Flüchtlings-Situation „äußerst kritisch“: Miesbacher Landrat schreibt Brandbrief an Innenminister
Die Flüchtlings-Situation im Landkreis sei „äußerst kritisch“, sagt Landrat Olaf von Löwis (CSU). Mit einem Brandbrief hat er sich nun an den bayerischen Innenminister gewandt – und fordert Unterstützung ein.
Miesbach/Landkreis - Die Lage ist prekär bis aussichtslos – und hat den Landrat jetzt dazu veranlasst, sich per Pressemitteilung direkt an die Öffentlichkeit sowie mit einem dringlichen Brief an Bayerns Innenminister Joachim Herrmann zu wenden: Weil der Flüchtlingszustrom nicht abreißt, die Unterbringungsmöglichkeiten im Landkreis aber erschöpft sind, will Olaf von Löwis nun einen „offensiveren Weg“ gehen. Offen spricht er dabei auch zwei besonders heikle Punkte an: die häufigen Widerstände seitens der Bevölkerung und der Gemeinden bei der Gewinnung neuer Unterkünfte sowie die persönlichen Anfeindungen, denen er sich als Landrat ausgesetzt sieht. „Die Lage ist äußerst kritisch, wir brauchen sofortige Unterstützung von oben“, schreibt Löwis in seinem Brief an den Minister.
Manche Bürger fordern vom Landrat, dass er die Busse zurückschickt
Alle zwei Wochen kommen Busse mit Geflüchteten im Landkreis Miesbach an. „Mal sind es 50 Personen, mal 100“, heißt es in der Pressemitteilung. Das Landratsamt sei gesetzlich verpflichtet, die Geflüchteten aufzunehmen und unterzubringen. Eine Tatsache, die laut Kreisbehörde nicht alle Bürger akzeptieren wollen. Manche würden gar fordern, dass der Landrat die Aufnahme schlichtweg verweigert und die Busse zurückschickt – „das ist aber nicht möglich“, macht die Behörde deutlich. Daher brauche es dringend neue Unterkünfte. Die Krux: Der Landkreis selbst verfüge über keine weiteren eigenen Immobilien, und die Landkreis-Gemeinden würden von sich aus nicht ausreichend geeignete Unterkünfte melden. „So sind wir auf die freiwilligen Angebote privater Immobilienbesitzer angewiesen.“
Landrat: „Bemühungen werden von vielen Gemeinden massiv behindert“
Jüngstes Beispiel Marienstein. Dort wird seit Kurzem das ehemalige Verwaltungsgebäude im Gewerbegebiet als Asylheim genutzt, die benachbarte Halle von Franz Haslberger ist als weitere Unterkunft im Gespräch. Gegen Letztere gibt es massiven Widerstand nicht nur seitens der Bürger, sondern auch der Gemeinde Waakirchen. An den Staatsminister schreibt Löwis: „Im Landkreis Miesbach werden unsere Bemühungen von vielen betroffenen Gemeinden massiv behindert. Erst Hausham, dann Warngau und nun auch Waakirchen, Fischbachau und Schliersee.“ Überall werde versucht, die Errichtung von Unterkünften mit allen rechtlichen Mitteln zu verhindern.
Fehlende Unterkünfte: Fehlbeleger verschärfen das Problem
Ein ungelöstes Problem bleibe auch die Unterbringung der sogenannten Fehlbeleger, also Menschen, die eigentlich schon über ein Aufenthaltsrecht verfügen. Wenn diese Personen nicht aus Mangel an bezahlbarem Wohnraum in den Unterkünften verbleiben müssten, „hätten wir diese Plätze für die laufenden Zuweisungen zur Verfügung“, schreibt Löwis an den Minister. „Aber die Rechtslage und die Urteile helfen den Landkreisen nicht.“ Das Landratsamt stehe auf der einen Seite in der Pflicht, alle Geflüchteten – inklusive Fehlbeleger – unterzubringen, verfüge auf der anderen Seite aber über keine Instrumente, um diese Verpflichtung gegenüber den Landkreis-Kommunen durchzusetzen. „Hier muss sich dringend etwas ändern“, fordert der Landrat.
Löwis fordert: Keine Neuzuweisungen während Räumung der Hallen
Löwis stellt in seinem Schreiben konkrete Forderungen an die Landesregierung. So müssten beispielsweise die bestehenden Ankerzentren, in denen die Asylbewerber, die nach Bayern kommen, zunächst untergebracht werden, „schnell und deutlich erweitert werden“. Zudem gelte es, zügig neue Anker-Einrichtungen einzurichten. Zwingend notwendig sei auch eine rechtlich abgesicherte Möglichkeit, die Fehlbeleger in mehrere Kommunen verteilen zu dürfen. Zudem müssten „spezielle Herausforderungen“, wie etwa die Räumung von Turnhallen, unbürokratisch unterstützt werden, indem bis dahin alle Zuweisungen ausgesetzt würden.
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Persönliche Anfeindungen stimmen den Landrat nachdenklich
„Krisenmanagement gehört zum politischen Alltag“, räumt der Landrat in seinem Brandbrief ein. Doch was ihn nachdenklich stimme, „sind die persönlichen Anfeindungen, denen ich ausgesetzt bin“. „Selber schuld“ und „Augen auf bei der Berufswahl!“ seien Kommentare, die er immer wieder zu hören bekomme. Damit nicht genug. Auch seine Familie werde bedroht, weil er die Geflüchteten im Landkreis unterbringen müsse („Wir wissen, wo du wohnst“). Jedes Mal, wenn er über persönliche Anfeindungen berichte, werde er von vielen verhöhnt, berichtet Löwis. Das sei ihm mittlerweile zwar egal. Enttäuscht sei er aber darüber, dass die „Berichte von der Front“ von höherer Stelle bestenfalls mit verständnisvollen Worten und Durchhalteparolen kommentiert würden. Bedauert zu werden, helfe ihm aber nicht weiter, sagt der Landrat.
Mit seinem Schreiben bittet er Innenminister Herrmann herzlich darum, die gesetzlichen Rahmenbedingungen in Bayern bezüglich der Asyl-Situation zu prüfen. „So darf es nicht weitergehen“, sagt der Landrat klipp und klar, der am Freitag (25. Oktober) seinen 70. Geburtstag feiert.
gab