Starkbierfest in Wolfratshausen, die Loisachhalle ist mit 588 Besuchern ausverkauft: Beim Derblecken schlägt die Loisachtaler Bauernbühne auch ernste Töne an.
Wolfratshausen – Für die Liebhaber eines besonders süffigen alkoholischen Getränks und eines anlassbezogenen Unterhaltungs-Programms ist sie ein Hochgenuss – die Polit-Prominenz dagegen blickt der Veranstaltung mit gemischten Gefühlen entgegen. Schließlich wird beim Starkbierfest nicht nur der namensgebende Gerstensaft ausgeschenkt, sondern die Akteure der Loisachtaler Bauernbühne (LBB) ziehen die Mandatsträger beim traditionellen Derblecken mit Fleiß durch den Kakao. „Bergwaldgezwitscher“ lautete am Freitagabend das Motto, dabei schlug die LBB auch ernste Töne an.
20 Uhr, die Loisachhalle ist prall gefüllt mit einer illustren Besucherschar, Bürgermeister Klaus Heilinglechner knackt das erste Doppelbock-Holzfass aus dem Traunsteiner Hofbräuhaus mit drei wuchtigen Schlägen, die Stadtkapelle Wolfratshausen pocht unter dem Dirigat von Reiner Jorde auf ein Prosit der Gemütlichkeit. Die Krüge hoch, die Bühne für die LBB, seit Anfang der 1980er-Jahre der Garant für gesalzene Frotzeleien, ist bereitet.
Loisachstadt ist unrühmliche Nummer eins im Oberland
Angelehnt an die „Muppet Show“ werfen Waldorf (Ludwig Gollwitzer) und Statler (Franz Foitzik) aus dem Bergwald einen Blick auf die Loisachstadt. In einem Jahr stehen die Kommunalwahlen an, doch dass sich nach dem Urnengang 2026 etwas ändert, glauben die die zwei Methusalems (großes Lob für die Maskenbildnerinnen Michaela Schelshorn und Eva Zinnecker!) nicht. Mutmaßlich bleibe Wolfratshausen die Nummer eins im Oberland – der Spitzenplatz fürs „Verhindern, Aussitzen und diese ewige Gutachten“. Auch der Hausl (Tom Janoschi) lässt beim Kehraus im Bergwald kein gutes Haar an der Flößerstadt: „Überall schaut‘s aus wie auf einer Müllhalde, am allerschlimmsten ist‘s am S-Bahnhof.“ Bekanntlich sind die öffentlichen Toiletten dort seit mehr als einem Jahr verschlossen. Der Hausl rät der Bahn zu einem neuen Slogan: „Willst Du nach Wolfratshausen reisen, geh‘ vorher noch daheim zum Sch..., äh, aufs Haisl.“ Das Publikum johlt.
Ulrike Krischke wäre „Bürgermeisterin der Senioren-Herzen“
Ein Jahr vor der Bürgermeisterwahl – und noch niemand mache Anstalten, sich als Kandidat zu positionieren, moniert das Altherren-Duo. Nun gut, Amtsinhaber Klaus Heilinglechner will nochmal und Günther Eibl ihn noch einmal herausfordern. Letzterer konstatierte, dass somit die zwei besten Kandidaten gegeneinander antreten. „Was sollte da noch an schwindligen Mitbewerbern kommen?“, rätselt Waldorf. Ginge es nach ihm und seinem Spezl Statler, würde Stadträtin Dr. Ulrike Krischke, Seniorenreferentin des Gremiums, künftig die Geschicke der Flößerstadt lenken: „Die wäre unsere Bürgermeisterin, die Bürgermeisterin der Senioren-Herzen“, schwärmt Waldorf.
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Vielleicht werfe aber der Vertreter der „Ein-Mann-Partei“, das „Fraktionsanhängsel der SPD“ seinen Hut in den Ring? Zufällig spaziert „Patrick der Erste“ Lechner (Tobias Zengerle) durch den Bergwald und lässt die Meckerer wissen: „Ich werde die Haushaltsausgaben in Wolfratshausen bremsen!“ Sein Lösungsmodell werde ihm den Weg auf den Bürgermeisterstuhl ebnen. Statler führt diese Selbstüberschätzung auf die Legalisierung von Cannabis zurück, doch Lechner zieht ein Handy aus seinem gelben Glitzer-Sakko und ruft den „Patronus Sanctus Fahrrad-us“ der Grünen an. Sekunden später rollt Stadtrat Schmidt (Markus Auer) mit seinem Solar-Radl an. Die Idee: Am Abend erlischt die komplette Marktbeleuchtung, stattdessen fährt Schmidt mit seinem Solar-Rad durch die Altstadt „und leuchtet sie aus“, erklärt Lechner. Das spare Geld.
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Auf den Spott des Bergwald-Hausls („Wie soll das abends ohne Sonne gehen?“) reagiert der FDP-Politiker cool: „Weil er morgens radelt und ich die gesamte Energie per Wlan-Induktion in einen Langzeitspeicher einspeise, die Schmidt wiederum abrufen kann.“ Eine „Schnaps-Idee – nur ohne Schnaps“, stänkert Waldorf, der zum Fernglas greift und über die Dächer Wolfratshausens blickt.
Immerhin, so stellt er fest, habe die „fruchtlose Planerei“ beim Thema Hatzplatz-Parkhaus ein Ende gefunden. Wenngleich ein Wolfratshauser Bürger (gemeint ist Hans Gärtner) den Gordischen Knoten durchschlagen habe – der Stadtrat „hätte dies nicht mal irgendwann hingekriegt.“ Das ist das Stichwort für den (durchweg grandiosen!) Chor der „Bergspatzen“, der frei nach Nena („Irgendwie, irgendwo, irgendwann“) fröhlich trällert: „Ihr werdet seh‘n, ein cooles Parkdeck wird entsteh‘n, irgendwie, irgendwo, irgendwann.“ Das Publikum singt den Refrain aus vollen Kehlen mit.
Die Zeit ist gekommen, die Pflegerin (Saskia Demel) will die sichtlich von Arthrose geplagten Grantler zurück in die Seniorenresidenz bringen. Waldorf und Statler protestieren und während die Pflegerin sich am Inhalt eines Flachmanns labt, schießen die Greise ein paar Giftpfeile in Richtung der Nachbarstadt am Horizont. Das „nervige Rumgehacke“ von Geretsrieds Bruder Barnabas „langweilt jedes Jahr aufs Neue“, zetert Statler – und Bürgermeister Michael Müller: Dem hätte der Souverän beim Bürgerentscheid zum geplanten Sportgymnasium gezeigt, „wo der Hammer hängt“. Das aber „schüttelt der locker ab“, weiß Waldorf. Müller habe die Vision, Bad Tölz den Titel als Kreisstadt abzuringen. „Deshalb lässt er in Geretsried auf Teufel komm raus bauen“, erklärt die Seniorenpflegerin. Es sei denn, Ludwig Schmid alias Bruder Barnabas komme als Bürgermeisterkandidat dem Amtsinhaber in die Quere. „Nie und nimmer!“, meint die Pflegekraft. Bäckermeister Schmid „soll bei seinen Brezn bleiben und weiter kleine Brötchen backen“.
Geht‘s um Geretsried, wird seit Jahrzehnten beim Starkbierfest ein Thema nicht ausgespart – die seit Jahrzehnten geplante S-Bahn-Verlängerung. Doch noch Müllers Ur-Enkel würden von der Gleisverlängerung träumen, „die Bahn kommt nicht“, gackert Statler. „Wie in Wolfratshausen“, redet ihm Waldorf das Wort, „da kommt die Bahn auch nicht, also nicht immer pünktlich.“ Darüber hinaus bleibe auch Müllers Traum von einem eigenen Kfz-Kennzeichen für Geretsried ein Traum. „GER“ ist an Germersheim in der Pfalz vergeben – und Müllers Vorschlag „GRD“ klinge „wie ein Ossi-Kennzeichen“, stichelt Statler und bekommt dafür Szenenapplaus. Die Pflegerin hat einen Alternativvorschlag in petto: „MGR“ – Müllers Geretsried.
Die Rettung: Wolfratshauser Dubai-Schokolade
Noch ein letzter Blick auf die Loisachstadt, der aktuell 300 000 Euro im Haushalt fehlen. Die Lösung kommt mit einem Touristen (Kurt Züge), der schnaufend den Bergwald erklommen hat. Er hat in der Tourist-Info im Tal Flößerschokolade entdeckt. Der Geistesblitz: „Ab sofort verkauft ihr Wolfratshauser Dubai-Schokolade für 15 Euro das Stück!“ Die Pflegerin rechnet flugs nach: 20 000 Wolfratshauser kaufen je eine Tafel, macht unterm Strich 300 000 Euro, das Loch im Stadtsäckel ist gestopft!
Wenn das so weitergeht, wird sich irgendwann der Denkmalschutz darum kümmern müssen.
Nach 60 Minuten munterer Kalauerei wird‘s kurz ernst. Dass nach den Hakenkreuzen und homophoben Drohungen in der Innenstadt, nach den „ekelhaften und widerwärtigen Schmierereien“, die Bürger und die Stadträte Zusammenhalt demonstrierten und „wie eine Mauer“ standen, habe gezeigt: „So uneins man sich normalerweise politisch ist“, so Waldorf, „in dieser extrem wichtigen Sache waren sich alle einig.“ Klares Statement der Loisachtaler Bauernbühne: „Was die Zukunft auch bringt, Wolfratshausen bleibt bunt!“
588 Starkbierfest-Besucher erheben sich um 21.15 Uhr von ihren Plätzen. Mit Standing Ovations unterstreichen sie das Statement der LBB um Regisseurin Monika Schwenger – und gratulieren den Akteuren vor und hinter den Kulissen zu einem sehr gelungenen Derblecken. cce
Die Mitwirkenden der Loisachtaler Bauernbühne
Ludwig Gollwitzer (Waldorf), Franz Foitzik (Statler), Tom Janoschi (Hausl), Tobias Zengerle (Stadtrat Dr. Lechner), Markus Auer (Stadtrat Dr. Schmidt), Pflegerin (Saskia Demel), Tourist (Kurt Züge), Max Prestel, Konrad und Jakob Huber sowie Michael Brauner (Bühnenbild und -bau), Michaela Schelshorn und Eva Zinnecker (Maske), Monika Schwenger (Regie).