Ringen um bezahlbaren Wohnraum im Moralt-Areal: „Reibereien“ zwischen Stadt und Eigentümer

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Als „Turbobooster fürs Handwerk“ bezeichnet Thomas Scherer die Entwicklung des Moraltgeländes. Im Mai soll der städtebauliche Vertrag stehen. © cs

Die Stadt Bad Tölz und die Eigentümer des Moralt-Areals ringen um Kompromisse. In dem neuen Stadtviertel soll bezahlbarer Wohnraum entstehen.

Bad Tölz – Der Mangel an bezahlbarem Wohnraum ist kein reines Tölzer Problem. Im gesamten Oberland werden günstige Wohnungen immer rarer. Auf dem Moralt-Areal soll wie berichtet ein neuer Tölzer Stadtteil entstehen, mit Wohnraum für 1000 Menschen, davon laut Stadtratsbeschluss mindestens 20 Prozent preisgebundenes Wohnen (Miete oder Kauf). Am Mittwochabend wurde einmal mehr deutlich: Der Wunsch, bezahlbaren Wohnraum auf dem Gelände zu schaffen, ist durchaus vorhanden. Doch Stadt und Investor ringen hart um einen Kompromiss.

Vision fürs Moralt-Areal: Wohnen soll laut Stadt dem Gewerbe dienen

Die Tölzer Grünen hatten die Pläne rund um das verfallene Industrie-Gelände zum Anlass genommen, um über das Thema zu diskutieren. Geladen waren unter anderem Bürgermeister Ingo Mehner (CSU) und Thomas Scherer, Geschäftsführer der Denkmalneu GmbH und 30-prozentiger Miteigentümer des Areals. Der Andrang war groß, über 100 Interessierte waren zu der Veranstaltung im Tölzer „Kolberbräu“ gekommen.

Großer Andrang: Über 100 Interessierte waren zu der Veranstaltung im Tölzer „Kolberbräu“ gekommen. Bürgermeister Ingo Mehner referierte über die Zielsetzungen der Stadt. Investor: „Unser Interesse ist das Überleben“ Bis zu einer Einigung ist es noch ein weiter Weg
Großer Andrang: Über 100 Interessierte waren zu der Veranstaltung im Tölzer „Kolberbräu“ gekommen. Bürgermeister Ingo Mehner referierte über die Zielsetzungen der Stadt. Investor: „Unser Interesse ist das Überleben“ Bis zu einer Einigung ist es noch ein weiter Weg © Arndt pröhl

Mehner informierte über die Zielsetzungen der Stadt. Die Vision für das Moralt-Areal, das künftig „Moralt-Werke“ genannt werden soll, sei es gewesen, „Arbeitsplätze zu schaffen, von denen die Stadt und Bevölkerung profitieren“. Auch Wohnen soll zugelassen werden, jedoch unter einer Bedingung: „Wohnen ist für uns kein Selbstzweck, sondern soll grundsätzlich dem Gewerbe dort dienen.“ Dadurch werde auch die Verkehrsbelastung reduziert. Mitarbeiterwohnungen seien dabei „ein wesentlicher Schlüssel“.

Tölzer Bürgermeister Ingo Mehner räumt Fehlentwicklungen beim Wohnungsbau ein

In den vergangenen Jahren habe es in Bad Tölz auch Fehlentwicklungen beim Thema Wohnungsbau gegeben, räumte Mehner ein. Die Flächen im Badeteil seien vorwiegend an Senioren aus dem ganzen Bundesgebiet gegangen. „Der Wohnbedarf der eigenen Bevölkerung ist zu wenig befriedigt worden“, gab Mehner zu. Daher wolle die Stadt nun 100 Prozent Zuordnung von Wohnraum zu Zielgruppen. „Ein durchaus anspruchsvolles Vorhaben“, sagte der Bürgermeister.

Das Moralt-Areal ist ein Fall für die städtische Satzung zur „zukunftsorientierten Bodennutzung“ (Zobon). Sie besagt, dass der Eigentümer bei einer Baulandausweisung ein Drittel zum Grünlandpreis an die Stadt veräußern muss. Alternativ baut er selbst und hält sich dabei an von der Stadt vorgegebene Ziele (siehe Kasten). Der Stadtrat hatte Ende November beschlossen, den Eigentümer nach dem Grundgedanken der Zobon zur Schaffung sozialer öffentlicher Infrastruktur zu verpflichten.

Investor: „Unser Interesse ist nicht der Profit, sondern das Überleben“

Grünen-Kreissprecher Andreas Wild verwies in seinem Beitrag über die Zobon auf die Bayerische Verfassung. „Steigerungen des Bodenwertes, die ohne besonderen Arbeits- oder Kapitalaufwand des Eigentümers entstehen, sind für die Allgemeinheit nutzbar zu machen“, heißt es etwa in Artikel 161. „Das ist keinem grünen Thinktank entsprungen“, sagte Wild augenzwinkernd. „Die Verfassung stellt die politische Zielrichtung dar. Es lohnt sich, das in Erinnerung zu rufen.“ Es gehe dabei schließlich um das Gemeinwohl.

Die Kommune habe durch die Umwandlung in Wohnbauland Folgekosten zu tragen, während der Profit beim Eigentümer liege. „Es geht nicht darum, jemandem etwas wegzunehmen, sondern darum, die Allgemeinheit angemessen zu beteiligen.“

Investor Thomas Scherer widersprach umgehend. „Unser Interesse ist nicht der Profit, sondern das Überleben“, sagte er und verwies auf den angespannten Immobilienmarkt. „Wenn man heute den Taschenrechner nimmt, müsste man das Projekt einstellen.“ Ziel der Eigentümer sei es, ein „umsetzungsfähiges Areal“ zu schaffen. „Als Lost Place nutzt es keinem was.“ Unter einem „Lost Place“ versteht man verlassene Orte, wie etwa Industriebrachen, oder andere Gebäude, deren Nutzung in Vergessenheit geraten ist.

2026 ist der Baubeginn in den neuen „Moralt-Werken“ geplant

Scherer skizzierte einen Zeitplan für die „Moralt-Werke“. Noch in diesem Jahr soll der städtebauliche Vertrag mit der Stadt stehen. Danach geht es weiter mit dem Bebauungsplanverfahren, 2026 soll Baubeginn sein. Für Raunen im Saal sorgte Scherer mit der Visualisierung eines Hauptplatzes – inklusive Treppen zur Isar und einer über dem Wasser schwebenden Rampe für Konzerte.

Mit der Zobon habe er sich „zwei Jahre intensiv befasst“, sagte Scherer und betonte, man werde „sozial geprägte Flächen“ herstellen. Die Eigentümer übernehmen etwa die Kosten für den Bau einer Kita und von hochwertigen Spielplätzen und einer Veranstaltungsfläche. „Und nebenbei stellen wir noch 5000 Quadratmeter Rad- und Wegenetz hin.“ Dazu kommen 41 000 Quadratmeter Gewerbefläche und 3000 Quadratmeter Veranstaltungsfläche. Es stecke viel „Herzblut“ in dem Projekt, sagte der gebürtige Tölzer.

„Nebelkerze“: Grüne üben Kritik an Eigentümer

Der frühere Grünen-Stadtrat Franz Mayer konterte Scherers Äußerungen. Die Kosten für die soziale Infrastruktur dürfte man nicht gegen das bezahlbare Wohnen aufrechnen. Das sei eine „Nebelkerze“, so Mayer. Wie viel bezahlbarer Wohnraum auf dem Moralt-Areal tatsächlich geschaffen werde, sei, Stand jetzt, vollkommen offen. Weil die Stadt selbst nicht ein Drittel der Fläche übernehmen möchte, „wäre ein finanzieller Ausgleich in Höhe des anteiligen Planungsgewinns möglich“, so Mayer. Damit könnte man etwa ein Mehrgenerationenhaus finanzieren. Eine weitere Alternative sei, den Investor langfristig zu bezahlbarem Wohnraum zu verpflichten.

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Trotz unterschiedlicher Meinungen waren sich am Ende alle einig: Die neuen „Moralt-Werke“ sind eine klare Verbesserung zum Istzustand. Gelobt wurde auch die konstruktive Atmosphäre. Wie es konkret mit dem Projekt weitergeht, hängt zunächst vom Ausgang der Vertragsverhandlungen ab. „Wir müssen schauen: Kommen wir zusammen, ja oder nein“, sagte Mehner und ließ durchblicken, dass es bis zu einer Einigung ein weiter Weg ist: „Wir sind noch nicht so ganz zusammengekommen und haben unsere Reibereien.“ (vfi)

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