Ein ICE rollt durch Geretsried: Ziel ist die Feuerwehrschule
Ein ICE wurde am Donnerstag durch Geretsried zur Staatlichen Feuerwehrschule transportiert. Die Schule erhält drei ausrangierte Personenwagen der Deutschen Bahn für den Ausbildungsbetrieb. Der Transport erforderte spezielle Manöver.
Geretsried – Manch ein Passant mag sich am Donnerstag verwundert die Augen gerieben haben: Ein ICE rollte durch Geretsried. Zunächst auf dem Industriegleis, später auf einem mehrachsigen Spezialtieflader. Ziel war die Staatliche Feuerwehrschule. Sie bekommt von der Deutschen Bahn insgesamt drei ausrangierte Personenwagen für den Ausbildungsbetrieb. Im Gegenzug verließen zwei ausgediente Personenwagen die Schule, die nach Passau zum Verein der Passauer Eisenbahnfreunde überführt werden. „Synergieeffekte sind immer toll“, sagte der stellvertretende Schulleiter Dr. Bernd Krawczyk.
Bis zur Übergabestelle auf dem Gelände der Firma Pulcra Chemicals – das Unternehmen verfügt über einen Gleisanschluss – rollen die Züge ab Wolfratshausen über das Industriegleis. Die dafür notwendigen Rangierarbeiten auf den Industrie- und Nebengleisen führen im Gewerbegebiet zu kurzfristigen Sperrungen an den Bahnübergängen. Anschließend werden der ICE-Mittelwagen der 1. Klasse sowie zwei Doppelstock-Wagen, wie sie im Regionalbetrieb eingesetzt werden, auf einen Spezial-Lkw verladen.

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Verkehrsknotenpunkt gemeistert
Gegen 10.15 Uhr sperrt die Polizei die Einmündung B11/Blumenstraße für den Verkehr. Auf dem 625 PS starken Tieflader mit eigener Seilwinde und Schienenrampe rollt der Zug mit Tempo 30 auf die Kreuzung zu. Für den Transport ist das Spezialfahrzeug um zwölf Meter verlängert worden. Ohne Schwierigkeiten meistert der Mann am Steuer den Verkehrsknotenpunkt. Er fährt quer über die Kreuzung und biegt in einer leichten Kurve nach links in Richtung Geretsried-Mitte ab. Weiter geht's über die B11 Richtung Rathaus und Kreisverkehr. Dort biegt der Konvoi erneut nach links ab.

Jetzt geht's immer geradeaus auf der Staatsstraße 2368. Noch zweimal rechts abbiegen, dann hat der Zug sein Ziel erreicht. Die letzte Kurve hat es allerdings in sich. Der Fahrer des Tiefladers holt weit aus, um auf die Sudetenstraße zu gelangen. Er muss auf den Gehweg ausweichen, damit das Manöver gelingt. Das Tor zur Feuerwehrschule passiert der Lkw ganz langsam. Bis zur Schienenanlage sind es nur noch ein paar Meter. Nach wenigen Minuten ist es vollbracht: Der ICE hat die Endstation erreicht. Jetzt sind die Mitarbeiter des Transportunternehmens und der Feuerwehrschule gefragt: Gemeinsam bauen sie die Schienenrampe auf, damit der Zug aufs Gleis gesetzt werden kann. Mithilfe der Seilwinde gleitet der ICE geräuschlos und sanft auf die Schienen. Anschließend wird er aufs Abstellgleis gezogen.
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Realistische Unfallszenarien können damit geübt werden
Der stellvertretende Schulleiter Krawczyk freut sich über den Neuzugang in seiner Fahrzeugflotte. „Dieser ICE ist einer aus der ersten Baureihe, der heute noch fährt“, erklärt er. Nun könne die Feuerwehrschule auch Lehrgänge im Bereich Eisenbahn-Fernverkehr anbieten. Die Hülle eines ICE bestehe aus vielen verschiedenen Verbundstoffen. Es gebe besondere Rettungspunkte für Einsatzkräfte. „Das muss man wissen, und das muss man üben, sonst wird das eine Herausforderung“, sagt Krawczyk. Die Waggons sollen künftig in möglichst realistischen Unfallszenarien zum Einsatz kommen, sodass neben den technischen Rettungen und Brandbekämpfungen nicht nur Führungskräfte der Feuerwehren trainieren können, sondern auch Führungskräfte von Rettungs- und Sanitätsdiensten bei einem Massenanfall von Patienten und betroffenen Personen.
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Nachmittags wird es noch einmal spannend. Die doppelstöckigen Waggons sind 5,50 Meter hoch. Passen sie unter den Ampeln an der B11 auf Höhe des Rathauses durch? Ein Blick von der Drehleiter aus schafft Klarheit: So wird das nichts. Der Schwertransporter setzt zurück und fährt diagonal durch die Engstelle. Gute zehn Minuten dauert die Aktion, bevor die Fahrt in Richtung Feuerwehrschule fortgesetzt werden kann.
Neues Leben im Eisenbahnmuseum
Der Spezialtieflader fährt übrigens nicht leer zur Firma Pulcra zurück. Er nimmt die zwei etwa 55 Jahre alten Regionalwaggons mit. Sie werden laut Krawczyk von der Bahn nicht mehr eingesetzt, „weshalb ein spezielles Training mit den Modellen keinen Sinn mehr macht“. Zudem hätten knapp 20 Jahre Übungsbetrieb deutliche Spuren hinterlassen. Der Steuer- und der Mittelwagen seien selten geworden und für Liebhaber interessant. „Die Passauer Eisenbahnfreunde wollen sie haben und werden sie wieder so herrichten, dass man sie im Museum zeigen kann.“