Der Bundespräsident hat Donnerstag beim Festakt zum 75. Bestehen des Bundesgerichtshofs und der Bundesanwaltschaft viel Richtiges gesagt. „Wo immer die Feinde der Freiheit versuchen, eine Demokratie zu Fall zu bringen“, warnte Steinmeier, „greifen sie zuallererst die Justiz und deren Unabhängigkeit an.“
Eine starke Demokratie brauche also einen starken Rechtsstaat, betonte er. „Und wer für diese Demokratie und diesen Rechtsstaat streitet, der hat mich dabei an seiner Seite!“
Das beruhigt natürlich ungemein.
Kontrollinstanz im Visier
Aber im Ernst: Es ist in der Tat die unabhängige Justiz, die dem Machthunger auch demokratisch gewählter Regierungschefs Grenzen setzt. Mancherorts, siehe Türkei, ist diese letzte Kontrollinstanz bereits ausgehebelt. Anderswo, selbst in Teilen Europas, in Israel und den USA, ist sie den Mächtigen ein Dorn im Auge.
Insofern kann man Steinmeier nur zustimmen, wenn er fordert, „dass wir alle mit den Institutionen unseres Rechtsstaates sorgsam umgehen“ müssen, gerade im „politischen Diskurs“. An einer Stelle irrt Steinmeier jedoch.
Dieser Vorwurf ist Humbug
Wenn er nämlich sagt, es sei „nicht gut für unser Land, wenn wir Richterwahlen zum Gegenstand parteipolitischen Streits machen.“
Er nannte diesen Streit sogar „ebenso schädlich“ wie zuzulassen, dass man Richterinnen und Richter „öffentlich verhöhnt, ihre Entscheidungen als politisch motiviert verleumdet oder gar demonstrativ ignoriert.“
Mit Verlaub: Das ist Humbug.
Spitzenpersonal muss Kritik aushalten
Über die personelle Besetzung der – aus gutem Grund – unantastbaren Funktionen unseres Staates politisch zu streiten, ist völlig legitim. Das mit Verhöhnung oder Verleumdung gleichzusetzen, ist unangemessen.
Konkret: Der Streit um die Verfassungsgerichts-Kandidatin Frauke Brosius-Gersdorf war unfein, weil er spät und öffentlich umso schärfer geführt wurde. Hätte man ihn sich deshalb sparen sollen? Trotz großer Bedenken auf einer Seite? Natürlich nicht.
Fehlentwicklungen adressieren
Auseinandersetzungen um Richterposten gibt es oft. Nur werden sie in der Regel im Stillen ausgefochten. Der Punkt dabei ist: Je bedeutender eine Position, desto genauer wird (hoffentlich) hingeschaut, wer sie ausfüllen soll.
Ebenso wichtig für das Vertrauen in Justiz und Rechtsstaat ist es übrigens, dass man sie nicht als sakrosankt darstellt, sondern auch Fehlentwicklungen adressiert. Und korrigiert. Wie zum Beispiel sich häufende Fälle von richterlich angeordneten Hausdurchsuchungen wegen Bagatellen im Äußerungsrecht oder aufgrund von nicht verstandenem Sarkasmus – wie zuletzt bei dem Philosophen Norbert Bolz.
Wer dies kritisiert, streitet auch für diese Demokratie und diesen Rechtsstaat. Oder nicht? Schreiben Sie mir an: feedback@focus-magazin.de
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