Lindner soll im Koalitionsausschuss Neuwahlen vorgeschlagen haben. Wie geht es nach dem Ampel-Bruch weiter? Von Minderheitsregierung bis Neuwahlen ist alles möglich.
Berlin – Am heutigen Abend wird sich die Zukunft der Ampel-Koalition entscheiden. Nach mehreren Treffen zur Beilegung ihrer weitreichenden Differenzen im kleinen Kreis beraten Top-Vertreter der Ampel seit 18 Uhr als Koalitionsausschuss. Diesem gehören neben dem Kanzler, Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) und Finanzminister Christian Lindner (FDP) weitere Minister sowie die Spitzen der Ampel-Fraktionen und -Parteien an.
Gastgeber der Gespräche im Kanzleramt ist Olaf Scholz (SPD). Die Stimmung sei „ernst und durchaus angespannt“, hieß es laut dpa von einem der Koalitionspartner. Das Ampel-Treffen heute soll Klarheit über die politische Zukunft Deutschlands bringen. Denn die Koalition von Scholz, Habeck und Lindner ist in Fragen der Wirtschafts- und Finanzpolitik tief zerstritten. Der Finanzminister soll dem Kanzler am Abend bereits Neuwahlen vorgeschlagen haben, berichtet die Bild-Zeitung. Jedoch habe Scholz abgelehnt, hieß es am Abend in einem Bericht von Table.Media. Am Ende stand dann die Entlassung von Lindner, die der Kanzler auf einer Pressekonferenz mit den Worten erklärte, dass der FDP-Chef zu oft „parteipolitisch taktiert zu haben“. Den FDP-Chef bezeichnet er als „kleinkariert“. Die FDP habe zu oft sein „Vertrauen gebrochen“, so Scholz weiter.
Krisen-Treffen zur Ampel-Zukunft: Lindner kokettierte mit Neuwahlen und Koalition-Bruch
Finanzminister Lindner hat in den vergangenen Monaten durch mehrere Alleingänge den möglichen Bruch der Ampel provoziert. Zuletzt veröffentlichte er unabgesprochen ein Papier zur liberalen „Wirtschaftswende“. Lindner macht damit das Ende der Ampel noch einmal wahrscheinlicher, da er in seiner Wirtschaftsvision sozial- und klimapolitische Positionen der Ampel-Koalitionspartner Grüne und SPD komplett ignoriert. Lindner Papier sieht unter anderem Kürzungen beim Bürgergeld, Steuersenkungen für Unternehmen und Lockerungen der Klimavorgaben vor.
Eine Einigung der Ampel-Koalitionspartner scheint aus aktueller Sicht schwierig. Doch was gibt es für Möglichkeiten, sollten SPD, Grüne und FDP keine gemeinsame Lösung finden? Eine Option ist, dass die FDP aus der Koalition aussteigt beziehungsweise Kanzler Scholz die FDP-Minister entlässt. In diesem Fall stünden SPD und Grüne vor der Frage, wie sie ohne eine Mehrheit im Parlament regieren können.
Minderheitsregierung nach Ampel-Aus? SPD und Grüne mit wenig Rückhalt im Parlament
Aufgrund der aktuell bundesweit eher feindlichen Stimmung gegen die politischen Ideen von SPD und Grünen wäre eine Minderheitsregierung wenig handlungsfähig, sollte das Ampel-Aus tatsächlich Realität werden. „Eine Minderheitsregierung anzuführen, wird sehr schwer sein, da die übrigen Parlamentsparteien nicht bereit sein werden, dieser Regierung zu Mehrheiten zu verhelfen“, sagt Stefan Marschall, Politikprofessor an der Universität Düsseldorf gegenüber Focus.
Vor allem in Bezug auf die Milliardenlücke im Haushalt 2025 wäre eine Einigung mit einer Minderheitsregierung extrem kompliziert. Die Union drängt bereits auf Neuwahlen und würde sich wohl wenig kooperativ zeigen, SPD und Grünen zu Mehrheiten im Parlament zu verhelfen.
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Vertrauensfrage von Kanzler Scholz und Neuwahlen nach Ampel-Ende
Das wahrscheinlichere Szenario nach einem Ampel-Ende wären also Neuwahlen. Laut Politikwissenschaftler Marshall würde eine solche Neuwahl allerdings erst in einigen Monaten stattfinden: „Der Kanzler kann die Vertrauensfrage stellen, der Bundestag kann darüber frühestens 48 Stunden nach Einreichung des Antrags entscheiden. Lehnt der Bundestag den Antrag ab und der Bundeskanzler beantragt die Auflösung des Parlaments beim Bundespräsidenten, hat dieser 21 Tage Zeit, den Bundestag aufzulösen und Neuwahlen anzuberaumen.“
In Deutschland spricht man von einer Vertrauensfrage im Sinne von Art. 68 Grundgesetz (GG), wenn der Bundeskanzler beim Bundestag den Antrag stellt, ihm das Vertrauen auszusprechen. Sollte die FDP tatsächlich aus der Koalition aussteigen, ist dies das wahrscheinlichste Szenario und Kanzler Scholz würde die Vertrauensfrage wohl noch vor Weihnachten stellen. Im politischen Berlin kursiert nach Focus-Informationen mit dem 9. März 2025 bereits ein Datum für eine mögliche Neuwahl. Das wäre rund ein halbes Jahr vor der eigentlichen Bundestagswahl, die für den 28. September 2025 angesetzt ist. (lm/dpa)