Kemptens Stadtparkbäume stehen während der Festwoche unter besonderem Schutz. Für ganzjährige Sicherheit und gesundes Grün in Stadt und Park sorgt Josef Rauner mit seinem Team.
Kempten – Die letzten Wochen tummelten sich Zeltbauer, städtische Mitarbeiter und das Team der Festwochen-Organisatoren auf dem Stadtparkgelände. Sie installierten Technik und Sanitäranlagen, Absperrungen und Hütten. Der Aufbau für die Allgäuer Festwoche lief auf Hochtouren. Was für die Bürgerinnen und Bürger weniger sichtbar ist: Auch das städtische Baummanagement ist in die Vorbereitungen für die Festwoche und das Stadtfest involviert. Im dritten Teil unserer Baumserie berichtet Josef Rauner über seine Arbeit und den Baumschutz bei Kemptens großen Festivitäten.
Josef Rauner lässt einen prüfenden Blick über das Festwochengelände schweifen. Es geht geschäftig zu. Metallische Hammerschläge hallen durch die Luft, vereinzelte Rufe. Ein Teleskoplader transportiert Stangen über die geschwungenen Stadtparkwege. Ein paar Zeltskelette ragen in die Luft. Hie und da lagern Stapel mit Platten. „So weit passt alles“, sagt Rauner. Während der Aufbauphase ist einer seiner drei Baumkontrolleure täglich drei- bis viermal im Stadtpark unterwegs. Zusammen mit dem Festwochen-Organisationsteam achtet er darauf, dass die Aufbauarbeiten und die Messe so baumschonend wie möglich ablaufen.
Zu viel Gewicht zerstört den Boden
Rauner zeigt auf graue Platten, die zwei Arbeiter rechts und links entlang eines Weges verlegen. Sie verteilen das punktuelle Gewicht schwerer Geräte und mindern die Bodenverdichtung. „Verdichtung ist ein großes Thema für die Bäume“, erklärt der Experte. In komprimierter Erde gelangt zu wenig Wasser und Sauerstoff an die Wurzeln, was Wachstum und Vitalität der Bäume einschränkt; Bodenleben und Bodenstruktur werden zerstört.
„Selbst die Kinderfüßchen in Kindergärten sind ein Problem für Bäume, wenn die Kleinen jeden Tag an der selben Stelle spielen“, erklärt der Baummanager. Verdichteten Boden zu lockern, sei ein langwieriges Geschäft, die Methoden teils umstritten. Derzeit versuchen die städtischen Baumexperten Bodenleben fördernde Hilfsstoffe in einer Versuchsreihe. Doch es ist noch zu früh für endgültige Aussagen. Prävention sei die beste Strategie.
Deshalb versuche man, die Festwochen-Zelte möglichst weit weg von Baumstandorten zu platzieren. Die Firmen sind angehalten, auf befestigten Wegen zu fahren und keine Materialien im wurzelsensiblen Bereich zu lagern. Absperrungen bilden Schutzräume. „Neu sind die umfunktionierten Poller, die verhindern, dass Fahrzeuge den Bäumen zu nahe kommen“, erzählt Rauner. Im Stadtpark sind einige der rot-weiß-gestreiften Kegel verteilt. Im südlichen Bereich des Linggparks sorgt ein Bauzaun für Abstand zur Baumreihe. Teilweise werden die Bäume auch mit einem Stammschutz versehen.
Frische Drinks für die Kemptener Bäume während der stressigen und heißen Zeit
Und bei langanhaltender Hitze erhalten sie Wasser mittels großer Säcke, um den Stress während der Veranstaltung zu reduzieren. Wie so etwas aussieht, konnte man in den Tagen nach dem Stadtfest auf dem Residenzplatz beobachten. Zehn grüne, jeweils 75 Liter fassende Plastikbeutel lagen wie eine Perlenkette um den Stamm der mächtigen Eiche. Einmal täglich befüllt, sorgten kleine Löcher auf der Unterseite der Beutel für kontinuierliche Feuchtigkeit während der großen Party. Drum herum hielt ein Zaun die tanzende Menge auf Abstand. Auch hier sorgten großflächig auf dem Rasen verlegte Platten für Gewichtsverteilung.
Aber der Baummanager achtet nicht nur darauf, dass seine grünen Schützlinge bei Feierlichkeiten unversehrt bleiben. Es geht auch um die Sicherheit für die Besucher. „Eine Woche vor Festwochen-Aufbau überprüfen wir die Verkehrssicherheit der Bäume im Stadtpark und veranlassen eine Baumpflege.“ Niemand soll von einem herabfallenden Ast verletzt werden. „Bei solchen Festen sind die Anforderungen an die Verkehrssicherheit an den Baum viel höher als bei Normalbetrieb“, erklärt er.
Während der Festwoche selbst gibt es einen Bereitschaftsdienst. Für den Fall, dass die Veranstalter das Gelände wegen eines Sturmes räumen lassen müssen. Damit das Fest so kurz wie möglich unterbrochen bleibt, prüft er mit seinem Team schnellstmöglich die Stand- und Bruchsicherheit der Bäume und veranlasst eventuell nötige Schnitte.
Josef Rauner berichtet über seine Arbeit und den Baumschutz bei Kemptens großen Festivitäten
Wie geht es denn den Stadtparkbäumen? Letztes Jahr mussten eine Kastanie und drei Ahorne fallen, erklärt der Experte. Sie waren nicht mehr standsicher, drei von ihnen faulten. Bei dreien der Bäume hatte das Baummanagement alle drei Jahre ein Schadgutachten erstellen lassen, um ihre Stand- und Bruchsicherheit zu beurteilen.
Das Ziel lautet, gerade die wertigen Altbäume an besonderen Plätzen so lange zu halten wie möglich. „Aber in den nächsten Jahren werden mehr Fällungen folgen“, prognostiziert Rauner. Das habe vier Gründe. Einerseits hat der Großteil der Bäume im Stadtpark bereits ein stattliches Alter von 80 bis 120 Jahren erreicht. Andererseits seien die Folgen des Umbaus im Stadtpark noch zu spüren, und das trotz „extrem“ hoher Baumschutzmaßnahmen auf der damaligen Baustelle. „Keine Umbaumaßnahme in der Größe ist schädigungsfrei“, erklärt Rauner.
Auch die Festwoche bedeute Stress für die Bäume. Nicht zuletzt machten den Parkbäumen die klimatischen Veränderungen zu schaffen.
„Der Bestand ist dauerhaft nicht so haltbar“
„Für einen ordentlichen Baumbestand in 40 Jahren müsste ich jetzt anfangen, stark aufzuholzen“, sagt Rauner. Dafür fehlten aber unbeschattete Standorte im Stadtpark. Auf den baumfreien Flächen stehen im August die Zelte. Im Stadtpark wird es in ein paar Jahrzehnten vermutlich lichter aussehen.
Aber auch an anderer Stelle spielen Pflanzungen eine Rolle. 59 Einzelbäume mussten im Jahr 2024 gefällt werden, vor allem wegen des Eschentriebsterbens.
Das Eschentriebsterben fordert viele Opfer
92 Bäume hat die Stadtgärtnerei im Jahr 2024 als Ersatz gepflanzt (nicht gezählt die Pflanzungen bei Neubaumaßnahmen, wie z. B. beim Ostbahnhof). Allein am Klingener Weg forderte das Triebsterben zwölf Opfer. „Das Problem bei dieser Krankheit ist die abnehmende Standsicherheit“, erklärt Rauner. Weil die Esche die Hauptbaumart in Kempten und im Allgäu ist, werde das Phänomen die Stadt noch eine Weile beschäftigen.
Oftmals seien auch die Standortbedingungen ausschlaggebend dafür, dass Bäume eingehen. Eine von Rauners Hauptaufgaben ist es deshalb, neue Pflanzflächen in der Stadt ausfindig zu machen. Vorhanden seien genügend, erklärt er.
Im Schnitt berappt die Stadt im Jahr 100.000 Euro für Nachpflanzungen. Zusammen mit Pflanzungen im Straßenumbau und bei Klimaschutzmaßnahmen sind 230.000 Euro im aktuellen Vermögenshaushalt für Pflanzungen vorgesehen. Ein Baum selbst kostet zwischen 500 und 800 Euro. Die gewählten Exemplare müssen bereits eine gewisse Größe aufweisen, sonst fielen sie Vandalismus zum Opfer.
Aufwändig ist die Vorbereitung der mittlerweile größer als früher gefassten Baumgruben mit einem speziellen Baumsubstrat (der Kreisbote berichtete), das den Pflanzen in den dichten Stadtböden bestmögliche Startbedingungen gewährleisten soll. Es speichert das Wasser gut und lange, hilft den Bäumen in längeren Trockenphasen.
Wer schafft den Spagat zwischen Hitze & Kälte?
35.000 Einzelbäume zählt Rauner im ganzen Stadtgebiet. Verantwortlich ist er zudem für 80 Hektar Flächen mit geschlossenem Gehölzbestand. Dazu gehören die Engelhalde, der Schwabelsberger Weiher oder die Bäume am Adenauerring. Die Pflege der Bestände soll den jungen Bäumen unter anderem besseres Licht verschaffen. „Wir agieren hier eher försterlich und fördern zukunftsträchtige Bäume für die Klimaanpassung“, sagt Rauner.
Diese ist aber nicht nur hier Thema, sondern im ganzen Stadtgebiet. Die Sommer werden zunehmend trockener, bei teilweise immer noch kalten und schneereichen Wintern. „Den großen Sprung müssen die Bäume packen“, sagt Rauner. Der Bergahorn habe als Straßenbaum in den engen Gruben und mit der hohen Verdichtung „mittlerweile kaum mehr eine Chance“. Zu Rauners Aufgaben gehört es deshalb, einen zum Standort passenden Ersatzbaum festzulegen.
Hier hilft das Projekt „Stadtgrün 2021+“ der Bayerischen Landesanstalt für Wein- und Gartenbau, bei dem Kempten als regenreichste Stadt Bayerns Partnerstadtstadt ist – neben Hof (frostreichste Stadt) und Würzburg (trockenste). Das Projekt will Baumarten herausfiltern, die den künftigen Klimabedingungen der Kommunen trotzen. Als vielversprechend für Kempten erwiesen haben sich bisher die Fraxinus Ornus (die Blumenesche), Fraxinus Pennsylvanica (die Rot-Esche) und Sophoria Japonica (der Japanische Schnurbaum). Die beiden Eschenarten weisen gegenüber dem Triebsterben eine hohe Robustheit auf. Bienen schätzen alle drei Arten.
Check-Up am Baum
Rauners Team muss die Vitalität, Stand- und Bruchsicherheit aller Stadtbäume einmal im Jahr kontrollieren, ihre Pflege in Auftrag geben. Stellt ein Baumkontrolleur zum Beispiel einen Fruchtkörper aus einem pilzzersetzenden Pilz fest oder eine ungewöhnliche Verdickung oder Risse in der Borke, wird je nach Alter, Gesamtzustand und weiteren Faktoren überlegt, ob der Baum gefällt wird oder ob sich eine weitere Pflege lohnt.
Dann fordert der Kontrolleur einen Baumsachverständigen an, der eine eingehende Untersuchung vornimmt. Mit einem Hammer kann der zum Beispiel feststellen, ob ein Baum innen hohl ist. Ein Zugversuch zeigt, wie stark sich der Baum im Wind neigt. Die Nadel eines Widerstandsbohrers misst, wie stark ein Holzkörper von Pilzen zersetzt ist. In Relation zur Breite und Höhe des Baumes kann der Fachmann so die Standsicherheit feststellen. Die Kürzung des Baumes um ein bis zwei Meter kann hier schon viel verbessern, weil dem Wind Angriffsfläche genommen wird, erklärt Rauner.
Geht ein Baum zum Ultraschall
Genaue Ergebnisse liefern auch die Schallungen von Stämmen oder Wurzeln. Mehrere Sensoren messen, wie schnell die Schallimpulse von einem Messfühler zum nächsten springen. So generieren sie ein Bild vom Stamminneren oder der Wurzelausbreitung. Vor allem wertige Altbäume erhalten eine so teure Untersuchung. Für die Baumkontrolle und Pflege im Bereich der Grün- und Parkanlagen sind 260.000 Euro im Verwaltungshaushalt der Stadt Kempten vorgesehen; für den Unterhalt von Bäumen und Gehölzen an Gemeindestraßen 270.000 Euro. Alles in allem wendet die Stadt etwa eine Dreiviertel Million Euro für Bäume auf.
Der Aufwand lohnt sich, sagt Rauner. „Wenn ein Baum wegen einer Verletzung nur noch 20 statt 60 Jahre lebt, ist das ein Verlust für alle.“ Denn die Ökosystemleistungen der Bäume sind vielfältig: Von der CO2-Speicherung und der Sauerstoffproduktion über den Lärmschutz, die Tierbehausung, die Ästhetik und den Schatten bis hin zu Kühlung durch Transpiration und nicht zuletzt die Staubbindung.
Man habe selbst gesundheitsförderliche Effekte für den Menschen nachgewiesen. „Zehn zusätzliche Bäume in einer Wohnsiedlung einer gewissen Größe erhöhen die Lebensdauer der dort lebenden Menschen um etwa fünf Jahre“, sagt Rauner. Ein Waldspaziergang fördere die Gesundheit, weil Bäume eine Glocke um sich herum bildeten, um sich gegen holzzersetzende Pilzerreger zu schützen, so der Baumexperte.
Die spektakuläre Verpflanzung der Friedenslinde ist dem Baummanager besonders im Gedächtnis geblieben
Und manchmal besitzen Bäume einen zusätzlichen symbolischen Wert. Die Friedenslinde, ursprünglich gepflanzt auf der Zumsteinwiese von der Friedensbewegung 1979 um die Bundesverdienstkreuzträgerin Inge Nimz, hat im Jahr 2020 einen neuen Platz im Hofgarten bekommen. Der Freundeskreis für ein lebenswertes Kempten hatte sich dafür eingesetzt, dass der Baum trotz der neuen Tiefgarage unter der Zumsteinwiese am Leben bleiben kann.
Die spektakuläre Verpflanzung des bereits einige Meter messenden Baumes mit Großbaumgerät und Riesenlöffeln ist Josef Rauner lebhaft in Erinnerung geblieben. Der Baum wurde möglichst wurzelschonend am Ballen gepackt, umgelegt und umgesiedelt. Rauner war zu dem Zeitpunkt noch keine drei Monate in Kempten tätig. „Bis dahin hatte ich davon nur in Zeitschriften von so einer Aktion gelesen und da durfte ich tatsächlich selbst bei der Spezialfirma anrufen“, sagt er mit leuchtenden Augen. Heute gedeiht die Friedenslinde gegenüber dem Jugendhaus prächtig. Der Schutzzaun kann bald abgebaut werden, erklärt er und stellt fest: „Ich mag einfach sehr gern meinen Job.“
Hier geht es zum ersten Teil unserer Baumserie.
Feste, Konzerte, Ausstellungen: Was man in Kempten und Umgebung unternehmen kann, lesen Sie im Veranstaltungskalender.
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