Worauf achten Baumpfleger von Stadt und Staatlichem Bauamt in Kempten? Was gilt zu Hause im eigenen Grün?
In den vergangenen Wochen knatterten sie vielerorts: Motorsägen bei der Baumfällung oder beim Zurückschneiden von Gehölzen. Das Thema Baum wird in Kempten aktuell brandheiß diskutiert. Deshalb widmet ihm der Kreisbote in der kommenden Zeit eine lose Serie. Was sind Aspekte des Baumschutzes? Wie steht es um Bäume im Zusammenhang mit Bauvorhaben? Wie können sie geschont werden, wenn in nächster Nähe Bauarbeiten stattfinden? In diesem ersten Teil dreht sich alles um das Schneiden im Garten und an Rändern von Straßen.
Kempten – Gerade sieht man viele nackte Gehölz- und Baumstümpfe. Muss denn immer alles so radikal „abrasiert“ werden?, fragen sich viele, wenn sie manche Straßenraine betrachten. Denn Bäume und Sträucher sind wertvolle Lebensräume für Vögel und Insekten, sie leisten einen wertvollen Beitrag zum Klimaschutz und filtern unsere Luft.
Dass die Fäll- und Schneidearbeiten in den vergangenen Wochen so gehäuft aufgetreten sind, liegt an der sogenannten „Fällperiode“. Um die Vögel nicht zu stören, während sie nisten und brüten, sind viele Eingriffe an Bäumen und Sträuchern im öffentlichen Raum nur im Herbst und Winter, genauer zwischen dem 1. Oktober und dem 28. Februar, erlaubt.
Es geht um Haftungsfragen
Hier hat die sogenannte Verkehrssicherheit oberste Priorität. Die Baumpfleger schneiden zurück, was auf die Straße ragt, wo der Verkehr behindert wird, oder wo Schilder und Beleuchtung freigeschnitten werden müssen. „Es wird nur so viel geschnitten wie nötig“, versichert Andrea Gengenbach vom Amt für Umwelt und Naturschutz bei der Stadt Kempten. Weil das Personal knapp ist, habe die Stadtgärtnerei bei diesen Aufgaben sogar Schwierigkeiten, hinterherzukommen. Die Baumpfleger, die die Arbeiten ausführen, seien fachlich zertifiziert und wenn Fachfirmen beauftragt werden, müssten diese sich an die konkreten Aufträge halten.
Man müsse berücksichtigen, dass die sogenannten Sichtdreiecke an Straßeneinmündungen freigehalten werden müssen, um Unfällen vorzubeugen. So werde verständlich, dass gründlich geschnitten werde. Je höher die erlaubte Höchstgeschwindigkeit, desto größer müssen die Sichtdreiecke ausfallen, erklärt Florian Eggert vom Stadtplanungsamt. In Teilbereichen arbeitet die Kommune mit Maschinen, hier sieht das Ergebnis unter Umständen kahler aus, als Arbeiten von Hand. Die Pflegeaufbauten für den Unimog würden im Stadtbereich aber nicht verwendet, sondern nur in den Heckensäumen an den Staatsstraßen, so Eggert.
Wie Gregor ten Elsen vom Staatlichen Bauamt Kempten, das außer in den Städten für Staats- und Bundesstraßen verantwortlich ist, erklärt, sind Bankette, Entwässerungsmulden, die Sichtdreiecke und das sogenannte Lichtraumprofil über Straßen sogenannte „Intensivpflegebereiche“, wo keine Gehölze emporwachsen sollen. Vor allem bei frühem Schneefall, wenn die Bäume und Sträucher noch belaubt sind, droht im Lichtbereich sonst Schneebruch. Bäume sollten bei 70 km/h erlaubter Höchstgeschwindigkeit mindestens 4,5 Meter von der Straße entfernt stehen, bei 100 km/h mindestens 7,5 Meter. „Wo das nicht gegeben ist, werden an gefährlicheren Stellen Schutzplanken errichtet“, so ten Elsen.
Deshalb werden Gehölze oft kurz geschnitten
In der Druckschrift „Ökologische Aufwertung von Straßenbegleitflächen“, die die Bayerische Staatsregierung im Rahmen ihrer Öffentlichkeitsarbeit herausgegeben hat, heißt es, dass bei geschlossenen Gehölzflächen, mehrstufigen Hecken und Gehölzstreifen eine „regelmäßige grundhafte Gehölzpflege im Turnus von zehn bis 15 Jahren erforderlich“ sei. Grundhafte Gehölzpflege bedeutet „Auf-Stock-Setzen“, sprich das Abschneiden der Gehölze 20 Zentimeter über dem Boden. Dadurch wachsen die Hecken dichter nach. In dem in Abschnitten gearbeitet wird, die laut Druckschrift nicht größer sein sollten als 100 Meter, können Tiere ausweichen und die ökologische Funktion der Fläche bleibe erhalten.
„Es ist unser Ziel, abschnittsweise zu schneiden“, sagt Gregor ten Elsen. Allerdings gebe es eine Vielzahl von Faktoren zu berücksichtigen. Allein die ganze Maschinerie aufzufahren, bedeute viel Aufwand und jeder Eingriff in den Verkehrsraum berge Unfallgefahren. „Im Einzelfall müssen sinnvolle Anpassungen erfolgen“, erklärt er.
Will ich im Garten fällen, muss ich einen Antrag stellen
Verschiedenen Regeln unterliegen auch Baum- und Heckenschnitt, sowie die Fällungen im eigenen Garten: Bei Hecken, lebenden (berankten) Zäunen, Gebüschen und anderen Gehölzen muss man ebenfalls den Zeitraum vom 1. Oktober bis 28. Februar einhalten, in denen man Säge und Baumschere zückt.
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Beim Umsägen von Bäumen spielt der Artenschutz eine Rolle (§ 44 Abs. 1 Bundesnaturschutzgesetz). Hier rät Andrea Gengenbach, Vorsicht walten zu lassen: Wenn Nester in der Krone gesichtet werden, solle man bis zum Ende der Brutzeit warten. „Und wenn Höhlungen, abgeplatzte Rindenteile oder ähnliches erkennbar sind, bitte vor Fällung und Beauftragung eines Baumpflegers Rücksprache mit der unteren Naturschutzbehörde halten. Hier können Fledermäuse vorkommen, die alle streng geschützt sind“, erklärt sie. Der Ausschluss artenschutzrechtlicher Verbotstatbestände sei schwierig und sollte Fachleuten überlassen werden. Wenn Privatleute die Beurteilung selbst vornehmen, und falsch liegen, können sie sich strafbar machen.
Welche Rolle spielt die Baumschutzverordnung?
Und soll in einem Kemptener Garten ein Baum gefällt werden, kommt zusätzlich die hiesige Baumschutzverordnung ins Spiel. Sie verlangt einen Antrag beim Amt für Umwelt und Naturschutz für Baumexemplare, deren Umfang größer als 80 Zentimeter ist. Für mehrstämmige Bäume gilt das, wenn einer der Stämme mindestens 50 Zentimeter aufweist. „Die Anträge werden im Hinblick auf die Verhältnismäßigkeit überprüft“, erklärt Andrea Gengenbach. Ist der Baum nicht mehr standsicher, muss er auf jeden Fall der Motorsäge zum Opfer fallen, da er sonst zur Gefahr „für Leib und Leben“ werden kann.
Bei Entscheidungen, die auf Ermessen beruhen, wie etwa optische Gründe oder der Arbeitsaufwand, den Laub und Nadeln verursachen, geht es um die Voraussetzungen. „Jeder Fall ist eine Einzelfallentscheidung“, so Gengenbach. Deshalb statten die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dem jeweiligen Baum immer einen Besuch ab. Bei der Begutachtung oder auch schon vor Antragstellung erhalten die Besitzer auch eine Beratung über die Möglichkeiten, die sie haben. So mancher Grundstücksbesitzer habe dabei schon erkannt, dass er einen Baum doch lieber behalten wollte.
Auch den Baumschnitt lieber beantragen
Möchte ich die Form eines Baumes verändern, wird mit der Verordnung ebenfalls ein Antrag nötig. Es sei denn, es handelt sich um Pflegeschnitte, schonende Formschnitte, die der Gesunderhaltung dienen, oder das Herstellen von Lichtraum an Straßen (Stichwort Verkehrssicherheit) und Fassaden. Bei Hecken sind Schnitte, die der Verkehrssicherheit dienen, oder wenn Überhang zum Nachbargrundstück entfernt werden soll, im Sommer möglich, wenn die Untere Naturschutzbehörde zustimmt. „Einfach aus Tier- und Artenschutzgründen“, erklärt Gengenbach, „man weiß nie, was alles unter dem Blätterdach lebt.“ Deshalb soll man in solch einem Fall bei der Behörde anrufen, dann werde ganz zwanglos ein Ortstermin vereinbart.
„Aus baumphysiologischen Gesichtspunkten sollten beim Baum je Pflegedurchgang nicht mehr als 20 Prozent der Blattmasse verloren gehen, um Versorgungsengpässe für den Baum zu vermeiden“, so die Expertin. Und nur dann, wenn es sich um eine erhaltende Maßnahme nach den fachlichen Leitlinien handelt, braucht es keine Genehmigung für den Baumschnitt. „Lieber einen Antrag zu stellen und auf der sicheren Seite zu sein“, empfiehlt die Amtsleiterin.
Übrigens untersagt die Baumschutzverordnung, Eingriffe am Wurzelbereich geschützter Bäume vorzunehmen, wie etwa die Befestigung mit einem wasserundurchlässigen Belag, das Lagern von Material, das Ausheben von Gräbern und Mulden oder auch das Befahren und Beparken, wenn der Wurzelbereich nicht zur befestigten Fläche gehört. Das mag manch einem gar nicht so bewusst sein. Baumschutz ist eine Gemeinschaftsaufgabe, da sind sich Gengenbach und Eggert einig. „Die Kommune kann das nicht alles leisten“, dafür sei die Zahl der städtischen Flächen zu gering. Viel Grün gehe derzeit im Privatgarten durch die sogenannten Steingärten verloren. Deshalb brauche es eine Bewusstseinsänderung. „Alle müssen mitmachen.“ Warum nicht einen Baum in den Garten pflanzen, auch wenn es Arbeit bedeutet?, schlagen sie vor.
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