„Niemand soll Angst haben, uns anzusprechen“ – Junge Flüchtlinge besuchen die Polizei

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Besuch bei der Polizei: Patrick Butz, Diana Meßmer (1. u. 2. v. li.) sowie Sebastian Leigeb (5. v. li.) von Zsam Fit besuchten die Wolfratshauser Inspektion. Polizeikommissar Max Münzer (4. v. li.) kümmerte sich um die Gäste. © Sabine Hermsdorf-Hiss

Die Polizeiinspektion Wolfratshausen und Zsam Fit starten ein Präventionsprojekt für Flüchtlinge. Neun junge Menschen stellten den Beamten viele Fragen.

Wolfratshausen – Sie stammen aus Somalia, Syrien und Afghanistan. Als unbegleitete minderjährige Flüchtlinge kamen sie nach Deutschland. Jetzt ist ihre Heimat Wolfratshausen. Und hier müssen sie sich nun zurechtfinden. Unterstützung bekommen sie dabei von der Sozialpädagogischen Familienhilfe Zsam Fit.

Gemeinsam mit der Polizeiinspektion Wolfratshausen startete die Organisation nun ein Präventionsprojekt. Neun junge Männer besuchten mit Sebastian Leigeb, Geschäftsführender Gesellschafter im Bereich Ambulante Erziehungshilfe, sowie dessen Kollegen Diana Meßmer und Patrick Butz die Inspektion am Hans-Urmiller-Ring. Sie hatten jede Menge Fragen an die Ordnungshüter.

Geboren wurde die Idee von Leigeb und Polizeichef Andreas Czerweny. „Integration ist keine Selbstverständlichkeit“, so der Erste Polizeihauptkommissar. „Jeder sollte sich hier engagieren. Und: Niemand soll Angst haben, uns anzusprechen.“ Es gehe auch darum, die Arbeit der Polizei näherzubringen und Unterschiede zu den jeweiligen Herkunftsländern aufzuzeigen.

Überblick über deutsches Rechtssystem

Polizeikommissar Max Münzer gab den Besuchern einen kurzen Überblick über das deutsche Rechtssystem. „Wir, die Polizei, und die Gerichte behandeln alle Menschen gleich“, betonte er. „Egal ob Mann oder Frau, egal welche Hautfarbe oder Glaubenszugehörigkeit.“

Auch habe in Deutschland die Religion keinerlei Einfluss auf die Gesetze. Sollte man sich ungerecht behandelt fühlen, gibt es die Möglichkeit, Beschwerde einzureichen. „Dann wird eine Überprüfung eingeleitet. Auch die Polizei muss für Fehler geradestehen.“ Aber: „Was nicht sein darf, ist Selbstjustiz. Damit macht man sich nur selbst strafbar.“

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Ein junger Afghane berichtete, dass er auf seinem Weg nach Deutschland elf verschiedene Länder gequert habe. Überall musste er sich durchsuchen lassen. „Mir wurde alles weggenommen, was ich hatte.“ Er war damals 16. Auch die deutschen Beamten behandelten ihn zunächst wie einen Erwachsenen, unterzogen ihn einer Leibesvisitation. „Das war mir sehr peinlich“, so der junge Mann. „Doch dann waren sie sehr nett und haben versucht, zu helfen.“

Ein anderer ging von sich aus auf die Ordnungshüter zu. „Ich brauchte Hilfe. Wir standen am Bahnhof. Eine betrunkene Frau kam auf uns zu und griff uns mit einer Flasche an.“ Der 18-Jährige trug eine Platzwunde davon. „Sie haben sich um mich gekümmert und die Anzeige aufgenommen.“

„Höflich und respektvoll – und zwar gegenseitig“

Doch wie soll man sich beispielsweise bei einer Kontrolle verhalten? „Höflich und respektvoll – und zwar gegenseitig“, so Münzer. „Den Aufforderungen, wie beispielsweise seine Papiere zu zeigen, sollte man nachkommen.“ Und: „Wir haben auch weibliche Kollegen – auch deren Anweisungen ist ohne Wenn und Aber Folge zu leisten.“

Einer der Besucher nickte. „Wir hatten in Afghanistan früher auch Polizistinnen. Doch durch die Taliban hat sich alles verändert. Sie dürfen nicht mehr lernen, Berufe ausüben. Sie dürfen nur noch zu Hause sein.“

Münzer ging auf verschiedene Straftaten ein und wie man vermeiden kann, mit dem Gesetz in Konflikt zu geraten. „So darf niemand gegen seinen Willen zum Geschlechtsverkehr gezwungen werden oder eine Notsituation ausgenutzt werden. Und alle unter 14 Jahren sind von vornherein tabu.“ Meßmer wies darauf hin, dass ein Alter schwer zu schätzen ist: „Daher immer lieber zuerst fragen.“

Jüngste Anschläge beschäftigen die Jugendlichen

Großes Thema unter den Jugendlichen waren die jüngsten Anschläge in München, Mannheim und Aschaffenburg. „Wir haben Angst vor einer Verallgemeinerung“, betonten sie. „Das sind nicht wir.“ Einer der jungen Männer bekam via Instagram bereits Todesdrohungen in Wort und Bild.

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„Man schickte mir ein Foto mit einer Pistole.“ Auch hier empfahl der Polizeikommissar, sich an die zuständige Dienststelle zu wenden. Nach den rund 90 Minuten verabschiedeten sich die jungen Gäste. „Ich kann nur sagen“, so einer der Besucher im Namen aller, „danke Polizei. Vielen Dank.“

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