„Das ist absurd“ – Diese Sonder-Regelung erspart Mega-Erben die Erbschaftsteuer

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Mehrfamilienhäuser in Hilden (Symbolfoto). Wer mehr als 300 Wohnungen erbt, zahlt keine Erbschaftsteuer. Kleinere Vermieter werden belastet. Das hat direkte Auswirkungen auf die Miete. © IMAGO / Michael Gstettenbauer

Wer mehr als 300 Wohnungen erbt, zahlt keine Erbschaftsteuer. Kleinere Vermieter werden dagegen belastet. Das hat direkte Auswirkungen auf die Miete.

Berlin – „Im Erbschaftsteuergesetz gilt, schwache Schultern müssen mehr tragen als starke. Das ist absurd.“ So beschreibt der Fachanwalt für Erbschaftsrecht Markus Sebastian Rainer eine besondere Richtlinie innerhalb des Erbschaftsteuergesetzes gegenüber der Tagesschau. Konkret geht es hier um die Einstufung bestimmter Erben als Wohnungsunternehmen: Wer mehr als 300 Wohnungen innerhalb einer Erbschaft erlangt, der gilt automatisch als Wohnungsunternehmen. Das erspart ihm das Zahlen der Steuer.

Erbschaftsteuer in Millionenhöhe – „Je mehr Sie erben, desto weniger werden Sie besteuert“

Am Beispiel eines Vermieters aus München berichtete die Tagesschau im Herbst davon, inwiefern sich diese Regelung auf Erben auswirkt. Dieser hatte 13 Wohnungen geerbt und musste eine Millionensumme zahlen – nur eine Kreditaufnahme konnte verhindern, dass er die geerbten Wohnungen verkaufen musste. Stattdessen hatte die hohe Erbschaftsteuer für eine drastische Mieterhöhung gesorgt.

Ein Problem dabei ist, dass die Erbschaftsteuer nicht nach den eingenommenen Mieten berechnet wird, sondern nach dem Grundstückswert. In Regionen, in denen die Bodenpreise besonders stark steigen, fällt dann auch die Erbschaftsteuer entsprechend hoch aus. Das sorge dafür, dass Erben von Wohnhäusern gerade in diesen Regionen die Erbschaftsteuer mit zunehmender Tendenz nicht zahlen können. Der Verkauf an einen Investor sei dann die einzige Möglichkeit – was die Mieten hochtreibe. „Je mehr Sie erben, desto weniger werden Sie besteuert. Im Einkommenssteuertarif gilt ja genau der umgekehrte Grundsatz. Starke Schultern müssen mehr tragen als schwache“, zitierte die Tagesschau Fachanwalt Rainer.

Sonder-Regelung bei der Erbschaftsteuer – Wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb, oder nicht?

Grundsätzlich unterliegt die Verwaltung von Erbschaft- und Schenkungsteuern den Ländern; das Finanzministerium nimmt sich da heraus. Wie das Bundesministerium der Finanzen auf IPPEN.Media-Anfrage hin mitteilte, handelt es sich bei dieser speziellen Regelung mit den 300 Wohnungen gar nicht um eine gesetzliche Vorgabe, „sondern um eine Verwaltungsanweisung der obersten Finanzbehörden der Länder zur Anwendung der gesetzlichen Regelung § 13b Absatz 4 Nummer 1 Satz 2 Buchstabe d ErbStG.“

§ 13b Absatz 4 Nummer 1 Satz 2 d, Erbschaftsteuergesetz

Paragraf 13b legt das begünstigte Vermögen fest. In Absatz 4 Satz 2 heißt es: „Eine Nutzungsüberlassung an Dritte ist nicht anzunehmen, wenn die überlassenen Grundstücke, Grundstücksteile, grundstücksgleichen Rechte und Bauten zum Betriebsvermögen, zum Betriebsvermögen im Sinne des § 97 Absatz 1a Nummer 1 des Bewertungsgesetzes einer Personengesellschaft oder zum Vermögen einer Kapitalgesellschaft gehören und der Hauptzweck des Betriebs in der Vermietung von Wohnungen im Sinne des § 181 Absatz 9 des Bewertungsgesetzes besteht, dessen Erfüllung einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb (§ 14 der Abgabenordnung) erfordert.“

„Die Finanzverwaltung prüft danach im Einzelfall, ob die Erfüllung des Hauptzwecks, der in der Vermietung von Wohnungen besteht, einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb erfordert und damit die Voraussetzung des § 13b Absatz 4 Nummer 1 Satz 2 Buchstabe d ErbStG erfüllt“, erklärte ein Sprecher des Bundesministeriums der Finanzen. Dies sei nach Auffassung der Finanzverwaltung „regelmäßig anzunehmen, wenn das Unternehmen mehr als 300 eigene Wohnungen hält“.

Gesetzgeber fürchtet Mietsteigerungen – und erspart Mega-Erben die Erbschaftsteuer

Der Grund dafür: der Mietmarkt. Wie das Finanzministerium mitteilte, hatte der Gesetzgeber die aktuell geltende Regelung damit begründet, dass die Ausnahme von der Steuer einen Verkauf großer Wohnungsvermietungsunternehmen verhindern sollte. „Eine Veräußerung großer Bestände von Wohnungen könnte den angespannten Wohnungsmarkt weiter negativ beeinflussen und zu Mietsteigerungen bei den veräußerten Wohnungen führen“, sagte der Sprecher dazu.

Kurz gesagt, sollte damit bezahlbarer Wohnraum erhalten werden – dieser „besondere Gemeinwohlgrund“ rechtfertige eine Rückausnahme für Wohnungsvermietungsunternehmen, deren Hauptzweck in der Vermietung von Wohnungen besteht und dessen Erfüllung einen „wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb“ erfordert.

Die Vorgängerregelung von Paragraf 13b hatte der Gesetzgeber laut Finanzministerium mit dem Argument der Arbeitsplätze begründet. Für Wohnungsunternehmen, „deren Hauptzweck in der Vermietung von Wohnungen besteht“, sei eine Einbeziehung in die Verschonungsregelungen gerechtfertigt, da sie in „nicht unerheblichem Umfang Arbeitsplätze zur Verfügung stellen“.

Bundesfinanzhof korrigiert – bei der Erbschaftsteuer darf es nicht auf die Anzahl der Wohnungen ankommen

Das gilt jedoch nicht immer. Der Bundesfinanzhof entschied in einem Urteil von 2017, dass es bei der Regelung, ab 300 Wohnungen als Wohnungsunternehmen zu gelten, nicht auf die Anzahl der Wohnungen ankommen dürfe. Es sei nur von einem Wohnungsunternehmen auszugehen, wenn es bestimmte Sonderleistungen in seinem Repertoire anbiete, zum Beispiel die Überlassung von Bettwäsche.

„Da die Verwaltung der Erbschaft- und Schenkungsteuer bei den Ländern liegt und ihnen das Aufkommen aus dieser Steuer zusteht, gibt das Bundesministerium der Finanzen selbst hierzu keine allgemeinen Verwaltungsanweisungen heraus“, sagte das Bundesfinanzministerium dazu. Es habe keine Auswirkungen darauf, inwiefern die Ansagen des Bundesfinanzhofs in Erbsachen angewandt werde.

Wirken die Tricks bei der Erbschaftsteuer? – Mieten steigen trotzdem

Ob das Kalkül des Gesetzgebers hinsichtlich der Mieten aufgeht, ist jedoch nicht so ganz klar. „Das Wohnungsbauproblem ist immens“, hatte erst letztens Michael Voigtländer, Immobilienmarktexperte des Instituts der deutschen Wirtschaft in Köln, gegenüber Zeitungen der Funke Mediengruppe gesagt. Pro Jahr müssten dem Institut zufolge 372.000 neue Wohnungen entstehen – mindestens. Die Bundesregierung hatte sich gar das Ziel gesetzt, 400.000 neue Wohnungen zu bauen.

Davon ist sie jedoch weit entfernt. Im Jahr 2023 waren 295.000 neue Wohnungen fertiggestellt worden. „Wir müssen die Bautätigkeit deutlich steigern“, zitierte die Deutsche Presse-Agentur Voigtländer dazu. Der Druck auf den Mietwohnungsmarkt würde „deutlich“ steigen. Gerade in den Ballungsgebieten steigen die Mieten bei Neuvermietung „deutlich stärker“ an als früher. (Mit Material von dpa)

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