Aus einem Interimsjob wurden neun Jahre: BRK-Kreisgeschäftsführer verabschiedet sich
Geplant war ein Interimsjob in Teilzeit, am Ende wurden es neun Jahre in Vollzeit: Robert Kießling (66) hat den BRK-Kreisverband zurück in ruhiges Fahrwasser gelenkt. Jetzt ist er im Ruhestand.
Landkreis – Geplant war ein Interimsjob in Teilzeit, am Ende wurden es neun Jahre in Vollzeit: Robert Kießling (66) hat den BRK-Kreisverband in schwierigen Zeiten übernommen und zurück in ruhiges Fahrwasser gelenkt. Jetzt ist er als Geschäftsführer in den Ruhestand gegangen und hat seinen Schreibtisch an seinen bisherigen Stellvertreter Simon Horst übergeben. Im Interview blickt Kießling, der in all den Jahren aus seiner Heimatstadt München nach Miesbach gependelt ist, auf seine Tätigkeit zurück und erklärt, wo in seinen Augen die Herausforderungen in der Zukunft liegen.
Herr Kießling, ein BWLer aus München wird Chef beim Roten Kreuz in Miesbach: Wie groß war der Kulturschock auf beiden Seiten, als Sie Geschäftsführer des BRK-Kreisverbands geworden sind?
Robert Kießling: (lacht) Ganz ehrlich: Angesichts der unsicheren Lage, in der sich der Kreisverband damals befunden hat, war das noch eine der kleineren Sorgen. Außerdem war ja erst mal nur geplant, dass ich die Geschäftsführung interimsweise übernehme. Mit dem vorrangigen Ziel, den Kreisverband wirtschaftlich über Wasser zu halten und zu stabilisieren.
Am Ende sind neun Jahre draus geworden...
Robert Kießling: Die mit Abstand längste berufliche Station in meinem Leben! Ob bei Siemens, BMW, der Treuhandanstalt in Berlin oder dem Süddeutschen Verlag: Bis dato hatte ich immer spätestens nach fünf Jahren das Unternehmen oder zumindest den Aufgabenbereich gewechselt. Auch beim BRK-Landesverband bin ich intern vom Bereich Revision zu Finanzen/Rechnungswesen/Controlling und in die Unternehmenskooperation umgestiegen. Bis mich der damalige Landesgeschäftsführer Leonhard Stärk aus Miesbach dann gefragt hat, ob ich mir zusätzlich und eben nur übergangsweise den Posten beim angeschlagenen Miesbacher Kreisverband zutraue. Geplant waren zwei Tage pro Woche.
Wann war Ihnen klar, dass das doch ein Vollzeitjob ist – und zwar auf Dauer?
Robert Kießling: Schon relativ früh. Ich habe erkannt, dass es hier viel zu tun gibt. Und – noch wichtiger –, dass mir nach den vielen Stabsstellen das operative Geschäft richtig Spaß macht. Es motiviert ungemein, wenn man die Auswirkungen seines Handelns unmittelbar und ungefiltert zu spüren bekommt.
Wie waren die ersten Reaktionen?
Meine news
Robert Kießling: Ausschließlich positiv. Schnell hatte ich das Vertrauen und die Unterstützung der Mitarbeiter – egal ob im Haupt- oder Ehrenamt. Da habe ich übrigens nie einen Unterschied gemacht – und auch des Vorstands, des Haushaltsausschusses und des Personalrats. Das hat mir die Arbeit nicht nur beim Einstieg, sondern auch alle folgenden Jahre sehr erleichtert.
Welchen Schlüssel haben Sie gefunden, der dem Kreisverband die Tür zu mehr Ruhe und Stabilität geöffnet hat?
Robert Kießling: Das kann man nicht an einem Punkt festmachen. Fakt ist, dass wir uns in der glücklichen Lage befinden, ein unglaublich engagiertes und motiviertes Team zu haben. Alle wissen, dass sie Dienst am Menschen leisten. Ob es nun ein warmes Mittagessen ist, die Erstversorgung bei einem Unfall oder die ambulante Pflege zu Hause: Die Leute freuen sich und sind dankbar, wenn wir kommen. Das gibt Kraft, bedeutet aber auch viel Verantwortung.
Und vermutlich eine Menge Druck, oder?
Robert Kießling: Ich beobachte durchaus, dass unsere Mitarbeiter nicht selten an die eigene Belastungsgrenze und darüber hinaus gehen. Umso mehr, je stärker sich der Personalmangel auch bei uns bemerkbar macht. Denn anders als in anderen Branchen können wir keine Aufträge aufschieben. Wenn wir nicht kommen, kann das mitunter lebensbedrohliche Folgen haben.
Also lieber in anderen Bereichen zurückfahren?
Robert Kießling: So weit sind wir zum Glück noch nicht. Aber wir merken schon den Zwiespalt, dass wir einerseits unsere Angebote stärker an die Menschen im Landkreis bringen wollen, weil wir den Bedarf sehen, andererseits aber auch sicherstellen müssen, dass wir die Kunden mit den begrenzten Ressourcen angemessen versorgen können.
Wie könnte die Lösung aussehen?
Robert Kießling: Es braucht vor allem eine intensive Kommunikation nach außen. Die Menschen im Landkreis müssen wissen, was wir für sie leisten können und dass es oft sogar finanzielle Unterstützung gibt, wenn man diese Dienste in Anspruch nimmt. Genauso wichtig ist es, Schamgefühl abzubauen. Das beobachten wir gerade bei der Tafel noch häufig. Je bekannter der BRK-Kreisverband mit seinen Leistungen ist, desto eher werden sich neue Leute für eine Mitarbeit im Haupt- oder Ehrenamt finden lassen. Mit meinem Nachfolger Simon Horst hat der Kreisverband einen neuen Geschäftsführer, der das Rote Kreuz Miesbach von Kindesbeinen an kennt und diese Begeisterung absolut authentisch nach außen tragen kann.
Wie war das bei Ihnen als „Externer“? Sind Sie ab und zu mal im Rettungswagen mitgefahren?
Robert Kießling: Ganz ehrlich: Nein. Dafür gibt es aber einen guten Grund: Ich kann leider kein Blut sehen. Und so wäre ich den Kollegen nur zur Last gefallen. Es bringt ja nichts, wenn ich ohnmächtig werde und sie sich dann um zwei Notfälle kümmern müssen (lacht). Umso wichtiger war mir aber der enge Austausch mit den Mitarbeitern. Nur so bekommt man mit, wo der Schuh drückt.
Der zwickt beim BRK Miesbach auch immer mal wieder in räumlicher Hinsicht. Wie wichtig war der Umzug ins neue Servicezentrum? Und warum ist es jetzt schon wieder zu klein?
Robert Kießling: Das war ein wichtiger Schritt, weil wir hier eine Bündelung aller Leistungsbereiche sowie die Verbesserung der internen Kommunikation und Erreichbarkeit für die Kunden erreicht haben. Und an sich reicht der Platz auch, nur der damals nicht absehbare große Andrang auf die Tafel Miesbach macht für diesen Leistungsbereich eine Auslagerung notwendig. Dass auch die BRK-Bereitschaft nach neuen Räumen sucht, liegt schlicht am nicht mehr verlängerten Mietvertrag und an den durch Umbauten inakzeptabel gewordenen Rahmenbedingungen am jetzigen Standort in der Bergwerkstraße. Wo wir hingegen sehr gut aufgestellt sind, sind die Kleiderläden. Das ist eine echte Erfolgsgeschichte.
Inwiefern?
Robert Kießling: Weil wir sowohl die Anzahl, als auch die Öffnungszeiten in den vergangenen Jahren sukzessive ausgebaut haben. Auch eine gute Möglichkeit, das Rote Kreuz zu den Menschen zu bringen und Hürden abzubauen.
Bleibt die Frage, wo man Robert Kießling im Ruhestand antreffen kann...
Robert Kießling: Erst mal im Urlaub, dann in den Salzburger Bergen. Da arbeite ich von Mai bis November als Mountainbike- und Wanderguide. Das wird zwar wieder ein 40 Stunden-Job, aber streng genommen werde ich hier für etwas bezahlt, das ich in meiner Freizeit genauso machen würde. Und Blut muss ich dabei hoffentlich nicht sehen (lacht).
sg