Festwoche: Oberbürgermeister Thomas Kiechle mahnt mehr Eigenverantwortung für die Demokratie an

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Oberbürgermeister Thomas Kiechle erinnerte in seiner Eröffnungsrede zur 73. Allgäuer Festwoche daran, dass es bei der Bewahrung der Demokratie auf jeden einzelnen ankomme. © Lüderitz

Oberbürgermeister Thomas Kiechle erinnerte in seiner Eröffnungsrede im Kemptener Stadttheater daran, dass es Demokratie nicht zum Nulltarif gebe.

Kempten – 75 Jahre – so alt ist nicht nur das Grundgesetz, sondern auch die Allgäuer Festwoche. Oberbürgermeister Thomas Kiechle erinnerte daher in seiner Rede im Kemptener Stadttheater zur Eröffnung der Allgäuer Festwoche daran, dass es Demokratie nicht zum Nulltarif gebe: „Unsere Gesellschaft braucht Eigeninitiative und Eigenverantwortung.“

Im Mai 1949 sei das Grundgesetz verabschiedet worden, und nur drei Monate später fand bereits die erste Allgäuer Festwoche statt. Das Doppeljubiläum sei also gleich ein mehrfacher Grund zum Feiern. Kiechles Worte „Wirklich nur zum Feiern?“, stimmten nachdenklich.

OB Thomas Kiechle erinnerte in seiner Rede zur Eröffnung der Allgäuer Festwoche an Alfred Kranzfelder

Er erinnerte daran, dass auf den Tag genau vor 80 Jahren, am 10. August 1944, der Kemptener Widerstandskämpfer Alfred Kranzfelder in Berlin Plötzensee hingerichtet wurde. Kranzfelder war mit Claus Schenk Graf von Stauffenberg am Hitler-Attentat vom 20. Juli 1944 beteiligt.

Sogar bis zum Korvettenkapitän hatte er es in seiner außergewöhnlichen Karriere gebracht: „Nicht gerade der typische Lebensweg eines gestandenen Allgäuers“, bemerkte Kiechle augenzwinkernd. Dennoch sei Kranzfelder unbeirrbar seinen Weg gegangen. „Und er war bereit, gegen Tyrannei und für Freiheit, Frieden und Demokratie einzutreten.“

Wie auch Kiechle, hatte Kranzfelder das altsprachliche Carl-von-Linde-Gymnasium besucht. In seinem Reifezeugnis wurde er insbesondere für den gehaltvollen Deutschaufsatz gewürdigt: „Von klarer Auffassung und sprachlicher Gewandtheit“ sei dieser gewesen, hieß es darin anerkennend. Er habe also mit Sicherheit gewusst, konstatierte Kiechle, welches Risiko er einging, als er sich dem Widerstand angeschlossen habe.

Demokratie: Es kommt auf jeden Einzelnen an

„Kranzfelder hat Verantwortung übernommen, er hat die Initiative ergriffen, er hat getan, was er für richtig hielt“, fuhr Kiechle fort. „Daran sollten wir immer denken, dass es die Verantwortung jedes einzelnen von uns ist, was aus unserer Demokratie wird. Dass es auf uns alle ankommt.“

„Aber Haltung müssen wir zeigen, Eigeninitiative, Eigenverantwortung. Demokratie, Freiheit und Gerechtigkeit gibt es nicht zum Nulltarif. Dafür müssen wir alle eintreten, jeder auf seine Weise. Das verstehe ich unter ‚Wehrhafter Demokratie‘!“ Für diese Worte erntete Kiechle tosenden Applaus von allen anwesenden Gästen.

Allgäuer Renitenz, Bodenständigkeit, Traditionen

Im Anschluss rückte der Oberbürgermeister die Allgäuer Tradition in den Mittelpunkt seiner Rede. Ausgehend von der „bayerischen Aufmüpfigkeit“ bei der Annahme des Grundgesetzes 1949 – nur der Bayerische Landtag hatte damals gegen die neue Verfassung gestimmt und erst später deren Verbindlichkeit akzeptiert – bemerkte Kiechle, dass diese Renitenz gegenüber der Obrigkeit auch einen guten Teil der Allgäuer Identität ausmache. Dazu hätten aber auch Bodenständigkeit, Traditionen und das hart erarbeitete tägliche Brot das Allgäu und die Allgäuer über Jahrhunderte geprägt.

Im Allgäu sind heute Landwirtschaft, Tourismus und moderne Industrie gleichermaßen präsent. „Die Ursprünge für alle drei Wirtschaftsbereiche aber liegen in der jahrhundertealten Allgäuer Lebensart“, betonte er weiter. Unternehmerischer Mut, Durchhaltevermögen, Erfindungsreichtum – all das zeichne das Allgäu aus. All das könne und müsse miteinander in Einklang gebracht werden. „Erst dann ergibt sich daraus die unverwechselbare Allgäuer Wesensart, die uns zu der starken Region macht, die wir heute sind.“

Zuversicht trotz schwieriger Haushaltslage

Einen Wermutstropfen enthielt Kiechles Rede dann auch noch: die schwierige Haushaltslage. Viele Kommunen seien enorm unter Druck, in Kempten stehe man bei den Finanzen vergleichsweise gut da. „Ab dem kommenden Jahr sind die Reserven aber trotz vorausschauenden Wirtschaftens aufgebraucht und wir können nur noch mithilfe von Krediten arbeiten.“ Und auch die Gestaltungshoheit stehe auf dem Spiel: Wenn es im Herbst nicht gelingt, einen genehmigungsfreien Haushalt zu verabschieden, übernehme möglicherweise die Regierung von Schwaben das Ruder.

Abschließend sagte Kiechle, die eigenen Werte mit dem Mut zum Wandel zu verbinden, sei Teil der Allgäuer Lebensart. „Und daher sind wir den Herausforderungen auch gemeinsam gewachsen. Darum blicke ich zuversichtlich nach vorne, auch mit Blick auf Europa.“

Von der zauberhaften Stimmung beim Lichterfest auf dem Hildegardplatz lesen Sie hier.

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