Erdogan vor großer Herausforderung: Massive Inflation - „Kontrolle über Lira aufgegeben“

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Die Preissteigerungen in der Türkei fallen weiterhin massiv aus, die Lira stürzt ab. Eine Besserung ist so schnell nicht in Sicht.

Istanbul – Die Türkei kämpft weiter mit einer hohen Inflation und deren Folgen. Die türkischen Verbraucherpreise haben sich im Januar um durchschnittlich fast 65 Prozent im Vergleich zum Vorjahresmonat, wie das Statistikamt am Montag mitteilte. Allein von Dezember auf Januar zogen die Preise um 6,7 Prozent an – mehr als doppelt so stark wie im Dezember. Besonders in den Bereichen Gesundheitswesen, Hotels und Restaurants wurden die Verbraucher stärker zur Kasse gebeten.

Massive Inflation in der Türkei - Rücktritt der Zentralbankchefin

Die Daten kommen nach dem überraschenden Rücktritt der Zentralbankchefin Hafize Gaye Erkan vergangene Woche. Sie hatte die Zinssätze seit vergangenen Juni aggressiv von 8,5 auf aktuell 45 Prozent angehoben, um die Inflation zu dämpfen. Es wird erwartet, dass ihr Nachfolger Fatih Karahan die restriktive Politik fortsetzen wird. „Wir werden die Inflationserwartungen und die Preisentwicklung im Auge behalten“, sagte Karahan am Sonntag. „Wir sind bereit zu handeln, falls sich die Inflationsaussichten verschlechtern.“

Der einflussreiche türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan, ein erklärter Gegner von Zinsen, hatte den bisherigen Vizegouverneur am Freitag auf den Chefposten gehievt. Amtsinhaberin Erkan war zuvor nach weniger als acht Monaten überraschend zurückgetreten. Die frühere Finanzmanagerin nannte persönliche Gründe für ihren Rücktritt. Sie sei Ziel einer Rufschädigungskampagne geworden.

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Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan hat den Mindestlohn angehoben - und so die Inflation weiter befeuert. (Archivbild) © Marton Monus/dpa

Mindestlohnanhebung befeuert Inflation

Als Grund für die steigenden Inflationsraten trotz Bemühungen der Zentralbank nennen Experten die unerwartet kräftige Anhebung des Mindestlohns zu Jahresbeginn – ein Wahlgeschenk von Erdogan. Arbeitsminister Vedat Isikhan hatte verkündet, dass der monatliche Mindestlohn auf 17.002 Lira (516 Euro) steigen wird. Das entspricht einer Erhöhung um 49 Prozent im Vergleich zu dem im Juli festgelegten Niveau. Gemessen am Januar 2023 ist es sogar eine Verdoppelung. Etwa sieben Millionen Türken werden von der höheren Lohnuntergrenze profitieren.

Das Problem: So hohe Lohnzuwächse machen es unwahrscheinlich, dass die Inflation bald zurückgeht. Zudem gibt es Zweifel an den Zahlen des Statistikamts, berichtet das Handelsblatt. So habe die Handelskammer Istanbul einen Index zu den Konsumentenpreisen in der Stadt veröffentlicht, bei dem die Verbraucherpreise in Istanbul seit einiger Zeit stärker steigen, als die offiziell veröffentlichte Inflationsrate vermuten lässt.

die türkische Zentralbank die Kontrolle über die Lira aufgegeben hat.“ 

Gleichzeitig leidet die türkische Währung – die Lira ist auf ein neues Rekordtief abgestürzt. 30 Lira kommen nun auf einen Dollar. Dabei waren es im Herbst 2021 noch weniger als zehn Lira, berichtet die Zeitung. Damit hat die Lira seitdem zwei Drittel an Wert verloren. Durch diese Entwicklung verteuern sich Einfuhren aus dem Ausland für die türkische Bevölkerung und Unternehmen beträchtlich, für Urlauber aus dem Ausland wird die Türkeireise dagegen billiger.

Thomas Gillet, Analyst der Ratingagentur Scope, warnt im Handelsblatt, dass die finanziellen Risiken hoch bleiben, wenn es keine Fortschritte im Kampf gegen die Inflation gebe. Er sagt der Zeitung: „Dies liegt auch daran, dass die türkische Zentralbank die Kontrolle über die Lira aufgegeben hat.“ Sie bemühe sich nicht darum, den Wechselkurs auf einem bestimmten Niveau zu halten.

Mit Material von Reuters

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