Putin will Kritiker jetzt enteignen – auch protestierende Soldaten-Frauen wären betroffen

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Der russische Präsident Wladimir Putin mit den Angehörigen von im Ukraine-Krieg getöteten Soldaten bei einem Gottesdienst (Bild vom 7. Januar 2024). © IMAGO/Gavriil Grigorov/Kremlin Pool/Zuma Wire

Russland versucht, jede Form von abweichender Meinung zu unterdrücken. Ein neues Gesetz soll es Kriegsgegnern noch schwerer machen: Der Entwurf sieht die Beschlagnahmung von Eigentum vor.

Moskau – Die Schlinge um Kriegsgegner in Russland zieht sich enger: Moskau beriet am Montag (22. Januar) über einen Gesetzesentwurf zur Beschlagnahmung von Geld, Eigentum und Wertgegenständen von Menschen, die der Verbreitung von „Falschinformationen“ über die Armee und den Ukraine-Krieg für schuldig befunden wurden. Der Kreml macht kaum einen Hehl daraus, dass sich das Gesetz gegen Kriegsgegner richtet. Darunter auch Mütter und Frauen von eingezogenen Soldaten.

Beschlagnahmung von Eigentum: Russlands neues Gesetz zielt auf Gegner des Ukraine-Kriegs ab

Seit Beginn der russischen Invasion in das Nachbarland hat Moskau mehrere Gesetze verabschiedet, die sich gegen Kreml-Kritiker und den Ukraine-Krieg richten. Haftstrafen von bis zu 15 Jahren sind etwa für kritische Äußerungen über die Armee vorgesehen. Tausende Gegner des russischen Militäreinsatzes sitzen deshalb bereits in Haft. Das nun geplante Gesetz erhöht den Druck auf die Kritiker weiter. Der neue Gesetzesentwurf werde am Montag in die Duma eingebracht, erklärte der Vorsitzende der Staatsduma, Wjatscheslaw Wolodin, am Samstag. Die Duma ist das Unterhaus des russischen Parlaments.

Russische Staatsmedien berichten, dass alle großen Fraktionen des Parlaments den Entwurf unterstützen. „Jeder, der versucht, Russland zu zerstören und zu verraten, muss die Strafe erhalten, die er verdient, und den Schaden, den er dem Land zugefügt, mit seinem Eigentum ausgleichen“, schrieb Wolodin im Onlinedienst Telegram. Die Maßnahme solle „Schurken“ bestrafen, die „unser Land, Soldaten und Offiziere, die an der militärischen Spezialoperation teilnehmen, beschmutzen“.

Widersatnd gegen Ukraine-Krieg: Rechtsexperten über den Gesetzesentwurf des Kreml in Russland

Rechtsexperten warnen, dass das Gesetz auch die Bestrafung von Kriegsgegnern erleichtert, die aus dem Land geflohen sind. Die neue Regelung ziele vor allem darauf ab, den „inneren Feind“ zu bekämpfen – „Kriegsgegner, die ihre Meinung verbreiten und versuchen, andere zu überzeugen“, sagte Maria Nemova, eine Anwältin der Menschenrechtsgruppe Memorial dem Guardian. Auch Honorare von Journalisten oder Forschern könnten damit beschlagnahmt werden.

Der Gesetzentwurf würde den russischen Strafverfolgungsbehörden ein „neues Instrument an die Hand geben, um Druck auf diejenigen auszuüben, die mit der Politik der russischen Behörden nicht einverstanden sind“, sagte Evgeny Smirnow, der Leiter der Anwaltskanzlei First Department zu Guardian. Kriegsgegner hätten damit das Risiko, dass der russische Staat Wohnungen, Autos und sonstiges Eigentum einzieht, das vor der Begehung der Straftat erworben wurde.

Neues Gesetz träfe auch protestierende Mütter und Frauen mobilisierter Soldaten in Russland

Aufgrund der ohnehin starken Strafen und der Staatspropaganda regt sich auf russischen Straßen selten Widerstand. Jüngst protestierten vereinzelt Menschen – allerdings nicht gegen den Krieg, sondern wegen Heizungsausfällen bei bis zu minus 25 Grad. Hin und wieder gibt es im Netz kritische Kommentare zum Militäreinsatz. Am Donnerstag war etwa ein russischer Menschenrechtsaktivist zu drei Jahren Haft verurteilt worden. Er habe die russische Armee in einem in Onlinenetzwerken veröffentlichten Kommentar „diskreditiert“, urteilte das Gericht. Doch Anti-Kriegsproteste sind rar gesät.

Bis dann Ende vergangenen Jahres Frauen und Mütter mobilisierter Soldaten in Moskau auf die Straße gingen. Darunter etwa „Anna“, die sich am Jahrestag der Oktoberrevolution vergangenen Jahres unter Kommunisten mischte und ein Plakat mit der Aufschrift hochhielt: „Mein Mann ist kein Soldat“, wie das ZDF berichtete. Die Forderung: Moskau solle ihre Ehemänner und Söhne heimholen. Die Mütter und Frauen wie andere Demonstrierende zu verprügeln, festzunehmen und zu hohen Strafen zu verurteilen hätte ungünstige Bilder geliefert und womöglich auch die Moral der Truppen an der Front beeinflusst. In diesem Fall war die Staatsmacht relativ ratlos. Zwar sei die Demonstration innerhalb weniger Minuten von der Polizei beendet worden, hieß es dazu im Geheimdienstbericht des Verteidigungsministeriums in London. Doch die Forderung der Frauen sei „bemerkenswert“, befanden die Briten. 

Die Frauen veranstalteten auch Autoaufkleber-Kampagnen, veröffentlichten Videobotschaften in sozialen Netzwerken und bastelten im Dezember Weihnachtsschmuck mit dem Slogan: „Bringt Papa nach Hause.“ Angesichts der bevorstehenden Präsidentschaftswahl in Russland kommt Wladimir Putin diese Außenwirkung ungelegen. Mit dem neuen Gesetz könnte der Widerstand der Frauen und Mütter nun über Umwege gebrochen werden. Noch ist das neue Gesetz zur Beschlagnahmung des Eigentums von Kriegsgegnern nicht in Kraft, doch das gilt als Formsache – und ist damit nur eine Frage der Zeit.

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