Reh-Retterin feiert Jubiläum - und blickt auf schöne Momente, aber auch Anfeindungen zurück
Birgit Albert hat sich ein ambitioniertes Ziel gesetzt: Sie rettet verwaiste oder verletzte Rehkitze. Ihre Erfolgsbilanz nach zehn Jahren: 23 aufgepäppelte Rehe. Doch mit ihrer Arbeit hat sich Albert auch Feinde gemacht.
Peißenberg – Mit dem Rehbock Xaverl hat 2013 alles angefangen: Seine Mutter ist in Uffing unter ein Mähwerk gekommen und kurz darauf stand ein Jäger mit dem gerade einmal ein paar Stunden alten Kitz vor der Haustür von Birgit Albert – über Zeitungsberichte ist der Jäger auf die damals frisch gegründete Rehaufzuchtstation aufmerksam geworden. Und Birgit Albert hatte damit ihren ersten Schützling.
Den Entschluss dazu, verwaisten oder verletzten Rehen zu helfen, fasste Albert im Jahr 2012 – als Schlüsselerlebnis beschreibt sie den Fall eines angemähten Rehkitzes am Peißenberger Guggenberg. „Das hat der Bauer einfach liegen gelassen“, erzählt Albert und man merkt ihr dabei heute noch an, wie schockiert sie über solch ein Verhalten ist. Die Peißenbergerin wollte in Situationen wie diesen nicht mehr länger zuschauen, sondern etwas tun – die „Bambi Rescue Station“ war geboren. „Das ging alles spontan und in Eigenleistung“, erzählt Albert: Kurzerhand wurde im heimischen Garten eine Hütte errichtet und ein Zaun gesetzt – fertig war das Rehgehege.
Kuhmilch kann für Rehkitze tödlich sein
Doch freilich gehört mehr als nur ein Gehege dazu, wenn man eine Rehaufzuchtstation betreiben möchte – das nötige Wissen über die Tiere ist schon auch nicht zu vernachlässigen. „Learning by doing“ habe sie sich dieses angeeignet, so Albert, die Informationen stammten zum Teil aus dem Internet und zum Teil von einer Kollegin aus Ingenried, die eine ähnliche Aufzuchtstation wie Albert hat. Und das medizinische Grundwissen ist bei der Heilpraktikerin ohnehin vorhanden.
Insofern rät die Peißenbergerin tunlichst davon ab, ein vermeintlich notleidendes Rehkitz ohne Erfahrung einfach so mit nach Hause zu nehmen – denn damit schadet man dem Tier wohl mehr als dass man ihm hilft. Bestes Beispiel: Der Laie würde denken, dass man einem Rehkitz doch bestimmt ruhigen Gewissens Kuhmilch geben könnte – doch dem ist nicht so, denn diese vertragen die Tiere nämlich überhaupt nicht. Sie bekommen zunächst Durchfall, und nicht selten verenden sie dadurch sogar. Und noch ein Fehler unterläuft häufig: „Manche nehmen ein Rehkitz auch mit, obwohl es gar keine Hilfe braucht“, erklärt Albert – denn nur wenn ein Jungtier allein ist oder fiept, müsse es nicht unbedingt heißen, dass es in Not und ohne Muttertier ist.
Einem Jungtier konnte selbst Albert nicht mehr helfen
Mit ihrer Expertise und natürlich auch mit ganz viel Zuwendung hat Birgit Albert in den letzten Jahren insgesamt 23 Rehkitze aufgezogen – stets zwei bis drei pro Jahr. Meistens, weil das Muttertier erschossen wurde oder einem Mäh- oder Wildunfall zum Opfer gefallen ist. Nur einem Jungtier, das heuer zu ihr gekommen ist, konnte auch Albert nicht mehr helfen: Dieses habe drei bis vier Tage komplett ohne Nahrung auskommen müssen und es deshalb „leider nicht geschafft“.
Sonst ist ihre Bilanz nach zehn Jahren jedoch eine äußerst erfolgreiche: Alle anderen Tiere hat die Peißenbergerin durchgebracht. Und wenn sie sich in einer noch so misslichen Lage befunden haben. So wie etwa Rehkitz Lilli, das 2014 während des Isarhochwassers in Bad Tölz gerettet wurde – an einen Strauch geklammert, versuchte das hilflose Tier, nicht zu ertrinken.
Nichts geringeres als eine Art Ersatzmutter wurde Birgit Albert für viele ihrer Schützlinge – „Rehmutter“ wird sie deshalb oft genannt. Bei ihr werden die eigentlich scheuen Fluchttiere plötzlich ganz zutraulich – allerdings nur bei ihr. Einmal, als sich Albert nach einer Operation schonen musste und die Versorgung der Rehkitze ihrem Mann übertragen wollte, wurde das deutlich. „Das hat nicht funktioniert“, sagt Albert – partout ließen sich die Tiere von ihm nicht das Fläschchen geben. Also musste es Birgit Albert doch selbst machen, was mit Krücken freilich nicht ganz so einfach ist – aber es hilft ja nix, die Rehe müssen schließlich versorgt werden.
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Rehaufzucht ist „schlimmer als bei einem Baby“
Ein halbes Jahr bekommen die Kitze meist das Fläschchen mit einer Ziegen-Biestmilch. Und das häufig alle zwei Stunden – auch nachts, versteht sich. „Schlimmer als bei einem Baby“ sei das, scherzt die Peißenbergerin. Wenn sie am nächsten Tag mit müden Augen vor ihren Patienten sitzt, wüssten diese mittlerweile schon, was los ist.
Doch Albert nimmt alle diese Anstrengungen auf sich. Und die schönen Momente mit ihren Rehen machen alles sowieso wieder wett. Zu diesen Momenten gehört etwa, wenn die von ihr aufgezogenen und anschließend in die Freiheit entlassenen Rehe wieder bei Albert vorbeischauen. Besonders gut in Erinnerung geblieben ist der Peißenbergerin, als ihr ehemaliger Schützling Lilli mit seinen Jungen vorbeigekommen ist. „Total goldig“ war das, erzählt sie begeistert.
Drohanrufe, Konflikte und Angriffe
Stets heile Welt herrscht allerdings auch im Leben einer „Rehmutter“ nicht. In den vergangenen Jahren sah sich Albert immer wieder Anfeindungen ausgesetzt. Da gab es beispielsweise anonyme Drohanrufe von Personen, die die menschliche Aufzucht von Rehkitzen – freundlich ausgedrückt – sehr kritisch sehen. 2014, also relativ am Anfang von Alberts Arbeit, wurde sogar der Zaun ihres Geheges beschädigt.
All das muss man aushalten können, unterkriegen lässt sich die Peißenbergerin davon aber nicht. Auch den Konflikt mit einigen Landwirten scheut Birgit Albert nicht. Dass manche ihre Felder nicht vor der Mahd nach Rehkitzen absuchen, stößt ihr sauer auf. Zum Teil habe sie betreffenden Landwirten auch schon angeboten, das Absuchen der Felder selbst zu übernehmen, aber darauf sei nicht eingegangen worden. Mit anderen Landwirten oder auch Jägern in der Region gebe es hingegen eine vertrauensvolle Zusammenarbeit, betont Albert im gleichen Atemzug.
Selbstverständlich hat Birgit Albert nicht nur ihre Kritiker – sondern auch Unterstützer, denen sie anlässlich des Jubiläums etwas mitzuteilen hat: „Ich möchte mich ganz herzlich bedanken bei dem Tierarzt, der mir schon so oft geholfen hat – sowie auch der Tierärztin, die mir im Mai mit einem Kitz geholfen hat. Für mich sind das einzigartige und großartige Menschen.“