Drogenbanden in immer mehr Bundesländern aktiv: „Schwarzes Kapital“ im Visier der Polizei
Nicht nur in NRW, auch in anderen Bundesländern sind Drogenbanden verstärkt aktiv. Die Behörden rüsten sich derweil gegen die sogenannte „Mocro-Mafia“.
Deutschland wird für die Organisierte Kriminalität offenbar immer attraktiver, seit Monaten beobachten Behörden eine neue Aktivität von Drogenbanden. Vor allem in NRW haben zuletzt Sprengstoffanschläge und eine brutale Geiselnahme, die Akteuren aus dem Umfeld der niederländischen sogenannten „Mocro-Mafia“ zugeschrieben werden, für Aufsehen gesorgt.
Aber auch in anderen Bundesländern drängen ausländische Drogenbanden, vor allem aus den Niederlanden, auf illegale Märkte. Aus dem hessischen Innenministerium etwa heißt es auf Anfrage von IPPEN.MEDIA: „Immer wieder werden auch Personen mit niederländischer oder marokkanischer Herkunft im Zusammenhang mit Delikten aus dem Bereich der Organisierten Kriminalität wie beispielsweise bandenmäßiger Drogenhandel als Tatverdächtige identifiziert, so auch in Hessen.“ Eine genaue Zahl lasse sich derzeit allerdings nicht beziffern. Über den Austausch mit den niederländischen Polizeibehörden sei aber festgestellt worden, dass bereits identifizierte niederländische Täter, die für Geldautomatensprengungen in Hessen verantwortlich seien, „zum Teil auch im Bereich der Drogenkriminalität in den Niederlanden polizeilich einschlägig in Erscheinung getreten sind“.
Drogenbanden und „Mocro-Mafia“ in NRW, Bayern, Hessen und Niedersachsen
Auch in Niedersachsen sind „hinsichtlich der Betäubungsmittelkriminalität einzelne Ermittlungsverfahren bekannt, in denen niederländische Tatverdächtige ermittelt wurden“, so ein Sprecher des dortigen Innenministeriums gegenüber dieser Redaktion. Aufgrund fehlender Auswertungsmöglichkeiten lägen allerdings keine abschließenden Erkenntnisse zu Aktivitäten niederländischer Drogenbanden in dem Bundesland vor. Indes habe man 2023 eine „deutliche Zunahme von Verstößen gegen das Betäubungsmittelgesetz im Zusammenhang mit Kokain und Crack“ um 31 Prozent gegenüber dem Vorjahr beobachtet. Vor allem Crack als Massenphänomen ist neu in Deutschland, Experten sprechen von einem regelrechten Boom.
Die sogenannte „Mocro-Mafia“
► Der Begriff stammt aus den Niederlanden. „Mocro“ ist ein Slangwort für Marokkaner. In der niederländischen Popkultur ist der Ausdruck längst etabliert – die TV-Serie „Mocro Maffia“, die sich auf die Bandenkriminalität bezieht, ist dort populär.
► Die Bezeichnung ist umstritten, da es bislang keinen erkennbaren Zusammenhang zwischen den Banden und einer bestimmten Herkunft gibt. Laut Experten sind viele Mitglieder albanischer oder marokkanischer Herkunft, viele haben aber auch keine Migrationsgeschichte oder stammen aus anderen Ländern.
► Auch handelt es sich nicht um eine einheitliche Gruppe, sondern Dutzende Banden ohne einheitliche Strukturen. Die Behörden nutzen den Begriff „Mocro-Mafia“ nicht.
► Auch Morde gehen auf das Konto der sogenannten „Mocro-Mafia“: Im Juli 2021 war der niederländische Kriminalreporter Peter de Vries mitten in der Innenstadt von Amsterdam niedergeschossen worden. Der Mord soll in Zusammenhang mit einem Prozess gegen den mutmaßlichen Drogenboss Ridouan Taghi stehen, de Vries war Berater des Kronzeugen.
► Im Sommer 2024 waren niederländische Gangster an einer Geiselnahme in Köln beteiligt: Offenbar ging es dabei um verschwundene Drogen. Die Kriminellen folterten dabei ihr Opfer.
Das führe zu Umbrüchen am Drogenmarkt – und zu mehr Gewalt unter den Drogenbanden, sagt Daniel Brombacher. Er ist Direktor der Beobachtungsstelle für organisiertes Verbrechen in Europa bei der Global Initiative against Transnational Organized Crime (Gitoc). „Deutschland ist schon allein durch seine Lage attraktiv für ausländische kriminelle Netzwerke. Wir sind das europäische Land mit den meisten Nachbarländern, haben eine gute Infrastruktur, sind weltweit gut angebunden.“
Cannabis-Legalisierung als Grund für Banden-Kriminalität?
In Bayern sehen die Behörden noch andere Gründe. „Die Straßenpreise der meisten Rauschgifte liegen in Bayern teils weit über dem bundesdeutschen oder europäischen Niveau. Wegen der hierdurch zu erzielenden Gewinne betätigen sich viele kriminelle Gruppierungen in diesem Deliktsfeld“, so ein Sprecher des bayerischen Landeskriminalamts gegenüber IPPEN.MEDIA. „Darüber hinaus wird die Volkswirtschaft zunehmend durch ‚schwarzes Kapital‘ infiltriert, weshalb Gruppierungen des Rauschgifthandels zunehmend Einfluss auf die Entwicklung der Wirtschaft nehmen.“ Das sogenannte „schwarze Kapital“ meint erlaubnispflichtige Geldgeschäfte, die bewusst außerhalb der Kontrolle des Staats getätigt werden – etwa, um illegales Geld zu waschen. „Bayern als leistungsfähiger Wirtschaftsstandort gilt dabei als besonders attraktiv für Geldwäsche und Investitionen von Drogengeldern“, so der LKA-Sprecher.
Die bayerischen Behörden sehen überdies die Cannabis-Legalisierung als Grund für die neuen Aktivitäten von Drogenbanden. Kriminologen warnen schon länger davor, dass durch die Legalisierung eine größere Nachfrage entstehe, die nicht schnell genug vom legalen Angebot gedeckt werden könne. „Die jüngsten Vorkommnisse in Nordrhein-Westfalen im Zusammenhang mit Sprengstoffanschlägen, die auf das Konto verfeindeter Gruppierungen im Bereich der Rauschgiftkriminalität zurückzuführen sind, scheinen entsprechende Prognosen der Polizei zu bestätigen“, heißt es aus dem bayerischen LKA. „Es steht zu befürchten, dass insbesondere das Betätigungsfeld des illegalen Cannabishandels weitere ausländische kriminelle Organisationen anlocken wird.“ Ähnlich hatte sich zuletzt auch NRW-Innenminister Herbert Reul im Interview mit dieser Redaktion geäußert.
Experte Bromberger hält das nur bedingt für plausibel: „Man kann nicht ausschließen, dass es durch die Cannabis-Legalisierung Verschiebungen im Markt gegeben hat. Aber es gibt noch keine Evidenz dafür. Dafür ist es zu früh.“
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Niederländische Drogenbanden in Deutschland: Behörden prüfen Zusammenhänge
Die Behörden prüfen derweil die genauen Zusammenhänge. „Inwiefern sich die Teillegalisierung von Cannabis auf die Entwicklung der Fallzahlen auswirkt, unterliegt derzeit einem spezifischen Monitoring“, heißt es aus Niedersachsen. Grenzregionen könnten grundsätzlich vermehrt von grenzüberschreitender Kriminalität betroffen sein. Eine valide Einschätzung sei aktuell aufgrund des kurzen Betrachtungszeitraumes noch nicht möglich.