Ein Ahrtal-Winzer, der mit seiner neuen Vinothek Hoffnung schafft
Die Flut schlich sich in Walporzheim heimlich an. Peter Kriechel, sein Bruder Michael und Nachbarn hatten schon Klappstühle an die Ahr gestellt, um zu feiern. Um 21:30 Uhr schien der Pegel in Altenahr zu sinken – doch das Schlimmste kam erst.
Das Wasser suchte sich einen neuen Weg durch den Weinort. „Jemand rief plötzlich: ‚Das Wasser kommt!‘“, erinnert sich Michael Kriechel. Die Frauen flohen mit den Kindern in die Weinberge, die Brüder versuchten auf ihrem Weingut zu retten, was ging. „Wir stellten Stühle auf Tische – im Nachhinein eine alberne Idee“, sagt Peter Kriechel.
Tausende Liter Wein gingen verloren, der Ausschank in Marienthal wurde überschwemmt. Einige Fässer blieben verschont, daraus entstand der „Flutwein“ – verkauft zur Unterstützung der Winzer.
Noch dieses Jahr eröffnen die Kriechels eine neue Vinothek, die an die Flut erinnert. „Ich will nicht wiederaufbauen, sondern neuaufbauen“, sagt Peter Kriechel. Das neue Haus soll zeigen, dass man aus der Katastrophe gelernt hat.
"Unsere Vinothek zeigt, was wir aus der Flut gelernt haben"
"Es gibt zwei Gründe, warum ich für meine Heimat kämpfe: Der erste ist Heimatliebe und Verbundenheit mit der Region. Wir haben viele Ideen, wir sind innovativ. Wir wollen ein Restaurant und eine Vinothek eröffnen, die ein Schaufenster der Region werden soll. Die Küche wird „total regional“ sein. Bei uns wird es vielleicht sogar keine Zitronen geben und Erdbeeren nur zu bestimmten Jahreszeiten. Das Essen und der Wein sollen ausschließlich aus der Region kommen.
Das neue Gebäude der Vinothek ist visionär. Es zeigt, was wir aus der Flut gelernt haben, und wie man bauen muss, um dem Hochwasser zu widerstehen und dabei sogar Raum für den Fluss lassen kann. Es kann unterflutet werden, es steht teilweise auf Stelzen, es fängt Wasser von oben auf, weil das Dach begrünt ist, und es ist von Spundwänden umgeben.
Das Gesamtergebnis wird auf die gesamte Region ausstrahlen. Es geht nicht um Selbstverwirklichung, sondern darum, zu zeigen, wie man hochwasserresilient baut. Wenn andere Menschen in Deutschland oder weltweit sich informieren wollen, wie man nach einer Flutkatastrophe innovativ neu aufbauen kann, sind sie eingeladen, sich unsere neue Vinothek anzuschauen. Sie wird ein Beispiel für hochwasserresiliente Infrastruktur von morgen sein, ein Leuchtturmprojekt – auch für Leute, die sonst gar nicht ins Ahrtal gekommen wäre.
"Es ist alles katastrophal mühsam mit den Behörden"
Eigentlich hätten wir dieses Jahr schon anfangen wollen, aber da sind wir bei dem größten Problem im Ahrtal: Es geht nichts voran. Seit zwei Jahren läuft der Bauantrag, es ist alles katastrophal mühsam mit den Behörden.
Unser Architekt, ein Österreicher, der weltweit unterwegs ist, sagt: So etwas hat er noch nie erlebt. Die Behörden sind nicht erreichbar, es gibt keine Antwort auf Mails, Termine platzen, alles verzögert sich endlos.
Das Irrwitzige: Gerade jetzt müsste es schnell, unkompliziert gehen, aber genau das Gegenteil ist der Fall.
Der zweite Grund, warum wir hier nicht aufgeben: Wir sind Landschaftspfleger. Warum gibt es Terrassen und Trockenmauern, die Einheimische wie Touristen so schön finden? Weil die Winzer sie pflegen, und das schon seit Jahrhunderten. Es ist viel Arbeit, klar, aber das ist vor allem identitätsstiftend. Wenn alles bewaldet wäre, würde hier niemand hinkommen und die Menschen könnten vom Tourismus nicht leben, vor allem die Gastronomien und die Winzer nicht.
Dennoch fehlt es an Anerkennung. Ich habe kein Verständnis dafür, wenn einheimische Gastronomen auf Ahrwein verzichten und ihn nicht in den Mittelpunkt stellen.
"Das Vorzeigeprojekt ist die Deutsche Bahn"
Was mich aber am meisten umtreibt, ist der schleppende Aufbau. Nach der Flut hatte ich gedacht, es geht alles viel schneller. Aber wir wurden von der Realität eingeholt. Das Vorzeigeobjekt ist tatsächlich die Deutsche Bahn, die sonst für Unpünktlichkeit und Unzuverlässigkeit steht. Bei der Ahrtalbahn geht es so voran wie nirgends sonst. Man hat hier die Größenordnung und den Zeitdruck erkannt. Die Leute arbeiten in drei Schichten, an Feiertagen, an Brückentagen und sonntags.
Warum geht das nicht woanders auch so? Seit längerer Zeit wird an der Ortsumfahrung für die Altstadt Ahrweiler gebastelt. Wenn ich an der Carl-von-Ehrenwall-Allee in Ahrweiler, eine zentrale Maßnahme im Bereich des Straßenbaus und der Gewässerwiederherstellung, vorbeikomme, steht dort meistens nur ein Bagger, und ich sehe einige wenige Arbeiter. Warum arbeitet man da nicht im Schichtbetrieb, mit mehr Personal, damit es schneller funktioniert? Warum nimmt man sich nicht an der Bahn ein Beispiel?
Ich bin davon überzeugt: Es könnte schneller gehen, es müsste schneller gehen. Der Lärm und die vielen Baustellen im Ahrtal belasten uns natürlich alle. Warum passiert an den vielen Bauruinen nichts? Ohne die persönliche Situation des jeweiligen Eigentümers zu kennen: Aber dafür habe ich nach vier Jahren kein Verständnis mehr.
Es gibt viele Fortschritte im Ahrtal, vieles ist schon gut. Aber ich frage mich eben: Woran liegt es, dass es nicht schneller geht? Es liegt sicher an den Planungen, Genehmigungen, Ausschreibungen, wir machen mit unserem eigenen Gebäude ja die gleichen Erfahrungen. Es ist klar, dass die Mitarbeiter der Verwaltungen überfordert sind, aber dann muss man dem Abhilfe schaffen. Viele einzelne Gemeinden haben eigene private Wiederaufbaugesellschaften gegründet. Der Kreis hat das nicht für nötig gehalten.
"Heute sieht man schon wieder wie schön es ist im Ahrtal"
Zum Gedenktag am 14. Juli erinnere ich mich an die Zeit vor der Flut, auch wenn ich selber nicht im Tal sein werde. Heute sieht man vielerorts schon wieder, wie schön es hier ist – dank der Menschen, die unermüdlich anpacken. Ich hoffe, dass der Neuaufbau bald schneller vorangeht und das Ahrtal seine ganze Vielfalt zurückgewinnt.
Der Jahrestag ist für das große Ganze wichtig. Wir werden medial nochmal gesehen. Was ich aus der Flutkatastrophe im Ahrtal gelernt habe? Dass nicht alles schnell und unbürokratisch geht. Dass ein Neuaufbau viel Kraft kostet, und man viele Chancen hat liegen lassen, um es besser zu machen."
Protokolliert von Frank Gerstenberg