Neuwahlen statt Ampel-Koalition: Wäre das wirklich möglich?
Mitten in der Haushaltkrise und den Debatten über die Schuldenbremse fordert Markus Söder Neuwahlen. Ein Politikwissenschaftler erklärt, was hinter dieser Forderung steckt.
Berlin – Kaum ist Markus Söder in Berlin für ein Treffen mit seinen Unions-Kollegen, schon hat er eine Botschaft an die Bundesregierung: „Das ganze Konstrukt Ampel funktioniert nicht“, erklärt der CSU-Chef auf dem Nachrichtendienst X (ehemals Twitter). Die innere Substanz der Ampelparteien löst sich auf, die Fliehkräfte in der Koalition sind groß und Deutschland befindet sich in einer Staatskrise, findet Söder. Klare Worte am Montag als Antwort auf die Haushaltskrise.
Doch dahinter steckt keine reine Regierungskritik, sondern auch ein Werben für die eigenen politischen Köpfe. Denn die zweite Botschaft, die Markus Söder mitgebracht hat, ist: Die Union steht bereit – und zwar nicht als Opposition, sondern als Regierungspartei. Er glaubt nicht daran, dass die Ampel noch die Kraft hat, Probleme zu bewältigen und „der Kanzler ignoriert und verschweigt sie“, sagt Söder.
Deswegen soll die Ampel-Regierung die Vertrauensfrage stellen, „nicht im Parlament, sondern vor dem deutschen Volk“. Heißt: Neuwahlen und zwar am besten parallel zur Europawahl am 9. Juni 2024, wie Söder rät.

Politikwissenschaftler: Nur Scholz kann die Vertrauensfrage stellen
Doch ist eine solche Forderung überhaupt realistisch? „Zu Neuwahlen kann es nur kommen, wenn Bundeskanzler Olaf Scholz im Bundestag die Vertrauensfrage stellt, diese verliert und den Bundespräsidenten bittet, den Bundestag aufzulösen“, erklärt Professor Jürgen Falter, Politikwissenschaftler der Johannes Gutenberg-Universität Mainz Ippen.Media. Falls keine andere Person mit der absoluten Mehrheit im Bundestag zum Kanzler gewählt wird, kann der Bundestag daraufhin Neuwahlen ansetzen.
Das heißt: Neuwahlen hat die Ampel nur selbst in der Hand. Und dieses Szenario ist laut Falter momentan „sehr unwahrscheinlich, da es eine fast sichere Wahlniederlage für die Koalitionsparteien bedeuten würde“. Laut dem RTL/ntv Trendbarometer von letzter Woche würde die Ampel-Koalition nämlich momentan nur noch auf gemeinsame 34 Prozent kommen. Die FDP liegt aktuell nur noch bei fünf Prozent. Insofern müsste die FDP „am meisten von den drei Koalitionsparteien Neuwahlen scheuen“, sagt Falter.
Union momentan auf Platz eins in den Umfragen – Forderung nach Neuwahlen
Platz eins aber nimmt die Union ein – mit 30 Prozent. Doch das hilft ihr momentan nur wenig, denn mit Anträgen oder anderen politischen Werkzeugen kann die Opposition im Bundestag keine Neuwahlen ansetzen. Söders Forderungen sind also „eher als Instrument im politischen Meinungskampf zu interpretieren“, sagt Falter. Was aber nicht heiße, „dass Neuwahlen vielleicht tatsächlich der beste Weg zu einer stabileren, handlungsfähigeren Regierungskoalition bedeuten könnten“.
Dass die Union mitregiert, wäre theoretisch auch ohne Neuwahlen möglich, „wenn die Union sich damit zufriedengäbe, als Juniorpartner unter einem Bundeskanzler Olaf Scholz Grüne und FDP als Koalitionspartner der SPD zu ersetzen“, erklärt der Politikwissenschaftler Falter. Dafür müssten aber auch Scholz und seine SPD zustimmen.
Auch Söder hält eine Neuauflage der großen Koalition mit der SPD für denkbar. Aber wohl eher mit einem Unions-Kanzler. Dem bayerischen Schreckgespenst Schwarz-Grün erteilt er in alter Routine eine Absage. Schwarz-Grün hält Söder lediglich für „ein gutes Modell für schöne Zeiten“, aber eben nicht für jene schwere Zeiten. Und auch die FDP wird von Söder abgewatscht. Zumindest glaubt der CSU-Chef nicht mehr daran, „dass die FDP noch in der Lage ist, dauerhaft ein stabiler Regierungspartner zu sein“.
FDP ruft Söder zur „staatspolitischen Verantwortung“ in Bayern auf
Aus der FDP kommt Lob zusammen mit Kritik für Söder. Derzeit sei Markus Söder noch derjenige in der Unions-Familie, der zur Schuldenbremse stehe, allerdings könnte sich „sein Meinungs-Barometer auch sehr schnell ändern“, sagt der Fraktionsvorsitzende Christian Dürr. Es fällt ihm etwas schwer, die bundespolitischen „Zwischenrufe“ von Söder „wirklich ernst zu nehmen“, erklärt Dürr. „Denn jetzt geht es darum, staatspolitische Verantwortung zu übernehmen – auch für den bayerischen Haushalt“.