Eine Woche Grenzkontrollen in Deutschland – Kritik von den Nachbarn folgt prompt
Nancy Faeser hat Kontrollen an deutschen Grenzen angeordnet. Sie rüttelt damit am rechtlichen Fundament der EU.
Berlin/Brüssel – Seit dem Schengener Abkommen 1985 werden in Europa Grenzen abgebaut. Der Schengen-Raum umfasst heute 29 Länder und garantiert die Reisefreiheit von mehr als 400 Millionen Menschen. Jede Person kann, unabhängig von ihrer Nationalität, ohne Grenzkontrollen zwischen den Schengen-Ländern reisen.
Grenzkontrollen darf es laut dem Abkommen nur in Ausnahmefällen und zeitlich begrenzt geben. Etwa während der Pandemie war ein solcher Ausnahmefall gegeben. Die neu eingeführten Kontrollen an allen neun deutschen Grenzen stellen das Abkommen nun auf die Probe, wie niemals zuvor. Nachbarländer und EU-Politiker sind empört.
Brüssels Top-Politiker warnen – „Rückfall in die Hochzeit des Nationalismus“
Olaf Scholz betonte, dass man sich bei den Grenzkontrollen an europäisches Recht halten werde. Doch daran gibt es erhebliche Zweifel. „In Bezug auf die aktuellen Grenzkontrollen habe ich daher die EU-Kommission dazu aufgefordert, diese Maßnahmen juristisch zu prüfen“, sagte etwa der konservative belgische EU-Abgeordnete Pascal Arimont gegenüber der Tagesschau. Konkret geht es um Artikel 25 des Schengen-Kodex. „Ich bezweifle, dass diese Kontrollen im Einklang mit diesem Artikel stehen“, sagte Arimont.
Polens Regierungschef Donald Tusk kritisierte, die deutschen Grenzkontrollen seien reine Symbolpolitik und würden die Schengen-Freizügigkeit gefährden. Der frühere Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker warnte vor einem Rückfall in die Hochzeit des Nationalismus.
Ärger auch aus Österreich und Luxemburg – Ausnahme darf keine Regel werden
Auch aus dem Nachbarland ertönen verärgerte Stimmen über Deutschlands Alleingang. Der österreichische Abgeordnete des EU-Parlaments der konservativen ÖVP bezeichnete Faesers Grenzkontrollen als „verblüffende Kehrtwende“ von Sozialdemokraten und Grünen. Es sei ein „Treppenwitz, dass ausgerechnet die deutsche Bundesregierung jetzt zulasten ganz Europas ihre eigene innenpolitische Imagekrise lösen will.“ Österreich werde keine Asylbewerber aus Deutschland zurücknehmen.
Der luxemburgische Innenminister Léon Gloden warnte mit Blick auf die Ampel-Koalition davor, dass die Ausnahme, die im Schengen-Kodex festgeschrieben ist, keine Regel werden dürfe. Unilaterales Vorgehen würde nicht die Migrationsfrage Europas lösen. Die Mehrheit der EU-Parlamentarier plädiert hingegen dafür, den im Frühjahr verabschiedeten Asyl- und Migrationspakt noch vor Sommer 2026 umzusetzen.
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Nancy Faeser begründet die Grenzkontrollen mit der Bekämpfung irregulärer Migration
Deutschlands Innenministerin Nancy Faeser (SPD), die stationäre Kontrollen der Bundespolizei an allen Landgrenzen angeordnet hatte, begründet ihre Anweisung mit der großen Belastung Deutschlands durch sogenannte irreguläre Migration. Ein komplizierter Begriff, da vielen Menschen, die ein legales Recht auf Asyl haben, keine andere Möglichkeit haben, als illegal nach Deutschland einzureisen. An den Grenzen zu Österreich, Polen, Tschechien und der Schweiz hatte es solche Kontrollen bereits gegeben, nun kamen Frankreich, Dänemark, Belgien, die Niederlande und Luxemburg dazu. Kontrollen sind im Schengen-Raum, der 29 Staaten mit rund 420 Millionen Menschen umfasst, eigentlich nicht vorgesehen.
Illegal nach Deutschland: Die einzige Möglichkeit für viele Flüchtlinge
Die meisten Menschen, die aus Ländern kommen, in denen Krieg oder Armut herrscht, bekommen laut Mediendienst Integration kein Visum für eine reguläre Einreise in die Europäische Union. Sie kommen daher in der Regel als sogenannte irreguläre Einwanderer in Land.
Dabei kann ihre Einreise durchaus in Einklang mit dem Gesetz passieren. Nach Artikel 16a des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland genießen politisch verfolgte Menschen Asyl. Das Asylrecht hat in Deutschland als Grundrecht Verfassungsrang.
Aus Artikel 14 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte der Vereinten Nationen ergibt sich, dass Flüchtlinge das Recht haben, Asyl zu suchen und zu genießen. Außerdem ist der Schutz vor Abschiebung in die Verfolgung ein Menschenrecht, das unter anderem in der Europäischen Menschenrechtskonvention bestätigt wird.
Baden-Württembergs Innenminister Thomas Strobl sieht kein baldiges Ende der Kontrollen der Grenzen zu den Nachbarländern. Man brauche die Kontrollen zumindest bis die geplante europäische Asylreform wirke, sagte der CDU-Politiker in Stuttgart. „Das wird nicht vor dem Jahr 2026 sein. Und vorher wird es auch nicht gelingen, dass wir wirksam an den EU-Außengrenzen einen Grenzschutz aufbauen.“ Intensivere Grenzkontrollen an den Binnengrenzen müssten deshalb auf absehbare Zeit bleiben, sagte Strobl. (lm/dpa)