr gut bis 6/ungenügend:
Heilinglechner: Eine Zwei minus. Wie gesagt, der Untermarkt 10 hat heuer herausragende Bedeutung bekommen, der neue Drogeriemarkt Müller an der Stelle des ehemaligen Isar-Kaufhauses ist wichtig für die Innenstadt, die Sanierung und Erweiterung der Hammerschmiedschule hat im Sommer begonnen, die Haushaltslage ist sehr gut, die Sanierung des Gerätehauses der Feuerwehr Wolfratshausen hat begonnen – der Weg für vieles ist bereitet. Wolfratshausen ist und bleibt eine attraktive Stadt.
Also alles mächtig im Fluss?
Heilinglechner: (lacht) Ja. Schreiben Sie: In Wolfratshausen ist alles mächtig im Fluss!
Ende 2022 haben Sie auf unsere Frage, ob Sie bei der Kommunalwahl 2026 noch einmal kandidieren werden, geantwortet: „Das lasse ich noch offen.“ Haben Sie sich inzwischen entschieden?
Heilinglechner: Ich möchte noch das eine oder andere Projekt abschließen. Ich will aber heute nicht ankündigen, dass ich meinen Hut 2026 noch einmal in den Ring werfe.
Dann lassen sie uns die Frage neu formulieren: Vorbehaltlich dem Ergebnis von Gesprächen mit Ihrer Fraktion, der Bürgervereinigung Wolfratshausen, schließen Sie eine erneute Bewerbung für das Bürgermeisteramt bei der Kommunalwahl 2026 nicht aus?
Heilinglechner: Nein, das schließe ich nicht aus.
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