Aufwertung der historischen Altstadt abgesagt: Wie die Hoffnung der Händler immer weiter schwindet
Es sind große Pläne: Fußgängerfreundlicher und schöner soll die Altstadt werden. Wann? Das ist unklarer denn je. Bei den Händlern macht sich Resignation breit.
Wolfratshausen – Wenn Johannes Woll vor seinem „redstone“-Geschäft steht und an diesem Donnerstagmittag in die Marktstraße blickt, sieht er eine Hand voll fahrender Autos und einen Mann, der im Nieselregen mit seinem Schirm kämpft. Was er nicht sieht: Begegnungsflächen, Kundenströme und eine Zukunft. „Es ist frustrierend“, sagt der Modehändler. „Ich hatte große Hoffnungen mit der Altstadt-Aufwertung verbunden.“ Seit Dienstagabend sind die verpufft. In der Weihnachtssitzung des Stadtrats wurde wie berichtet bekannt, dass die Maßnahme aufgeschoben wird. Bis mindestens 2026 liegt das Projekt auf Eis, das vor gut fünf Jahren mit einer Bürgerbeteiligung angestoßen wurde.
Altstadt-Aufwertung abgesagt: Wie die Hoffnung der Händler immer weiter schwindet
Eine der treibenden Kräfte hinter der Aufwertung ist der Verein Lebendige Altstadt Wolfratshausen (LAW). Dessen Vorsitzender, Ernst Gröbmair, macht kein Geheimnis aus seiner Enttäuschung: „Ich war eigentlich nur gespannt darauf, mit welchem Argument es dieses Mal abgesagt wird.“ Ein Hauptargument lautet: Die Kirche St. Andreas am Marienplatz wird saniert. Zwei zeitgleiche Großbaustellen, so Bürgermeister Klaus Heilinglechner, wolle man den Gewerbetreibenden im Markt nicht zumuten. „Fadenscheinig“ findet Gröbmair das. Dass die Baumaßnahme nicht begonnen wird, sei das eine. „Aber die Planung abzubrechen, das wäre fatal. Wir vom LAW fordern, dass zumindest die weitergeführt wird.“ Die Wunschvorstellung des Vereinsvorsitzenden: Wenn die Stadtpfarrkirche saniert ist, könnte nahtlos die Markstraße aufgemöbelt werden.
Was Gröbmair, den emsigen Streiter für die Attraktivitätssteigerung der Altstadt, besonders wurmt: „Es trifft wieder die Bürger und Engagierten. So wie bei der Surfwelle. So wie bei...“ – er zögert. „Ich möchte jetzt nicht alles aufzählen.“ Während sich immer wieder motivierte Wolfratshauser finden würden, die Ideen entwickeln, um die Loisachstadt weiterzubringen, „wird im Stadtrat vertagt, verschoben und abgesagt“.
Historische Einkaufsstraße: Pläne zur Verschönerung liegen auf Eis - auf unbestimmte Zeit
Hans-Joachim Kunstmann ist Chef des Werbekreises Einkaufsstadt Wolfratshausen, der Vereinigung von Einzelhändlern und Dienstleistern. Er ist nicht überrascht von der Bekanntmachung des Bürgermeisters. „Ich habe nicht damit gerechnet, dass in einem halben Jahr die Bagger kommen.“ Für den Betreiber des Rathauscafés ist wichtiger, „dass es vernünftig durchdacht wird“. So müsse bei der Planung auch der Regenwasser-Abfluss bedacht werden. „Wenn wir das richtig machen wollen, ist es sinnvoll, das nachhaltig anzugehen. Die Maßnahmen sollen ja für die nächsten 100 Jahre Bestand haben.“
Einzelhändler Woll hat den Glauben daran verloren, dass überhaupt noch eine Maßnahme in Angriff genommen wird, um die Aufenthaltsqualität in der Altstadt zu erhöhen. „Wenn alle an einem Strang ziehen würden, dann würde auch etwas vorwärts gehen.“ Er betont, dass die örtlichen Geschäfte „nicht nur mit den Wolfratshauser Kunden überleben können“ – soll heißen: „Es müssen auch Menschen von auswärts kommen und die Altstadt besuchen.“ Denen müsse die Stadt etwas bieten. „Aufenthaltsqualität, Begegnungsstätten, Parkplätze, die leicht zu finden sind“ – vorerst wird daraus nun nichts.
Großbaustelle vor der Haustüre? Keine allzu schöne Vorstellung für die Händler im Markt
Die Juwelierin Conny Broenner, die ihr gleichnamiges Geschäft am Obermarkt betreibt, ist nach eigenen Worten gerne Teil der Marktstraße. „Wir haben unsere Kunden und bieten ihnen gerne einen guten Service.“ Dass die historische Altstadt eine Frischzellenkur nötig hat, steht für Broenner dennoch außer Frage. Sie könnte mit einem Kompromiss leben: „Es ist in Ordnung, wenn wir noch zwei Jahre warten, dass es los geht. Aber dann sollte die Aufwertung so strukturiert geplant sein, dass es zügig geht und wir nicht monatelang eine Großbaustelle im Markt haben – und kein Geschäft erreichbar ist.“
Händlerin konsterniert: „Man könnte viel schaffen“ - aber kann sich auf nichts verlassen
Kirchensanierung und danach die Altstadt-Aufwertung? Zwei Baustellen direkt nacheinander? „Da könnten wir vermutlich komplett alle einpacken“, sagt Martina Steuer. Zusammen mit ihrem Mann Bernd führt sie den plastikfreien „ohnverpackt“-Laden am Obermarkt. Dort gibt es eine kleine Café-Ecke. Espresso trinken ihre Kunden am liebsten im Laden – „wenn sie sich vor die Türe setzen, würden sie ja nur Autos sehen, die sich durch die Straße quälen“.
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Die Attraktivität der Flößerstadt lasse zu wünschen übrig, meint Steuer. „Man könnte viel schaffen mit ein paar Wohlfühloasen und wenn man den Platz anders nutzt als nur zum Parken.“ Sie und ihr Mann hatten fest damit gerechnet, dass die Maßnahmen aus der Bürgerbeteiligung zeitnah umgesetzt werden. Nun macht sich Resignation breit: „Eigentlich darf man sich auf gar nichts mehr verlassen. Immer wieder werden Sachen von der Stadt angekündigt – und am Schluss doch wieder abgesagt.“
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