Analyse vom China-Versteher - China sah Scholz als Schwächling - mit Merz könnte es ganz anders laufen
Die Beziehungen zu Russland, das vor etwas über drei Jahren einen völkerrechtswidrigen Krieg gegen die Ukraine begonnen hat, hat Trump geändert. Er behauptet von sich, mit Diktatoren wie Wladimir Putin und dem chinesischen Machthaber Xi Jinping befreundet zu sein. Vor allem die Beziehung der USA zur Volksrepublik wird sich in den kommenden vier Jahren stark verändern, wenn es nach dem Weißen Haus geht.
Merz muss eine neue China-Politik entwickeln
Eine neue Bundesregierung unter einem Kanzler Friedrich Merz (CDU) muss in dieser veränderten Gemengelage einen neuen Ansatz für die Außen- und Sicherheitspolitik im Allgemeinen und für die China-Politik im Besonderen entwickeln.
Nicht nur die europäischen Partner schauen darauf, wie sich Berlin zwischen Peking und Washington jetzt positionieren wird. Was die scheidenden Ampelpartner nach langem Ringen zu Papier brachten, reicht nicht mehr aus.
Man versuchte in der China-Strategie zwischen „de-coupling“, also einer völligen Entkoppelung der deutschen Wirtschaft von der chinesischen, und einem „de-risking“ zu unterscheiden, also einem Handelsstopp mit sicherheitsrelevanten Materialien und Produkten.
Über den Gastautor
Alexander Görlach ist Honorarprofessor für Ethik an der Leuphana Universität in Lüneburg und Senior Fellow am Carnegie Council for Ethics in International Affairs in New York. Nach einem Aufenthalt in Taiwan und Hongkong hat er sich auf den Aufstieg Chinas konzentriert und was dieser für die Demokratien in Ostasien im Besonderen bedeutet. Von 2009 bis 2015 war Alexander Görlach zudem der Herausgeber und Chefredakteur des von ihm gegründeten Debatten-Magazins The European. Heute ist er Kolumnist und Autor für verschiedene Medien. Er lebt in New York und Berlin.
Peking wittert eine neue Chance
Doch die Weltwirtschaft ist so miteinander verzahnt, dass Trumps Strafzölle auch die deutsche Wirtschaft treffen können. Denn wenn China weniger exportiert, importiert es zur gleichen Zeit auch weniger aus Deutschland, was fatale Konsequenzen für die deutsche Wirtschaft haben würde.
Außerdem muss Merz den Marktzugang der deutschen Unternehmen, die bereits in der Volksrepublik sind und die, wie Volkswagen und BASF, ohne diesen Markt überhaupt nicht mehr überleben könnten, für die kommenden Jahre sichern.
Deshalb ist es so entscheidend, dass ein Kanzler Merz entschieden deutsche Interessen vertritt, gegenüber China und den Vereinigten Staaten. In der Vergangenheit hätte man gedacht, dass es leichter mit Amerika geht als mit China, aber ist das noch so?
Für Peking bietet die neue, negative Grundhaltung Washingtons gegenüber seinen Langzeitverbündeten eine Chance, die alten Partner dauerhaft voneinander zu trennen. Das Gelingen eines solchen Unterfangens käme, um es mit Donald Trump Worten zu sagen, auf „den Deal“ an, den Peking mit Berlin zu machen bereit ist.
Scholz galt in China als Schwächling
Der Blick nach Amerika jedoch gehört seit Konrad Adenauers Zeit zu den Grundpfeilern der christdemokratischen Partei. China ist verglichen damit „Neuland“: Wie könnte Berlin eine langfristige Zusammenarbeit mit einem undemokratischen, autoritären Regime eingehen?
Noch im Januar hat Merz Xi Jinpings Volksrepublik einer neuen „Achse der Autokratien“ zugezählt. Denn Peking hält nicht nur die Kriegsmaschine Putins in der Ukraine am Laufen, sondern agiert umtriebig mit den größten Verbrecher-Regimen der Gegenwart, neben Russland vor allem mit Nordkorea und dem Iran.
Vor Angela Merkel, von der Merz nichts wissen will, hatten sie in Peking Respekt, das Wort der Bundeskanzlerin hatte Gewicht. Scholz hingegen sah man als Schwächling an, besonders, nachdem er noch nicht einmal vermocht hatte, seine Regierung für eine Legislaturperiode zusammenzuhalten.
Ein Bündnis mit Deutschland käme für Peking mit einem Preis
Dass Peking bereit ist, sich unter Umständen auf einen demokratischen Langzeitpartner wie Deutschland oder die demokratische Europäische Union in ihrer Gesamtheit einzulassen (,denn ein solches Bündnis hätte auch für Peking seinen Preis, nämlich, dass Xis Untertanen unter Umständen viel zu vielen freiheitlichen Ideen ausgesetzt sein könnten), zeigt die Reaktion der Kommunistischen Partei auf Merz’ Äußerung.
Bis dato hätte Peking auf einen kritischen Zwischenton à la „Achse der Autokratien“ überempfindlich reagiert und dem Urheber einer solchen Aussage unterstellt „die Gefühle von 1,4 Milliarden Chinesen beleidigt zu haben“ und umgehend eine Entschuldigung eingefordert.
In Wahrheit sind nur knapp 100 Millionen der 1,4 Milliarden Menschen in China überhaupt Mitglied in der Kommunistischen Partei. Sie dürften, wenn überhaupt, die Beleidigten sein, von denen Xi spricht, denn offenen Informationszugang und freie Medien gibt es in der Volksrepublik nicht. Eine normale Person würde also niemals erfahren, was im Ausland über China gesagt wird.
Xi braucht dringend Verbündete
Aber mit Donald Trump im Weißen Haus braucht Xi Jinping dringend Verbündete in reichen Ländern, mit denen er Handel treiben und so den Ausfall aus dem US-amerikanischen Exportgeschäft kompensieren kann.
Deutschland im Herzen Europas ist ein natürlicher Kandidat für ein solches Bündnis, weswegen man es in Peking darauf ankommen lassen wird, Merz für eine wie auch immer näher zu definierende, privilegierte Partnerschaft zu gewinnen. Denn auch der neue Kanzler der Bundesrepublik wird von Minute eins nach seiner Vereidigung unter massivem Druck stehen, die angeschlagene deutsche Wirtschaft wiederzubeleben.
China ist für eine Zusammenarbeit, die Xi vorschweben mag, heute für Deutschland nicht mehr ganz so attraktiv wie noch vor wenigen Jahren. Nach der Corona-Pandemie hat sich die Wirtschaft nicht richtig erholt, hinzu kam das Platzen der Immobilienblase und eine Rekord-Jugendarbeitslosigkeit.
Die privaten Haushalte halten sich mit dem Konsumieren zurück, sodass der Absatz nach China kontinuierlich zurückgeht. Dennoch: Ohne den chinesischen Markt, so sagen es zumindest Volkswagen und BASF selber, wären ihre Unternehmen nicht mehr überlebensfähig.
Wirtschaftlicher Druck zwingt Xi zum Umdenken
Vor Xis radikalem ideologischem Kurswechsel konnte man Deutschland und China gleichermaßen einen gewissen Hang zur Rationalität, Effizienz und Lösungsorientierung unterstellen. Wenn Xi unter dem Druck, die chinesische Wirtschaft wieder auf Kurs zu bringen, bereit wäre, zumindest Deutschland und seinen europäischen Partnern gegenüber in wichtigen, entscheidenden politischen Fragen ein Stück weit entgegenzukommen, wäre für beide Seiten einiges gewonnen.
Peking wird daher versuchen, Merz in einem ersten Schritt zu umwerben. Der herbe Sauerländer mag dabei eine ganz eigene Herausforderung darstellen, denn von einem goldenen Saal und Pomp wird er sich, anders als Donald Trump und Emmanuel Macron, nicht einlullen lassen.
Xi hat nicht unbegrenzt Zeit, das Ruder herumzureißen
Kritiker eines solchen Ansatzes müssen verstehen, dass Trumps erratisches und fanatisches Zerstören der bestehenden Weltordnung zur Konsequenz hat, dass alte Allianzen vernichtet werden, an deren Stelle neue treten müssen.
Deutschland hat mit dem China vor Xi gute Erfahrungen gemacht. Und wenn Xi an der Macht bleiben will, dann hat er nicht unendlich viel Zeit, das Ruder herumzureißen, denn 2027 läuft seine dritte Amtszeit aus. Dann kann er, theoretisch zumindest, ausgetauscht werden.