Trumps schöpferische Zerstörungskraft: Was wir von ihm lernen können

Heute vor genau einem Jahr ist Donald Trump zum zweiten Mal zum US-Präsidenten gewählt worden. Finden Sie auch, dass er eine faschistoide Karikatur ist, die die Welt an den Rand des Untergangs regiert? Dann bitte hier nicht weiterlesen, denn ich lade Sie lieber ein, den Rest dieser Kolumne mit mir mal darüber nachzudenken, was man von Trump lernen kann.

Darf man das überhaupt? Wissen Sie, ich werde immer leicht unruhig, wenn gefühlt 98 Prozent aller deutschen Medien mir das gleiche Bild vermitteln. Es sind übrigens die gleichen, die mir vor der US-Wahl monatelang missionarisch einzuhämmern versucht hatten, dass Trumps demokratische Konkurrentin Kamala Harris eine geradezu gottgleich begnadete Präsidentin wäre und wohl auch das Rennen macht.

Erinnert sich noch jemand an Kamala Harris?

Von Harris hörte man nach ihrem Aus nicht mehr viel Gutes. Trump gewann klar, gewählt von 77,28 Millionen Amerikanerinnen und Amerikanern. Weil er den Ungehörten eine Stimme gab. Weil er wie kein anderer spürte, dass das Gros seiner Landsleute die Arroganz der Macht in Washington satt hatte. Auch die linksliberale Blasiertheit an vielen Elite-Unis. 

Er ist der Schutzpatron der Unverstandenen und holte die Entfremdeten zurück. Und das waren nicht nur die Verlierer der Globalisierung, sondern Mittelschichtsfamilien, Konservative, Menschen auf dem Land, deren Sorgen, Wünsche und Werte er verstand und ernstnahm.

Er hält auch eine Lehre für uns Medien bereit

Muss man alles nicht gut finden, es hält aber auch für Journalisten eine Lehre bereit: Es ist schon recht hilfreich, wenn man erst mal die Wähler, also ein Land zu verstehen versucht, bevor man Politiker beschimpft, die einem persönlich nicht gefallen. Daran hapert’s bei uns mehr denn je.

Trump schenkte seinen Anhängern darüber hinaus einen neuen Stolz sowie einen Schlachtruf, der in seiner Einfachheit zum Besten gehört, was politische PR je geleistet hat: Make America Great Again! MAGA! Klar, kurz und konsequent. Derart aufgeladen mit Kraft begann er, sich mit allem anzulegen, was an globalen Institutionen längst in schläfriger Agonie erstarrt war.

Schöpferische Zerstörung à la Trump

Trump wurde eine Art Schocktherapie. Weckruf und Warnung gleichermaßen. Für die satten Vereinten Nationen. Für dieses komische Europa in seiner vielstimmigen Unregiertheit. Auch für die Nato, deren militärisch überwiegend mickrige Mitgliedsstaaten dachten, dass die USA sie schon weiter für wenig Geld beschützen würden. 

Seine Präsidentschaft zwang nicht nur Amerika zu einer Auseinandersetzung mit unliebsamen Themen wie Ungleichheit, Identität, Globalisierung, Migration und Medienvertrauen, Freund und Feind, Krieg und Frieden.

Er zeigt uns sogar, wie’s nicht geht

Trump riss uns aus unserer selbstverschuldeten Unmündigkeit. So viel schöpferische Zerstörung ist meist schmerzhaft. Für alle Beteiligten. Sogar für ihn. Seine Umfragewerte erodieren, weil sich die versprochenen Erfolge zu Hause noch nicht wirklich manifestieren. 

Vergangene Nacht gewannen sogar erstmals wieder Vertreter der Demokratischen Partei wichtige Wahlen, wenn auch nur punktuell (etwa den Bürgermeisterposten in New York). Aber aus seinem Aktionismus kann man letztlich ja sogar Lehren ziehen, wo man ihm besser nicht nacheifern sollte. Auch da gibt es einiges zu lernen.

Trotzdem ist Trump auf der Weltbühne längst der unumstrittene Hauptakteur, an dem niemand vorbeikommt. Kein Putin, kein Papst, kein Xi. Insofern, und das ist für mich Trumps letzte große Leistung, zeigt er uns auch, was passiert, wenn einer wie er als Ventil unvermeidbar wird. Noch können wir uns das ersparen. Schön würde das nämlich nicht unbedingt werden.