Repression vor der Russland-Wahl: Putin verschärft Unterdrückung der Opposition

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Fast alle prominenten Gegner des russischen Präsidenten sind gefangen, ins Exil geflüchtet oder tot. Die Verfolgung der Opposition erreicht vor der Russland-Wahl ihren Höhepunkt.

Moskau – Wladimir Putin duldet keinen Widerspruch. Viele prominente Gegner von Putin befinden sich entweder im Exil, im Gefängnis oder sind tot. Vor der Russland-Wahl vom 15 bis 17. März hat die Verfolgung der Oppositionellen in Russland noch einmal zugenommen.

Da ist zum Beispiel Oleg Orlow. Einer der dienstältesten Menschenrechtsaktivisten Russlands wurde Ende Februar vor einem Moskauer Gericht zu Lagerhaft verurteilt. Der 70-Jährige stand wegen Diskreditierung der Armee vor Gericht. Er nutzte die Gelegenheit, um die zunehmende Kontrolle des Staates über sämtliche Lebensbereiche anzuprangern.

Verhaftungen bei Kundgebungen für Nawalny.
Die russische Polizei nahm Hunderte fest, die öffentlich um Nawalny trauerten. Seine Unterstützer müssen nun zum Militär – unfreiwillig. © IMAGO/Andrei Bok / SOPA Images

Vor der Russland-Wahl nimmt die Repression gegen Putin-Kritiker weiter zu

Orlow ist Mitbegründer von Memorial, einer renommierten Menschenrechtsorganisation. Seine Verurteilung ist laut Medienberichten ein Beispiel für die wachsende Repression gegenüber Dissidenten in Russland. Seit dem Einmarsch Russlands in die Ukraine im Jahr 2022 hat sich diese Tendenz verstärkt. „Der Staat kontrolliert in unserem Land wieder nicht nur das soziale, politische und wirtschaftliche Leben, sondern beansprucht nun die volle Kontrolle über die Kultur und das wissenschaftliche Denken und dringt in das Privatleben ein“, sagte Orlow laut CNN nach seiner Verurteilung.

Orlow kam in Haft, nachdem er in einer französischen Online-Zeitung einen Artikel mit dem Titel „Sie wollten den Faschismus, sie haben ihn bekommen“ veröffentlicht hatte. Amnesty International, die weltweit größte Bewegung, die für Menschenrechte eintritt, bezeichnete ihn daraufhin als „gewaltlosen politischen Gefangenen“ und forderte seine Freilassung. Orlow argumentierte in seiner Rede vor Gericht, dass die staatliche Kontrolle über sämtliche Ausdrucksformen ein weiterer Beweis für Russlands Abgleiten in die Dunkelheit sei. Kunst, Literatur und Kultur stehen im Fokus der Behörden.

Oleg Orlow wird mit Handschellen aus dem Gerichtsaal abgeführt.
Oleg Orlow wird mit Handschellen aus dem Gerichtsaal abgeführt, nachdem er zu zweieinhalb Jahren Haft verurteilt wurde. © ALEXANDER NEMENOV / AFP

Kritische Meinungen werden vor der Russland-Wahl zunehmend unterdrückt

Während sich Präsident Wladimir Putin auf eine mögliche fünfte Amtszeit vorbereitet, werden kritische Stimmen in Russland immer seltener. Die Verfolgung der Oppositionellen in Russland um Überblick:

  • Tod im Gefängnis: Nach mehreren Phasen der Einzelhaft in einem Straflager verstarb Alexej Nawalny im Alter von nur 47 Jahren. Der bekannte russische Oppositionsführer galt bis zu seinem Tod als der wichtigste Gegner von Staatschef Wladimir Putin.
  • Ermordet: Boris Nemzow wurde im Februar 2015 auf einer Brücke nur wenige Meter vom Kreml entfernt mit vier Schüssen in den Rücken ermordet. Fünf Tschetschenen wurden verurteilt, ohne dass der Drahtzieher offiziell benannt wurde.
  • Ermordet: Im Oktober 2006 wurde die Journalistin Anna Politkowskaja in ihrem Haus in Moskau erschossen. Sie arbeitete für die unabhängige Zeitung Nowaja Gaseta und hatte jahrelang die Verbrechen der russischen Armee in Tschetschenien dokumentiert.
  • Hinter Gittern: Wladimir Kara-Mursa wurde im April 2023 von einem Gericht hinter verschlossenen Türen zu 25 Jahren Haft verurteilt, weil er „falsche Informationen“ über das russische Militär verbreitet habe. Er verbüßt seine Strafe in Sibirien.
  • Hinter Gittern: Achteinhalb Jahre Gefängnis lautete das Urteil gegen den Politiker Ilja Jaschin im April. Er hatte die „Ermordung von Zivilisten“ in der ukrainischen Stadt Butscha angeprangert.
  • Hinter Gittern: Xenia Fadejewa, ehemalige Abgeordnete und Verbündete Nawalnys, musste Ende 2023 eine neunjährige Haftstrafe antreten. Die Behörden werfen der 31-Jährigen vor, eine „extremistische Organisation“ gegründet zu haben. Mit derselben Begründung wurde Lilia Tschanyschewa, die erste Mitarbeiterin Nawalnys, im Juni 2023 zu siebeneinhalb Jahren Haft verurteilt.
  • Im Exil: Viele Oppositionelle leben inzwischen im Ausland, wie der einstige Schachweltmeister Garry Kasparow. Als der Oppositionelle und ehemalige Ölmagnat Michail Chodorkowski nach zehn Jahren im Gefängnis 2013 freikam, floh er nach London, von wo aus er oppositionelle Plattformen finanziert.

Eine weitere Methode, Kritiker zum Schweigen zu bringen, ist, sie als „ausländische Agenten“ einzustufen. Hunderte von Menschenrechtsaktivisten, Oppositionellen und Journalisten wurden mit diesem Etikett belegt, unter ihnen Ex-Regierungschef Michail Kassjanow und der Chefredakteur der Nowaja Gaseta, Dmitri Muratow. Auch Organisationen wie Memorial oder das Sacharow-Zentrum wurden wegen Verstoßes gegen das Gesetz über „ausländische Agenten“ aufgelöst.

Die Diskreditierung der Armee ist dabei nur eine von mehreren neuen Straftaten, die seit dem Einmarsch in die Ukraine in das russische Strafgesetzbuch aufgenommen wurden. (jek/afp)

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