Imamoglu muss vor Gericht – Machtprobe in Istanbul
Prozesse, Proteste, politische Eskalation: Der Fall İmamoğlu bringt Erdoğan unter Druck – die Türkei erlebt ihre größte Krise seit Jahren.
Istanbul – Die Proteste in der Türkei halten an. Und Erdogan versucht alles, um sich an der Macht zu halten. Nun muss sich der inhaftierte Ex-Bürgermeister Ekrem İmamoğlu vor Gericht verantworten. Laut der Tagesschau haben die beiden Prozesse, die nun anstehen, allerdings nichts mit der jüngsten Verhaftung zu tun, die zahlreiche Proteste im Land ausgelöst hatten.
Ekrem İmamoğlu muss vor Gericht - Anklagepunkte stammen aus den 2010er Jahren
Erst hieß es in türkischen Medien, dass der verhaftete Oppositionspolitiker sich in drei verschiedenen Fällen vor Gericht verantworten müsse. Die türkische Tageszeitung Hürriyet berichtete hingegen, Ekrem İmamoğlu werde nur vor zwei Gerichten erscheinen.
Konkret gehe es laut Tagesschau in den beiden Anklagen um die Manipulation von Ausschreibungen, bei denen er als Bürgermeister vom Istanbul Stadtteil Beylikdüzü in den 2010er Jahren ungeeignete Unternehmen beauftragt haben soll. In dem anderen Verfahren wird ihm vorgeworfen, den Oberstaatsanwalt Istanbuls sowie seine Familie beleidigt zu haben. In beiden Fällen drohen mehrjährige Haftstrafen und ein Politikverbot.
Oppositionspartei CHP wirft Erdoğan vor, İmamoğlu politisch ausschalten zu wollen.
İmamoğlu weist laut Deutschlandfunk die Vorwürfe entschieden zurück und bezeichnet das Vorgehen der Regierung als ein politisch motiviertes Manöver. Auch die CHP wirft Erdoğan vor, İmamoğlu politisch ausschalten zu wollen. Trotz seiner Verhaftung hat die Partei ihn als Präsidentschaftskandidaten nominiert und ruft für das Wochenende erneut zu Demonstrationen auf.
Staatspräsident Erdoğan bezeichnete die CHP derweil als „Verkörperung des Faschismus“. In der Türkei wurden unterdessen erneut investigative Journalisten und Studierende festgenommen, die gegen die Verhaftung İmamoğlus protestierten. Mehr als 800 Menschen sind wegen ihrer Teilnahme an verbotenen Demonstrationen angeklagt, während etwa 200 noch in Haft sitzen.
Druck auf Erdoğan wächst: Am Wochenende sind in der Türkei weitere Proteste geplant
In den letzten 22 Jahren hat sich Recep Tayyip Erdoğan immer wieder den härtesten Prüfungen seiner Macht gestellt. Rechtsstreitigkeiten, Korruptionsermittlungen, knappe Wahlsiege, Wirtschaftskrisen und gescheiterte Putschversuche – nichts konnte seinen Kurs nachhaltig gefährden.
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Allerdings steht Erdoğan nun unter Druck wie nie zuvor: Die Bilder aus Istanbul sind unübersehbar – riesige Menschenmenge, die sich zum Protest versammeln. Die CHP sprach vergangene Woche von 2,2 Millionen Bürgerinnen und Bürger. Laut Informationen der ARD ist für das Wochenende eine Großkundgebung in der Stadt Samsun im Nordosten der Türkei angekündigt. (dadj)