Rund 15.000 Einwohner hat die ehemalige Freie Reichsstadt im südöstlichsten Zipfel Baden-Württembergs. Rund 50 Millionen Euro sind für den nächsten Haushalt der Kommune veranschlagt, allerdings fehlen über sieben Millionen. „Das wird katastrophal!“, warnt Rainer Magenreuter, seit 17 Jahren Stadtoberhaupt. Über die Gründe und Folgen dieser Situation haben wir mit dem parteilosen Bürgermeister gesprochen.
Herr Bürgermeister, Sie haben neulich den nächsten Haushalt als „katastrophal“ bezeichnet. Warum?
Magenreuter: Man muss die Dinge beim Namen nennen. Unsere Lage ist schwierig, wir werden es nicht schaffen, einen ausgeglichenen Haushalt hinzubekommen. Das Defizit wird über sieben Millionen Euro betragen.
Was sind die Gründe dafür?
Magenreuter: Das sind vier Gründe. Erstens: Isny hat etwa 15.000 Einwohner, wir müssen aber die Infrastruktur, also Schulen, Straßen et cetera für rund 50.000 Einwohner aus dem Großraum Isny bereitstellen und instandhalten. Das kostet Geld. Leider bekommen wir vom Land Baden-Württemberg nur finanzielle Zuweisungen für 15.000 Bürger.
Grund Nummer zwei: Wir haben in den vergangen Jahren viel investiert – eine neue Verbundschule, der neue Marktplatz mit Hallgebäude, das Schloss – in die Sanierung der Stadt, das hat richtig Geld gekostet und dafür haben wir Schulden aufgenommen. Die Kredite müssen wir nun abbezahlen.
Das Dritte ist die Wirtschaftslage bei uns in Deutschland, die befindet sich auf dem absteigenden Ast, auch wir rechnen mit weniger Gewerbesteuer. Und diese Steuer ist neben den Schlüsselzuweisungen vom Land die wichtigste Finanzquelle für uns.
Und der vierte Grund für unsere finanziellen Probleme – und darüber ärgere ich mich! – ist, dass wir von Bund und Land ständig neue Aufgaben dazu bekommen, für die es kaum bzw. gar kein Geld gibt. Zum Beispiel für die Flüchtlingsbetreuung oder in den Schulen. Der Rechtsanspruch für die Ganztagsbetreuung wurde von der Bundesregierung beschlossen, aber wir müssen diese Kosten zum allergrößten Teil selbst tragen.
Die mögliche Förderung durch das Land – ich rechne mit circa 30 Prozent – sollte verlost werden, weil es zu viele Anträge von den Kommunen gab. Ich dachte zuerst, das ist ein schlechter Aprilscherz. Immerhin ist diese Idee jetzt vom Tisch. Wie gesagt, wir bekommen ständig mehr Aufgaben, aber kaum oder kein Geld dafür.
Die Kommunen wie Isny sind also quasi die Letzten, die die Hunde beißen?
Magenreuter: Genauso ist es! Dazu kommt die ständig zunehmende Bürokratisierung, die uns zu schaffen macht, auf allen Gebieten!
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Hat sich Deutschland übernommen? Haben sich die Kommunen zu viel geleistet in den fetten Jahren?
Magenreuter: Im Nachhinein ist man immer schlauer. Fest steht aber: Wir wollen und wir müssen eine attraktive Stadt sein! Für unsere Bürger, für unsere Unternehmen und für die vielen Gäste Isnys. Wir in Isny haben in den letzten Jahren viel investiert. Meiner Meinung nach war das richtig und wichtig, wir haben jetzt eine gute Infrastruktur, um die uns andere beneiden.
Was kommt also jetzt auf die Bürger von Isny zu? Gürtel enger schnallen?
Magenreuter: Alle freiwilligen Leistungen sind auf dem Prüfstand und bei den Pflichtaufgaben wird überlegt, welche Standards notwendig und wirtschaftlich sind. Wir werden Leistungen vorsichtig zurückfahren. Natürlich wird das eine oder andere teurer. Zum Beispiel für die Erhöhung der Hundesteuer oder die Gebühr fürs Trinkwasser hat der Gemeinderat Beschlüsse gefasst.
Bei Kunst und Kultur wird leider oft ganz schnell der Rotstift angesetzt. Wie ist das in Isny?
Magenreuter: Wir sind eine kulturell aktive Stadt und das soll auch so bleiben. Aber Kunst und Kultur gehören zu den freiwilligen Leistungen und so wird natürlich darüber diskutiert, ob wir unseren Standard, unsere Qualität, unsere Vielfalt halten können wie bisher. Wir suchen auch weiterhin nach Sponsoren und werden auch hier Preise anpassen, wie zum Beispiel in der Stadtbücherei
„Wir werden Preise anpassen“
Könnte man als Kommune auch beim Personal sparen?
Magenreuter: Auch darüber wird gesprochen, aber das ist schwierig, denn es wird alles komplizierter und aufwendiger, dafür braucht man gute Leute. Bei der Stadt Isny gibt’s derzeit keinen Einstellungsstopp. Und zum Beispiel in den Kitas und anderen sozialen Einrichtungen gibt es sowieso schon einen Fachkräftemangel. Viele Aufgaben sind notwendig für unsere Gesellschaft.
Die Entscheidungen des Bundes schlagen also direkt durch auf die kommunalen Finanzen. Was erwarten Sie denn von der künftigen neuen Regierung in Berlin, was muss diese tun, um die Lage zu verbessern?
Magenreuter: Sie muss als erstes unbedingt die Bürokratie reduzieren. Vereinfachung der Verfahren ist ein Zauberwort. Zum Beispiel wäre es effektiver, viele Zuschüsse und Fördergelder nicht umständlich und zeitraubend beantragen zu müssen, sondern das Geld direkt den Kommunen zur Verfügung zu stellen. Damit könnten wir alle eine Menge Geld, Personal und Zeit sparen.
Und zweitens?
Magenreuter: Sie muss den Wohnungsbau wieder fördern. Wenn es die neue Regierung nicht schafft, effektive Wohnbauprogramme aufzulegen, dann gibt das sozialen Sprengstoff für unsere Gesellschaft! Das Angebot an Wohnungen wird immer geringer und das Bauen und die Mieten immer teurer. Manche Menschen gehen in den Ruhestand und können sich ihre Wohnung nicht mehr leisten. Die außenpolitischen Herausforderungen der Bundesregierung möchte ich hier nicht ansprechen. Mir ist aber auch noch wichtig zu sagen, dass in diesen herausfordernden Zeiten nicht nur die Verwaltungen und die Politik gefordert sind, sondern auch jeder Einzelne. Jeder kann seinen Beitrag zur Bewältigung der aktuellen Krisen leisten: Indem nicht die Erwartungshaltung immer höher geschraubt wird und wir uns bewusst machen, dass wir hier in Isny, im Allgäu und in ganz Deutschland nach wie vor auf einem guten und sicheren Level leben. Darüber sollten wir uns freuen und glücklich sein und nicht ständig klagen über das, was wir nicht haben.
Rainer Magenreuter, herzlichen Dank für das Interview und eine schöne Adventszeit!
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