Inflation steigt auf 65 Prozent: Wie Erdogans Kein-Zins-Politik die Türkei ruiniert
In der Türkei stiegen die Verbraucherpreise zuletzt wieder kräftig – Tendenz weiter steigend. Einen großen Anteil an der Inflationsmisere hat der Präsident.
München – Die Türkei kämpft seit Langem mit einem massiven Inflationsproblem. Nachdem die Teuerungsrate im Oktober 2022 den 24-Jahres-Höchstwert von 85 Prozent erreicht hatte, fiel sie im Verlauf des vergangenen Jahres auf unter 40 Prozent. Doch seit dem Sommer verstärkte sie sich wieder, auch wegen verschiedener Steuererhöhungen. Ende 2023 lag sie im Jahresvergleich bei fast 65 Prozent – Tendenz weiter steigend. Experten erwarten eine neue Inflationswelle.
Inflation in der Türkei steigt wieder kräftig an
Betroffen von der Teuerung waren dem türkischen Statistikamt zufolge vor allem Lebensmittel (plus 72 Prozent), die Bereiche Verkehr (77,1 Prozent), Gesundheit (79,6 Prozent) und Bildung (82 Prozent). In der Gastronomie verdoppelten sich die Preise im Dezember im Jahresvergleich fast. Inoffizielle Schätzungen von Experten gehen allerdings von einer deutlich höheren Teuerung als offiziell gemeldet aus.

Als Grund für die Inflation wird die unerwartet kräftige Anhebung des Mindestlohns angesehen. Arbeitsminister Vedat Isikhan hatte angekündigt, dass der monatliche Mindestlohn 2024 auf umgerechnet 519 Euro angehoben wird. Das entspricht einer Erhöhung um 49 Prozent im Vergleich zu dem im Juli festgelegten Niveau.
Ökonom erwartet „erhebliche Auswirkung“ auf Verbraucherpreise durch Mindestlohn-Anhebung
Nimmt man als Vergleichsmonat den Januar 2023, verdoppelt sich der Mindestlohn sogar. Die neuerliche Erhöhung werde sich „erheblich auf die Inflation auswirken“, sagte ein Ökonom, der anonym bleiben wollte, der Nachrichtenagentur Reuters. Die Inflationsrate könnte im ersten Halbjahr 2024 rund 70 Prozent erreichen.
In der Türkei wird der Mindestlohn normalerweise nur einmal jährlich verändert. Doch vor zwei Jahren änderte die Regierung um Präsident Recep Tayyip Erdogan die Gewohnheit. Wegen der hohen Inflation und der Schwäche der Landeswährung Lira – allein im vergangenen Jahr wertete sie um 37 Prozent zum Dollar ab – wurde der Mindestlohn fortan alle sechs Monate angepasst.
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Erdogan heizte Inflation in der Türkei durch „Kein-Zins-Politik“ an
Dies wiederum wirkt sich negativ auf die Verbraucherpreise aus. „Die Preise werden um mindestens 25 bis 30 Prozent steigen“, sagte der Vorsitzende des türkischen Verbands der Schuhhersteller, Berke Icten, Reuters. Zwar werden Arbeitgeber von der Regierung unterstützt, um die Folgen der höheren Lohnkosten abzumildern, doch wie üblich werden Kosten an die Verbraucher und Verbraucherinnen weitergegeben. Icten zufolge werden die Einzelhandelspreise steigen.

Dass die Inflation in der Türkei überhaupt derartige Sphären erreicht, ist auch der Politik Erdogans geschuldet. Lange drückte er entgegen Empfehlungen von Ökonomen bei der nur formal unabhängigen Notenbank niedrige Leitzinsen durch, obwohl die Inflation bereits anstieg. Wer den Weg nicht mitgehen wollte, wurde entlassen.
Erdogan zieht nach Wiederwahl die Zins-Zügel plötzlich an
Erst nach seiner Wiederwahl Mitte vergangenen Jahres rückte Erdogan von seiner „Kein-Zins-Politik“ ab. Nachdem er die ehemalige Wall-Street-Bankerin Hafize Gaye Erkan, die sich die hohen Mieten in Istanbul nicht leisten kann, zur Zentralbankchefin und den liberalen Ökonomen Mehmet Simsek zum Finanzminister ernannt hatte, änderte sich der geldpolitische Kurs: Die Leitzinsen wurden in mehreren Schritten erhöht, inzwischen liegt der Satz bei 42,5 Prozent.
Die Zentralbank wolle den „Zyklus“ der Zinserhöhungen zwar so bald wie möglich beenden, hieß es dazu Ende Dezember. Die strenge Geldpolitik werde aber solange aufrechterhalten, bis Preisstabilität gewährleistet sei. Zinserhöhungen entfalten ihre volle Wirkung spätestens nach 18 Monaten. Bis dahin müssen die Türken die hohen Verbraucherpreise ertragen. (mt)