„Chance im Amtsantritt“: Wie Trump im Ukraine-Krieg für einen Waffenstillstand sorgen kann
Donald Trump wird jetzt wieder offiziell US-Präsident. Das stellt die Welt vor Herausforderungen. Beim Ukraine-Krieg könnte er für eine Überraschung sorgen.
Der Chef der Münchner Sicherheitskonferenz, Christoph Heusgen, mahnt angesichts des Amtsantritts von Donald Trump zu mehr Geschlossenheit in der EU. Er warnt auch vor der russischen Bedrohung über den Ukraine-Krieg hinaus und fordert mehr Ehrlichkeit der Parteien im deutschen Wahlkampf über die notwendige Erhöhung der Verteidigungsausgaben. Mehr als 450 Regierungschefs und hochrangige Vertreter debattieren vom 14. bis 16. Februar im Bayrischen Hof in München über die wichtigsten Fragen der internationalen Sicherheitspolitik.
Am Montag bekommen die USA ihren neuen alten Präsidenten Trump. Was bedeutet das für die transatlantischen Beziehungen?
Wir hören jeden Tag neue Forderungen. Das System Trump funktioniert so, dass er etwas in den Raum wirft und schaut, wie die andere Seite reagiert – wie ein Unternehmer, der ein Geschäft machen will. Ich kann der Gegenseite nur zur Gelassenheit raten. Gleichzeitig sehe ich eine dringende Aufforderung an uns Europäer zu Geschlossenheit. Das funktioniert in der Handelspolitik seit vielen Jahren. Jetzt müssen wir zwingend auch in der Außen- und Sicherheitspolitik mit einer Stimme sprechen.
Auch wegen Trump kommt scheinbar Bewegung in den Ukraine-Krieg, viele – nicht zuletzt die Ukrainer selbst - erhoffen sich mehr Dynamik durch seine Verhandlungstaktik. Gibt es eine Chance auf einen dauerhaften Waffenstillstand?
Wir hoffen alle inständig, dass es zu einem Ende des Leidens der Menschen kommt, die jeden Tag dem unsinnigen barbarischen Angriffskrieg Russlands zum Opfer fallen. Ich sehe in der Tat eine Chance im Amtsantritt Trumps, der innerhalb kürzester Zeit eine Lösung angekündigt hat. Aber gegenüber Putin muss man aus einer Position der Stärke operieren. Auch bei möglichen Verhandlungen muss klar sein: Putin darf sich nicht eingeladen fühlen, jederzeit wieder einen neuen Krieg anzufangen.
„Chance im Amtsantritt“: Trump könnte im Ukraine-Krieg für einen Waffenstillstand sorgen
Trump ist Deal Maker – aber hat Putin ein Interesse daran, darauf einzugehen oder geht es ihm nicht vielmehr darum die alten Grenzen der Sowjetunion wiederherzustellen?
Das sagt Putin ja selbst öffentlich. Der Zerfall der Sowjetunion war für ihn die größte Katastrophe des 20. Jahrhunderts und er will zurück zu den ehemaligen Grenzen der Sowjetunion und des Zarenreiches. Wir sollten ihn beim Wort nehmen. Die Phase unter Gorbatschow und Jelzin, als man Russland trauen konnte, ist endgültig zu Ende. Es geht Putin nicht um Kooperation, sondern um Konfrontation.
„Erleben jeden Tag Beispiele der hybriden Kriegsführung Russlands gegen uns“
Also müssen wir uns auf weitere Angriffe einstellen?
Wir sehen das aggressive Handeln Russlands nicht nur gegenüber der Ukraine. Wir erleben beinahe jeden Tag Beispiele der hybriden Kriegsführung gegen uns. Europa muss sich umstellen und die von Bundeskanzler Olaf Scholz angekündigte Zeitenwende tatsächlich umsetzen. Wir müssen zurück zur Abschreckungslogik des Kalten Krieges, wo es uns dank einer starken, überzeugenden Abschreckung gelungen ist, Frieden für unseren Kontinent zu erhalten. Das heißt auch, wir müssen mehr Geld für Verteidigung ausgeben.
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Wie viel mehr?
Zwei Prozent sind die Untergrenze. Deutschland hat diese Untergrenze nun erstmals unter Kanzler Scholz erreicht. Wir müssen zu einer gerechten Lastenverteilung gelangen, das kann jeder amerikanische Präsident von uns fordern.
Aktuell verfügen wir über das Sondervermögen, das vieles auffängt, aber es läuft 2028 aus. Deutschland muss sich der Diskussion stellen, wie wir künftig auch im normalen Haushalt diese zwei Prozent, also rund 30 Milliarden Euro zusätzlich, dauerhaft aufbringen können. Natürlich ist das eine schwierige Diskussion für eine Demokratie. Gerade bei einer stagnierenden Wirtschaft, weil man woanders kürzen oder Steuern erhöhen muss. Aber wir können dem nicht länger aus dem Weg gehen, auch wenn es unangenehm wird.
„Die Agressivität Russlands muss den Menschen im Wahlkampf klargemacht werden“
Sind die Parteien im Wahlkampf ausreichend ehrlich, was das bedeutet?
Die Aggressivität Russlands muss den Menschen in Deutschland auch im Wahlkampf klargemacht werden. Es wird immer noch suggeriert, dass man durch eine Politik der Zurückhaltung reagieren kann. Damit wird den Bürgern Sand ins Auge gestreut.
In der Europäischen Union gibt es eine neue Verbindung, die NB8, die nordisch-baltischen Staaten, die sich eng abstimmen, und sich in der Analyse der Gefahr einig sind, auch mit Polen. Sie investieren sehr viel mehr in Sicherheit, weil sie die Situation der russischen Bedrohung realistisch einschätzen.
Länder wie Schweden und Finnland wären in der Vergangenheit nie auf die Idee gekommen, der Nato beizutreten oder so viel in Rüstung zu investieren. Aber dort sind sich Politiker aller Parteien einig, nicht zuletzt aufgrund der hybriden Kriegsführung, wie real die Gefahr ist. Ich habe den Eindruck, dass wir bei uns noch nicht so weit sind.
Was sind andere wichtige Themen bei der Sicherheitskonferenz?
Wir haben den Anspruch, eine globale Konferenz zu sein. Denn die großen Herausforderungen unserer Zeit können nur gelöst werden, wenn wir auf globaler Ebene zusammenarbeiten. Darum müssen wir uns dem „Globalen Süden“ öffnen, die Konflikte in anderen Regionen auch ernst nehmen. Dazu gehört die Krise im Nahen und Mittleren Osten. Dazu gehört die Krise im Sudan, über die viel zu wenig berichtet wird mit mehr als elf Millionen Flüchtlingen. Wir werden auch über Haiti sprechen, über Südostasien und über Herausforderungen wie Klima, Gesundheit, Ernährung, Künstliche Intelligenz und Desinformation. All das sind Themen, die die Sicherheitslage auf der Welt beeinflussen.
Es ist Ihre letzte Sicherheitskonferenz. Was wäre der größte Erfolg für Sie?
Die Münchner Sicherheitskonferenz hat das Motto „Frieden durch Dialog“. Wir bieten eine Plattform und hoffen, dass die Teilnehmer sie nutzen. Das tun wir, indem wir Entscheidungsträger aus allen Kontinenten dieser Welt einladen und ihnen auch die Gelegenheit geben, die berühmten Hinterzimmergespräche für eine Annäherung zu nutzen. Wir haben 2023 den amerikanischen und chinesischen Außenminister in einer kritischen Phase zusammengeführt, seitdem hat es zumindest eine gewisse Entspannung in den Beziehungen gegeben. Wir werden versuchen, bei dieser Konferenz verschiedene Akteure, die um eine Zukunft in Syrien ringen, zusammenzuführen. Wir wollen die europäische Zusammenarbeit stärken. Wichtig ist mir dabei: Wir tun das auf der Basis des Rechts. Maßgeblich sind das Grundgesetz in Deutschland, das europäische Recht und das Völkerrecht, besonders die UNO-Charta und die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte. Das ist für uns die Orientierung in einer Zeit, in der man Gefahr läuft, dass die Stärke des Rechts ersetzt wird durch das Recht des Stärkeren.
Letztes Jahr war J.D. Vance Gast bei der Münchner Sicherheitskonferenz. Ist er dieses Jahr als Vize-Präsident wieder dabei?
Wir haben in diesem Jahr wieder die neue Administration und den neuen Kongress eingeladen. Ich habe die berechtigte Hoffnung, dass beide Institutionen hochrangig vertreten sein werden, aber ich bitte um Verständnis, dass ich noch keine Namen nennen kann.
Sicherheitskonferenz: „München ist ein wunderbarer Gastgeber“
Warum ist der Standort München für die Sicherheitskonferenz wichtig?
München ist ein wunderbarer Gastgeber, ich habe mich hier immer sehr wohl gefühlt. Die Situation im Bayrischen Hof ist einzigartig, insofern dass der Raum begrenzt ist, die Menschen können sich nicht aus dem Weg gehen, sondern müssen sich begegnen. Daraus entsteht der Dialog.
Christoph Heusgen
Der Diplomat ist seit 2022 Vorsitzender der Münchner Sicherheitskonferenz und dort Nachfolger von Wolfgang Ischinger. Er war im Bundeskanzleramt Berater von Bundeskanzlerin Angela Merkel in der Außen- und Sicherheitspolitik und zuletzt deutscher UN-Botschafter in New York. Der 69-Jährige ist verheiratet und Vater von vier Kindern.
Ich weiß, dass wir der Münchner Bevölkerung sehr viel zumuten. Gleichzeitig hatten wir immer eine sehr gute Zusammenarbeit mit der Polizei. Wir sind dem Freistaat Bayern sehr dankbar, der seinerseits, glaube ich, stolz darauf ist, dass er die Sicherheitskonferenz beherbergt. Und nicht zuletzt: In Berlin wäre es ein „Rein und Raus“ für deutsche Regierungsvertreter und Abgeordnete. Hier in München bleibt man beisammen.
Nach der Konferenz im Februar übernimmt der ehemalige NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg den Vorsitz der Münchner Sicherheitskonferenz. Wie geht es danach für Sie persönlich weiter?
Ich sage es mit einem der berühmtesten Bayern, Franz Beckenbauer: Schau‘n mer mal.