„Eine Behinderung ist nichts Schlechtes“

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Außergewöhnliche Geschichten stellt Fotograf Thomas Griesbeck bei der Veranstaltungsreihe vor © Foto: Jackscorner

Der Fotograf Thomas Griesbeck will zeigen, dass Menschen mit Behinderung viel mehr sind als ihre Behinderung. Deshalb hat er die Veranstaltung „Auf den zweiten Blick“ ins Leben gerufen.

Miesbach – „Auf den ersten Blick behindert. Auf den zweiten Blick wie du und ich.“ Unter diesem Motto wollen Thomas Griesbeck (27) und Chrissi Obwexer das Tabuthema Behinderung sichtbarer machen. Der Miesbacher Fotograf und die Tirolerin haben die Foto-Veranstaltungsreihe „Auf den zweiten Blick“ ins Leben gerufen, die Bilder von Menschen mit Behinderung zeigt. Im Gespräch erzählt Griesbeck, was Besucher der Veranstaltung erwartet.

Herr Griesbeck, warum heißt die Veranstaltungsreihe „Auf den zweiten Blick“?

Wir bewerten Menschen häufig schon auf den ersten Blick, ohne sie zu kennen – gerade Menschen mit Behinderung. Doch meistens lohnt es sich, genauer hinzuschauen und einen zweiten Blick vorzunehmen.

Wie ist die Idee zu diesem Projekt entstanden?

Chrissi Obwexer, die das Projekt mit mir leitet, sitzt selbst wegen eines Autounfalls seit 20 Jahren im Rollstuhl. Sie hat die Erfahrung gemacht, dass viele Menschen nicht wissen, wie sie mit körperbehinderten Menschen umgehen sollen. Deshalb kam sie auf die Idee, dem Thema mit einer Fotoreihe mehr Aufmerksamkeit zu schenken. Über die sozialen Medien hat sie mich dann kontaktiert.

Was ist Ihre Motivation hinter dem Projekt?

Ich will mit meiner Fotografie Aufmerksamkeit auf wichtige Themen lenken. Mein Ziel ist es, dass die Betrachter bei den Bildern ins Staunen kommen und sich selbst hinterfragen. Die Bilder sollen vermitteln, dass eine Behinderung nicht immer etwas Schlechtes ist.

Was ist auf den Fotos zu sehen?

Wir zeigen zwölf Protagonisten, darunter Querschnittsgelähmte, Blinde, Gehörlose oder Menschen mit Amputation. Die Fotos drücken die Werte, Gefühle und Geschichten der Menschen aus.

Eine Hörbehinderung sieht man Menschen nicht an. Wie stellen Sie das dar?

Indem man Lautstärke darstellt. Weil unser gehörloser Protagonist im Kindergarten arbeitet, ergab sich folgende Szene: Der Protagonist chillt entspannt auf dem Boden, während die Kinder um ihn herum toben.

Wo haben Sie die Aufnahmen gemacht?

Die Fotos sind international entstanden: Wir waren in Österreich, den Dolomiten, in Norwegen und auch in Bayern, unter anderem im Tegernseer Tal.

Was haben Sie im Tegernseer Tal fotografiert?

Einer der Protagonisten ist leidenschaftlicher Musiker. Er ist ein echt verrückter Kerl, deshalb brauchte er ein verrücktes Foto. Das Bild zeigt ihn, wie er in seinem Rollstuhl sitzend 2000 Meter über dem Tegernsee schwebt, gesichert am Korb eines Heißluftballons. Nebenbei spielt er Tuba – seine große Leidenschaft.

Klingt nach einer aufwendigen Produktion. Was war für Sie die größte Herausforderung im Projekt?

Nicht typisch fotogene Körper abzubilden war schon eine Herausforderung. Viel stärker hat mich aber überrascht, zu erleben, wie die Gesellschaft mit körperbehinderten Menschen umgeht. Oft waren die Produktionsorte nicht barrierefrei, was die Arbeit erschwert hat. Manchmal mussten die Protagonisten sogar dreiste Kommentare von Außenstehenden einstecken.

Wie wird die Veranstaltung ablaufen?

Die Besucher erwartet eine Bühnenshow, die ihren Blick auf Menschen ändert, die zum Nachdenken anregt und Barrieren bricht. Sechs der Protagonisten werden vor Ort sein und auf der Bühne ihre Geschichte erzählen, zum Beispiel eine Mutter, die im Rollstuhl sitzt. Chrissi Obwexer und ich werden außerdem Hintergründe zum Projekt erzählen. Außerdem wird ein Werk im Wert von 300 Euro verlost.

Sie hatten auch Stationen in Österreich. Wie kommt das Projekt an?

Anfangs war das Projekt nur als kleine Vernissage in Tirol geplant. Mittlerweile ist es uns etwas aus den Händen geglitten. Aber der Zuspruch und die finanzielle Unterstützung sind so enorm, dass wir etwas Größeres daraus machen wollten. Wir haben sogar schon Anfragen aus Köln und Barcelona bekommen. Das liegt schon fast außerhalb meiner Komfortzone. Wir haben auch schon eine zweite Tour mit neuen Fotos geplant, vielleicht sogar europaweit.

Das Gespräch führte Stefanie Fischhaber.

Die Eröffnung

der Ausstellung findet am Donnerstag, 18. Januar, ab 19 Uhr im Waitzinger Keller statt. Einlass ist bereits ab 18 Uhr. Der Eintritt ist kostenfrei, die Organisatoren freuen sich über Spenden. Um Anmeldung unter www.aufdenzweiten blick.com wird gebeten. Die Werke werden noch bis zum 9. Februar im Waitzinger Keller ausgestellt.

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