Merz konfrontiert Söder bei Weißwurstfrühstück mit Wahldebakel – und erinnert an Abmachung

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Die Union will Zusammenhalt demonstrieren. Für einen Auftritt der Parteispitzen wird eine Schützenhalle im Sauerland zum bayerischen Bierzelt. Sticheleien gibt es trotzdem.

Brilon – Das Verhältnis zwischen CDU-Kanzlerkandidat Friedrich Merz und CSU-Chef Markus Söder ist komplex: Auf der einen Seite betonen Sie immer wieder ihren Zusammenhalt, auf der anderen Seite gibt es Differenzen. Erst bei dem gemeinsamen Wahlkampf-Frühschoppen mit Weißwurst-Verköstigung im Sauerland am Sonntag (19. Januar) verteilte Merz einen Seitenhieb gegen Söder.

Rückblick: Merz spielt auf Desaster bei der Bundestagswahl 2021 an

Gleich zu Beginn seiner Rede, kam der CDU-Chef auf den Ausgang der Bundestagswahl 2021 zu sprechen. Kein guter Wahlkampf für die Union. Man sei aus dem Kanzleramt geflogen, weil man „nicht mehr gut genug gewesen“ sei, sagt Merz auf der Bühne. Mit 24 Prozent erzielte die Union vor gut drei Jahren ihr schlechtestes Ergebnis bei Bundestagswahlen, Armin Laschet war damals der Kanzlerkandidat von CDU und CSU.

Weißwurstfrühstück Merz und Söder
Weißbier und Blasmusik: Beim Besuch des bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder im Sauerland bei Friedrich Merz geht's zünftig zu. © Oliver Berg/dpa

Was Merz nicht sagt, aber trotzdem alle wissen, ist, dass Söder an dem Debakel nicht ganz unschuldig war. Merz erzählt, dass sich Söder und er später am Kirchsee in Bayern zum Gespräch getroffen hätten. „Wir haben verabredet, dass wir uns weder von innen noch von außen auseinanderdividieren lassen“, sagt Merz. Eine Erinnerung, die Interpretationsspielraum lässt. Es klingt, als zweifle der CDU-Parteichef an der Loyalität Söders.

Merz‘ Unsicherheit ist nicht unbegründet. Denn der Kanzlerkandidat braucht Söder gerade mehr als umgekehrt. Vor allem für die Wähler der Christsozialen. Die CSU liegt in Umfragen zurzeit bei 42 Prozent, bei der Bundestagswahl 2021 holte sie nur knapp 32. Die Union kommt bundesweit aktuell auf um die 30 Prozent, zu wenig für den eigenen Anspruch, wie Merz selbst sagt.

Auftritt im Sauerland: Söder stärkt Merz demonstrativ den Rücken

Söder dagegen wird nicht müde zu betonen, dass er voll hinter dem Unionskandidaten stehe: „Das sage ich aus tiefer Überzeugung: Ich will, dass Friedrich Merz der nächste Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland wird“, ruft er den Gästen zu. Nur Merz stehe für den nötigen Wandel in der Migrations-, Wirtschafts- und Außenpolitik. Nur er könne gewährleisten, den Wohlstand und damit die Demokratie zu sichern. 

Die Bierzeltrede das ist erkennbar Söders Disziplin: Er kalauert („Ein Leben ohne Bratwürste ist möglich, aber doch nicht wirklich sinnvoll“), schmeichelt dem Publikum („In jeder Kleinstadt in Deutschland steckt mehr Verstand als im gesamten Berliner Regierungsviertel“) und holt aus zu der ein oder anderen Attacke gegen den politischen Gegner – immer wieder genussvoll gegen den grünen Wirtschaftsminister Robert Habeck („Der kann es einfach nicht“). 

Die 1.300 Gäste konnten wählen zwischen Weißbier nach bayerischer Brautradition oder einem Pils aus der Region. Die Begrüßung sei „angemessen“, wird Söder wenig später in seiner Rede augenzwinkernd anmerken. Sticheleien gab es diesmal keine vom CSU-Chef.

„Wir lassen uns weder von innen noch von außen auseinanderdividieren“, betont auch Merz die schon bei seinen Besuchen in Söders Heimat vereinbarte Zusammenarbeit mit dem CSU-Chef. „Wir wissen, welchen Auftrag wir haben. Und dieser Auftrag geht weit über uns selbst, über unsere Parteien hinaus“, sagt er in betont staatsmännischen Sound nach Söders Bierzeltrede.

Söder: Grüne in die Opposition – „wenn es irgendwie geht“

Und was ist mit dem Dissens in der Frage, ob die Grünen zum Koalitionspartner werden können? Statt dies kategorisch auszuschließen wie zuvor, schießen Söder und Merz beide scharfzüngige Pfeile gegen Kanzler Olaf Scholz (SPD) und Habeck. In der Koalitionsfrage ist Söders Festlegung aber an diesem Tag im schwarz-grün regierten Nordrhein-Westfalen zumindest kein kategorisches Nein mehr: „Wenn es irgendwie geht, sollen die Grünen in die Opposition.“

Teilnehmer sitzen beim Weißwurstessen in der Schützenhalle in Brilon.. Unions-Kanzlerkandidat F. Merz und CSU-Chef M. Söder treffen sich
Teilnehmer sitzen beim Weißwurstessen in der Schützenhalle in Brilon. Unions-Kanzlerkandidat F. Merz und CSU-Chef M. Söder treffen sich und wollen beim Weißwurstfrühstück - einer alten bayerischen Tradition - miteinander reden. © Oliver Berg/dpa

Mit vielen Stimmen für die Union will er stattdessen „verhindern, dass es am Ende wieder so wischiwaschi-labberige Koalitionen gibt“. Es ist der Dreh, den Merz immer wieder in Brilon stark macht: Wer einen Kurswechsel in der Wirtschafts-, Außen- und Innenpolitik wolle, der müsse die CDU/CSU-Fraktion im Bund so stärken, „dass sich alle anderen nach uns richten müssen“.

Merz wiederholt klare Absage an die AfD: „Wäre der Abstieg für Deutschland“

Applaus erntet Merz für seine erneute unmissverständliche Absage an die AfD: „Eine Partei, die uns herausführen will aus dem Euro, ist nicht die Alternative für Deutschland. Eine solche Partei wäre der Abstieg für Deutschland“ - eine Zusammenarbeit sei unter seiner Führung ausgeschlossen. 

Kurz vor der Amtseinführung Donald Trumps als US-Präsident fordert er zudem eine Rückbesinnung Deutschlands und Europas auf gemeinsame Stärke: „Die (Amerikaner) werden uns nur ernst nehmen, wenn wir zusammen mit anderen Europäern unsere Interessen genauso klar und deutlich vertreten, wie die Amerikaner ihre Interessen vertreten.“ 

Als nach gut eineinhalb Stunden Redezeit der Spitzenpolitiker die Würste gezuzelt und Biergläser geleert sind, gab es reichlich Applaus aus dem Publikum für so demonstrativen Zusammenhalt. Zum Abschied darf Söder einen Fresskorb mit in die bayerische Heimat nehmen – mit Sauerländer Spezialitäten, versteht sich (bg/dpa).

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