Die neue Graseckbahn fährt - Zukunft des Kultobjekts ungewiss: Flying Fox „nur Gedankenspiele“

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Modern trifft nostalgisch: Direkt hinter der Talstation der alten Graseckbahn ist die neue, vollautomatische Anlage entstanden. © Thomas Sehr

Für über vier Millionen Euro ist die neue Graseckbahn in Garmisch-Partenkirchen entstanden. Topmodern bringt sie nun Hotelgäste und Touristen nun auf den Berg. Was mit der alten Anlage passiert, ist ungewiss.

Garmisch-Partenkirchen – 1. Januar 2024, gegen 2 Uhr. Die Silvesterparty im Hotel ist vorbei, die Zeit der alten Graseckbahn ebenfalls. Ihre letzten Gäste bringt sie ins Tal. Nach über 70 Jahren stellt die älteste Kleinkabinenbahn der Welt ihren Betrieb ein. Ihre Nachfolgerin übernimmt.

In sechs Monaten Bauzeit entstand nahe der Partnachklamm die neue, hochmoderne Anlage. Derzeit laut Hersteller Doppelmayr deutschlandweit die einzige, die im öffentlichen Betrieb vollautomatisch läuft. Heißt: Kunden lösen ihr Ticket, steigen ein und aus. Alles selbstständig, ohne Schaffner im Tal oder am Berg. Auf dem Weg zum Schneefernerhaus läuft’s ähnlich, nur nutzen dort die Gondel lediglich geschulte Mitarbeiter oder angemeldete Gäste. Hinauf nach Graseck fährt jeder, das Ganze muss selbsterklärend funktionieren. „Die Vollautomatik macht’s komplizierter“, sagt Projektleiter Dominik Knauder von Doppelmayr.

Neue Graseckbahn: Vollautomatisch auf den Berg

Höchste Anforderungen erfüllt die Anlage. Betriebsleiter Bernhard Schrallhammer überwacht sie per Video, kann sofort eingreifen, falls nötig. Zudem sind sein Vize Michael Grehl oder er über ein Notfalltelefon erreichbar, in jeder der beiden Kabinen ist eine Sprecheinrichtung installiert, auf dem Bahnsteig ebenfalls. Zudem verfügen die Mitarbeiter von „Das Graseck“ an der Rezeption über einen Bildschirm, auf dem sie das Geschehen im Blick haben. Sie wurden geschult.

Besonders intensiv haben sich die Besitzer mit der Bahn befasst: Vincens und Sylvia Weingart. 2012 kaufte das Ärzte-Ehepaar das ehemalige Forsthaus Graseck samt Bahn, baute es aufwendig um und eröffnete 2015 das Hotel. In neue Kabinen steckten die beiden um die 80 000 Euro. Doch blieb der Anlage, für die es nicht einmal mehr Ersatzteile gibt, keine Zukunft. Zwischen vier und fünf Millionen Euro investierte das Paar in die neue, etwa 30 Prozent davon bezuschusst der Freistaat.

Bergwacht probt den Ernstfall, Experten prüfen jedes Detail

Bevor sie am 1. Januar in Betrieb ging, haben die Verantwortlichen jede Taste, jede Steuerung, jede Verdrahtung mehrfach überprüft. Bis zu 13 Stunden täglich. Brandschutzexperten inspizierten den Neubau, die Bergwacht probte den Ernstfall. Alles lief bestens. Kurz nach Weihnachten erhielt das Ehepaar die Betriebserlaubnis. Die beiden Kabinen bieten Platz für bis zu acht Personen, sie transportieren Rollstuhlfahrer, Mountainbikes und Kinderwagen sowie Ware und Wäsche des Hotels. Autofahrten über die steile Bergstraße werden massiv reduziert.

Alles mehrfach geprüft: Dr. Vincens Weingart (l.) bedient seine Anlage, Manuel Kessler vom Seilbahnlieferanten Inauen-Schätti schaut genau, ob alle Werte passen.
Alles mehrfach geprüft: Dr. Vincens Weingart (l.) bedient seine Anlage, Manuel Kessler vom Seilbahnlieferanten Inauen-Schätti schaut genau, ob alle Werte passen. © Thomas Sehr

Gerne hätten die beiden ihre Nostalgiebahn, ihr „Kultobjekt“, behalten. Doch es fand sich kein Unternehmen, das sie saniert und mit der Querstütze – als Weltneuheit wurde der „hängende Esel“ bei der Eröffnung 1953 gefeiert – weiter betreibt. Zu einem Neubau blieb keine Alternative, der neben Barrierefreiheit und Komfort langfristig die Betriebssicherheit garantiert. Genauso hätten die Weingarts die alte Talstation gerne umgebaut und als eine Art lebendiges Museum genutzt. Doch der Denkmalschutz spielte nicht mit. Genauso wenig beim Umbau der Bergstation in einen Veranstaltungsraum oder ein zusätzliches Hotelzimmer. Credo: Alles muss bleiben, wie es ist. Die Weingarts befürchten eine Bauruine, hoffen weiter. Es gebe da „so ein paar Ideen“, sagt Vincens Weingart.

Zukunft der alten Graseckbahn: Viele Ideen, Behörden müssen sich erst noch einigen

Ende Januar erlischt die Betriebserlaubnis der alten Bahn. Danach bleiben verschiedene Möglichkeiten. Variante eins: alles unverändert erhalten. Variante zwei: alles zurückbauen. Variante drei: anderweitig nutzen. Vincens Weingart macht ein kleines Rätsel daraus: Was man wohl anfangen könne mit Seilen samt deutlichem Gefälle in einer Umgebung, die eine touristische Attraktion immer gebrauchen könne? Am Ende bleibt eine Antwort: einen Flying Fox bauen.

„Alles nur Gedankenspiele“, betont der Mediziner ausdrücklich. Man sei noch weit weg von irgendwelchen konkreten Planungen, ihn erreichten lediglich Anfragen dazu. Aktuell müssen sich in seinen Augen zunächst zwei Behörden verständigen: die Seilbahnbehörde Oberbayern, die Seile und Querstütze abgebaut haben will, und die Denkmalschutzbehörde, die alles bewahren möchte. „Mal sehen, wie sich beide einigen. Sind ja auch Kosten damit verbunden.“

Die Weingarts konzentrieren sich nun erst einmal ganz auf ihre neue Graseckbahn. Wohl im Frühjahr, wenn auch der Außenbereich fertiggestellt ist, wollen sie sie offiziell einweihen. Vincens Weingart verspricht: „Ein Fest kommt sicher noch.“

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