„Wie eine Bande von Gangstern“: Trumps brutaler Kreuzzug gegen den Klimaschutz

Der historische Klima-Durchbruch lag in greifbarer Nähe. Die Vertreter von mehr als 100 Staaten trafen sich Mitte Oktober im Hauptquartier der Internationalen Seeschifffahrts-Organisation (IMO) in London, um eine weltweite CO2-Steuer auf Emissionen aus der Schifffahrt zu beschließen. Mit den Einnahmen sollte unter anderem die Forschung an umweltfreundlichen Treibstoffen finanziert werden. 

Um die Steuer war jahrelang verhandelt worden, die Abstimmung in London galt nur noch als Formsache. Ein Großteil der IMO-Mitglieder sprach sich mittlerweile für die Abgabe aus: Einerseits aus Klimagründen, andererseits um einen drohenden Flickenteppich nationaler Abgaben zu vermeiden, deren Verwendungszweck nicht immer klar gewesen wäre. „Dieser Prozess war inklusiv und gründlich“, sagte IMO-Generalsekretär Arsenio Dominguez vor der Abstimmung. „Prioritären und Anliegen wurden ordnungsgemäß berücksichtigt.“

Drohungen aus Washington: „Fies und sehr persönlich“

Dann jedoch klingelte bei vielen Mitgliedsstaaten das Telefon. Am anderen Ende der Leitung: Die USA. Heerscharen von Staatssekretären, Diplomaten und auch Ministern übten plötzlich Druck aus, die Steuer nicht zu beschließen. IMO-Vertreter seien mit gewaltigen Zöllen bedroht worden, mit Hafensperren in den USA für ihre Schiffe, berichteten US-Medien. Sogar US-Sanktionen und Einreiseverbote für einzelne Regierungsvertreter seien im Spiel gewesen. Die Diskussionen mit den Amerikanern seien „fies“ und „sehr persönlich“ gewesen, berichtete die „New York Times“ unter Berufung auf internationale Diplomatenkreise. 

Verfügt wurde die Druck-Kampagne von ganz oben. „Die Vereinigten Staaten werden diesen globalen grünen neuen Steuer-Schwindel in der Schifffahrt nicht hinnehmen!“, schrieb Präsident Donald Trump kurz vor der Abstimmung auf seinem Netzwerk Truth Social. Die Kampagne hatte Erfolg: Den Ja-Stimmen fehlte plötzlich die Mehrheit, die Abstimmung musste verschoben werden. „Ich habe momentan nicht viel zu sagen“, sagte ein niedergeschlagener IMO-Chef Dominguez nach dem gescheiterten Votum. „Und das passiert wirklich nicht oft.“

Petro statt Elektro

Die Geschichte der gescheiterten Schiffs-Steuer zeigt vielleicht am besten den Wendepunkt, den die Trump-Regierung im Vergleich zu ihrer ersten Amtszeit vollzogen hat. Schon zwischen 2017 und 2021 zeigte das Weiße Haus dem Thema Klima die kalte Schulter, trat aus dem Pariser Klimaabkommen aus, versuchte den Ausbau fossiler statt erneuerbarer Energiequellen zu fördern. Doch jetzt geht Trump noch einen Schritt weiter: Wo früher Desinteresse herrschte, führt die US-Regierung nun einen regelrechten Kreuzzug gegen das Klima.

Während Länder wie China und Regionen wie die Europäische Union um die weltweite Spitzenposition bei grünen Technologien wie Solarpanels, Batterien und E-Autos wetteifern, verstehen sich die USA unter Trump als klassischer Petro-Staat, der Öl und Gas in die Welt exportieren will. Diskussionen um den Klimawandel? Die stören da nur. „Dieser Klimawandel ist meiner Meinung nach der größte Betrug, dem sich die Welt jemals aussetzen musste“, sagte Trump im September während seiner Rede vor der Vollversammlung der Vereinten Nationen. 

„Sie gehen an die Sache ran wie Gauner“

Die Folge dieses Strategiewechsels: US-Behörden und Forschungseinrichtungen werden angewiesen, sämtliche Verweise auf den menschengemachten Klimawandel zu streichen. Handelspartner wie die EU, Japan und Südkora werden unter Androhung von Zöllen zur Abnahme des Flüssiggases LNG gezwungen, in größeren Mengen, als sie vermutlich brauchen werden. Und auch die Verhandlungen zu einem globalen Plastikabkommen kollabierten im August – unter Druck auch der USA. „Das ist, wie wenn eine Bande von Gangstern ins Viertel kommt und Fensterscheiben zerschlägt und Ladenbesitzer bedroht“, sagt der US-Klimapolitiker Sheldon Whitehouse, demokratischer Senator des Bundesstaates Rhode Island. „Sie gehen an die Sache heran wie Gauner.“

Zur am Montag gestarteten Weltklimakonferenz im brasilianischen Belém (COP 30) hat das Weiße Haus keine Delegation entsandt. Dem Klima-Treffen der Staats- und Regierungschefs am Freitag blieb Trump fern, sein Energieminister Chris Wright und sein für Umweltfragen zuständiger Innenminister Doug Burgum flogen lieber nach Athen, zu Gesprächen über LNG-Lieferungen an osteuropäische Staaten.

In diesem Jahr kommen die Staaten bei der UN-Klimakonferenz in Belém zusammen, um über den weltweiten Kampf gegen die Klimakrise zu diskutieren.

FOCUS online Earth berichtet für Sie über die COP30: Alle wichtigen Entwicklungen, Hintergründe und aktuellen Updates können Sie hier im Ticker nachverfolgen.

Die „195-1“-Regel

Von der Bühne der Klima-Diplomatie hat sich die Trump-Regierung also verabschiedet, und nicht alle bedauern das. „Dass die USA nicht zur COP kommen, ist eine gute Nachricht“, sagt der deutsche Klimaforscher Niklas Höhne. „Dann können sie wenigstens nicht in Belém stören.“ In Diplomatenkreisen kursiert die „195-1“-Regel: Die USA seien nur einer von 195 teilnehmenden Staaten gewesen, nun seien es immer noch 194 Länder, so die Lesart.

Allerdings: Die USA müssen gar keine Delegation nach Belém schicken, um ihre diplomatischen Muskeln spielen zu lassen. Was ist, wenn die Mitgliedsstaaten einen ambitionierteren Ausstieg aus den fossilen Energien diskutieren – und bei den zuständigen Ministern klingelt plötzlich das Telefon, Vorwahl Washington? US-Senator Whitehouse hält das für nicht so unwahrscheinlich. 

Rebellion der Bürgermeister

„Menschen, die unter einem solchen Druck stehen, müssen lernen, standhaft zu bleiben“, rät Whitehouse. „Wenn man sich von dieser Regierung einschüchtern lässt, wird sie jedes Stück Boden besetzen, das man ihr überlässt – und dann noch mehr fordern.“ Die Kampagne gegen die Schiffssteuer sollte der Welt als mahnendes Beispiel dienen, so der US-Politiker. „Ist das die Art und Weise, wie dieses Thema entschieden werden soll? Wollt ihr wirklich zusehen, wie die Welt kollabiert – wo doch alle gemeinsam standhalten könnten gegen den korrupten Druck dieser Regierung?“

Ohnehin steht der Klima-Kurs des Weißen Hauses nicht repräsentativ für die gesamte USA. Dutzende Bürgermeister und Gouverneure der Bundesstaaten sind als Teil einer nationalen Klima-Allianz nach Brasilien gereist, der Name: „America is All-In.“ Am Dienstag wird der international bekannte kalifornische Gouverneur Gavin Newsom als Teil der Allianz in Belém auftreten, er gilt als einer der Hoffnungsträger der Demokraten für die Präsidentschaftswahl 2028.

„Gemeinsam ist es unsere Aufgabe, der Welt zu zeigen, dass die Trump-Regierung weder die Werte noch die Chancen widerspiegelt, die es heute in den Vereinigten Staaten gibt“, sagt Gina McCarthy, Chefin von „America is All-In“. In den USA seien es vor allem die Städte und Bundesstaaten, die sich um die Einhaltung des Pariser Klimaabkommens kümmerten. „Viele außerhalb der USA haben zunächst nicht vollständig verstanden, dass lokale Führungspersönlichkeiten hier die Befugnis haben, eigenständig zu handeln“, so McCarthy, die unter Präsident Barack Obama die US-Umweltbehörde EPA leitete.  

China macht mehr Dollar

Die Botschaft der rebellischen Lokal- und Landespolitiker: Der aktuelle Klima-Kurs der Trump-Regierung liege nicht im amerikanischen Interesse – im Gegenteil. Als Beleg ziehen sie unter anderem Zahlen der Denkfabrik Ember von Anfang Oktober heran. Demnach verdiente China im Jahr 2025 mit dem Export grüner Technik bereits 50 Prozent mehr als die USA mit dem Export von fossilen Energien, das Verhältnis lag bei 120 Milliarden zu 80 Milliarden Dollar.

Die Sorge: Dass die USA ein lukratives Zukunftsfeld endgültig der China-Konkurrenz überlässt, zugunsten des endlichen Geschäftsmodells mit Öl und Gas. Die Trump-Regierung teilt diese Sorge naturgemäß nicht. Vielleicht werde er an der Klimakonferenz im nächsten Jahr teilnehmen, sagte Energieminister Wright während seines Besuchs in Athen der Nachrichtenagentur AP. „Nur um mal ein bisschen gesunden Menschenverstand einfließen zu lassen.“