Warum der Drogenkrieg der Mocro-Mafia jetzt aus den Niederlanden nach Deutschland schwappt

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Seit Monaten warnen Experten davor, dass sich die „Mocro-Mafia“ nach Deutschland ausbreitet: Jetzt passiert genau das in NRW. Die Spur führt auch nach Schweden.

Köln – In den Niederlanden ist das Unheil längst Teil der Popkultur: Jeder dort kennt die TV-Serie „Mocro Maffia“. Die Krimireihe hat einen bitterernsten Hintergrund. Denn die echte „Mocro Mafia“ ist für ihre Brutalität berüchtigt. Viele ihrer Mitglieder haben albanische, aber auch marokkanische Wurzeln, daher der saloppe Slang-Name. Verfeindete Banden liefern sich in den Niederlanden einen regelrechten Krieg, auch Morde gehen auf ihr Konto. Immer geht es dabei um Drogen, und die Spur führt auch nach Schweden, wo Gangs ganze Stadtteile in No-Go-Areas verwandelt haben. Jetzt schwappt die Gewalt auch nach Deutschland über.

„Mocro-Mafia“ aus den Niederlanden: Sprengstoffanschläge und Entführungen in Köln

In den vergangenen Monaten sorgten Sprengstoffanschläge unter anderem in und um Köln für Aufsehen. Die Polizei sieht Verbindungen zu niederländischen Drogen-Gangs. Zuletzt gab es eine Explosion in einem Café im Kölner Stadtteil Pesch, zwei Menschen wurden in der Folge leicht verletzt. Unklar ist noch, ob es auch diesmal einen Zusammenhang zu den niederländischen Kriminellen gibt.

Erneut Explosion in der Kölner Innenstadt
Eine Reihe von Explosionen erschüttert seit Monaten Köln. © Henning Kaiser/dpa

In den Niederlanden tragen die Banden ihre Fehden seit Jahren in der Öffentlichkeit aus. Ein rasanter Anstieg von Sprengstoffanschlägen im Drogenmilieu bereitet der Polizei große Sorge. Allein in den ersten sechs Monaten des vergangenen Jahres hatte es über 300 Anschläge auf Häuser gegeben. Es sei ein Wunder, dass es noch keine Toten gab, heißt es aus Sicherheitskreisen.

Wenngleich die Drogenbanden vor Mord nicht zurückschrecken. Im Juli 2021 war der niederländische Kriminalreporter Peter de Vries mitten in der Innenstadt von Amsterdam niedergeschossen worden. Der Mord soll in Zusammenhang mit einem Prozess gegen den mutmaßlichen Drogenboss Ridouan Taghi stehen, de Vries war Berater des Kronzeugen.

Auch Entführungen und Folter gehören zu den Methoden der Banden. Im Juli 2023 hielten niederländische Gangster ein Paar fest, das zu einer verfeindeten Gruppe mit libanesischem Hintergrund gehört haben soll. Offenbar ging es um verschwundene Drogen, die die Niederländer wiederhaben wollten. Sie folterten den Mann vor den Augen seiner Partnerin. Und 2020 entdeckten Ermittler einen umgebauten Zahnarztstuhl mit Schnallen zum Fixieren sowie Folterwerkzeuge wie Zangen und Klemmen in einem Container in Rotterdam.

Rotterdam ist Dreh- und Angelpunkt für die „Mocro-Mafia“

Die Stadt ist Dreh- und Angelpunkt für die Machenschaften der Mocro-Mafia. Im riesigen und unübersichtlichen Hafen von Rotterdam kommen regelmäßig tonnenweise Drogen aus Südamerika an. Die Niederlande gelten als Drehscheibe für den Handel mit Marihuana, Crack und Kokain. Laut der EU-Beobachtungsstelle für Drogen (EMCDDA) gehört das Land neben Spanien und Belgien zu den wichtigsten Importpunkten für Kokain nach Europa. Die Marge bei Kokain ist besonders hoch. Laut Experten kostet ein Kilogramm in Lateinamerika rund 2.000 Euro – der Weiterverkaufswert in Europa liegt bei 30.000 Euro und mehr.

Schiffe und Kräne im Hafen von Rotterdam in den Níerlanden
Rotterdam hat einen der größten Seehäfen der Welt: Für Kriminelle ein geeigneter Drogenumschlagsplatz. © Peter Sieben

Schweden steht weit oben auf der Liste der Länder, an die die Drogen gehen. Dort haben sich mächtige Drogen-Clans fest etabliert und bescheren den Lieferanten und Produzenten gute Geschäfte. Vor allem Clans mit libanesisch-kurdischen Wurzeln, die in den 1980er Jahren nach Schweden kamen, und somalische Banden beherrschen in dem skandinavischen Land die Szene. Verfeindete Gangs liefern sich auf offener Straße Schießereien, manche Vororte von Stockholm gelten als regelrechte No-Go-Areas.

Das sei Ergebnis einer jahrzehntelangen Entwicklung, sagte Tobias Etzold vor einigen Monaten im Gespräch mit IPPEN.MEDIA. Der Skandinavienkenner forscht am Norwegian Institute of International Affairs (Nupi) in Oslo. „Schweden hat im Vergleich zu den anderen nordischen Ländern eine andere Migrationspolitik gehabt. Es galt lange eine sehr offene Willkommenskultur.“ Die Einwanderung wurde über Jahre nur sehr wenig gesteuert – viele Menschen, die als Geflüchtete kamen und wenig Perspektiven hatten, wurden sich selbst überlassen.

Cannabis-Legalisierung eröffnet neuen Markt für niederländische Drogen-Banden

Oliver Huth, NRW-Chef vom Bund deutscher Kriminalbeamter.
Oliver Huth, NRW-Chef vom Bund deutscher Kriminalbeamter. © Peter Sieben

Dass die niederländischen Banden nun auch in Deutschland aktiv werden, ist nach Ansicht von Experten kein Zufall. Denn hier gibt es für die Gangster einen neuen Markt: das Cannabis-Geschäft. Der jährliche Bedarf an Cannabis liegt bei rund 400 Tonnen. Der legale Markt hat sich noch längst nicht etabliert und kann diese Summen nur bedingt decken. Schon vor Monaten warnte Oliver Huth, NRW-Chef des Bundes Deutscher Kriminalbeamter (BDK): „Der illegale Markt kann sich nun ausbreiten.“

In den Niederlanden gilt inzwischen die seit den 1980er Jahren etablierte Drogenpolitik als eine Ursache für die heutigen Banden-Probleme. Denn Drogen darf man dort zwar besitzen, aber nicht kommerziell produzieren – ein lohnendes Geschäftsfeld für Kriminelle. Die Sicherheitsbehörden wollen die Szene nun Schritt für Schritt austrocknen. „Dieses Problem löst man nicht in einer Woche“, sagte der niederländische Staatsanwalt Peter Huttenhuis vor einiger Zeit bei einem Kongress zur Bekämpfung von Clankriminalität in Düsseldorf.

Der niederländische Staatsanwalt Peter Huttenhuis bei einem Kongress zur Bekämpfung von Clankriminalität in Düsseldorf
Der niederländische Staatsanwalt Peter Huttenhuis bei einem Kongress zur Bekämpfung von Clankriminalität in Düsseldorf. © Peter Sieben

Bei Ermittlungen auf einer illegalen Cannabis-Plantage hatten die Ermittler gefälschte Ausweispapiere entdeckt: Viele Akteure geben sich in den Niederlanden als Griechen oder Italiener aus, um von den Einwanderungsbehörden auf einfachem Wege Aufenthaltserlaubnisse zu erhalten. Nach der Entdeckung der falschen Dokumente konnte die Polizei weitere Schritte gegen das Drogen-Kartell einleiten. Eine Domino-Taktik, vergleichbar mit der „Politik der 1000 Nadelstiche“, die die NRW-Polizei gegen kriminelle Clans nutzt.

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