Der unterschätzte Klimaretter: Staaten ignorieren Böden als riesige CO2-Senke
21.03 Uhr: Während Verhandler über Klimapläne diskutieren und Journalisten hektisch durch die Flure der Konferenz hetzen, nutzen Experten die Gelegenheit, ihre neuesten Forschungsergebnisse zu präsentieren.
So auch diesmal: Ein neuer, von den UN unterstützter Bericht, der heute veröffentlicht wurde, zeigt, dass 70 % der Länder den Boden nicht als Instrument zur Klimaminderung in ihren national festgelegten Beiträgen (NDCs) aufführen – also in den Plänen zur Emissionsreduktion. Die Untersuchung stammt von Save Soil, einer globalen Umweltbewegung, die sich mit der raschen Degradation landwirtschaftlicher Böden beschäftigt.
Die Studie macht deutlich, dass gesunde Böden bis zu 27 % der nötigen Emissionsminderungen liefern könnten, um die globale Erwärmung unter 2 °C zu halten. Regenerative Landwirtschaft – etwa Fruchtwechsel, Zwischenbegrünung oder Humusaufbau – könnte zudem Düngemittelemissionen bis 2050 um bis zu 80 % senken. Weltweit sind bereits rund 40 % der landwirtschaftlichen Flächen degradiert, obwohl Böden nach den Ozeanen die größte CO₂-Senke der Erde darstellen.
Save Soil kritisiert, dass Böden in den meisten NDCs nur in Anpassungsplänen auftauchen, nicht aber als effektive Maßnahme zur Emissionsminderung. Praveena Sridhar, wissenschaftliche Leiterin der Bewegung, bringt es auf den Punkt: „Unter unseren Füßen liegt ein enormer Kohlenstoffspeicher – doch unsere Klimapläne behandeln Bodengesundheit kaum als kosteneffiziente Lösung.“
180 Millionen Schwimmbecken weniger Eis – doppelt so viele Frühwarnsysteme
19.51 Uhr: Die neuesten Daten der „World Meteorological Organization“ zeichnen ein besorgniserregendes Bild: 2024 wurden weltweit Rekordwerte bei Treibhausgasen gemessen, und die Trends deuten darauf hin, dass sich die Lage 2025 noch verschärfen könnte.
Meteorologe Albert Fischer berichtet in Belém von immer häufigeren Extremwetterereignissen sowie einem dramatischen Eisverlust der Gletscher: Die Gletscher hätten massiv an Masse verloren – rund 450 Gigatonnen, das entspreche 180 Millionen olympischer Schwimmbecken. Besonders drastisch: Venezuela verlor seinen letzten Gletscher, den Humboldt-Gletscher.
Trotz der alarmierenden Entwicklungen gebe es auch Fortschritte: So habe sich die Anzahl der Klima-Frühwarnsysteme in Entwicklungsländern seit 2015 verdoppelt.
Lula stellt sich gegen Klimaleugner wie Trump
18.21 Uhr: Zu Beginn der Weltklimakonferenz in Brasilien hat Präsident Luiz Inácio Lula da Silva den Leugnern der Erderwärmung eine Kampfansage gemacht. Auf dieser „Konferenz der Wahrheit“ gehe es auch darum, sich der Desinformation zur Klimakrise entgegenzustellen, sagte der linke Politiker in Belém vor Vertretern aus rund 200 Staaten. „Es ist jetzt an der Zeit, den Leugnern eine neue Niederlage zuzufügen.“ Unter anderem hatte US-Präsident Donald Trump die Erderwärmung einen „Schwindel“ genannt.
„Die Wissenschaft wird wirklich nervös“
Derweil äußerten sich Wissenschaftler beunruhigt. Direktor des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung, Johan Rockström sagte: „Die Wissenschaft wird wirklich nervös“. „Verliert die Erde ihre Widerstandsfähigkeit? Wird ihre Kühlleistung geschwächt?“, fragte er. Selbst wenn alle Klimaschutzpläne aller Staaten umgesetzt werden, sinke der Ausstoß klimaschädlicher Treibhausgase bis 2030 nur um etwa fünf Prozent. Die fünf Prozent müsste aber Jahr für Jahr erreicht werden. „Bis 2030 müssen die Emissionen um 40 bis 45 Prozent gesenkt werden“.
Deutschland ist in Belém aktuell mit Entwicklungsministerin Reem Alabali Radovan und dem Umweltstaatssekretär Jochen Flasbarth (beide SPD) vertreten. Beide kündigten an, Deutschland werde als verlässlicher Partner für ehrgeizigen Klimaschutz antreten.
Ohne Verzögerung: COP30 in Brasilien beginnt mit richtungsweisender Tagesordnung
18.12 Uhr: Auf der laufenden UN-Klimakonferenz wurde die offizielle Tagesordnung ohne Verzögerung verabschiedet. Zusätzlich wurden acht weitere Punkte vorgeschlagen, zu denen die brasilianische Präsidentschaft nun offene Beratungen mit den beteiligten Ländern führt. Ein Fortschrittsbericht zu diesen Gesprächen soll am 12. November in der Plenarsitzung präsentiert werden, um die Verhandlungen voranzutreiben.
In den vergangenen Jahren hatten blockierende Staaten häufig gezielt Kritik an der Agenda geübt, um Zeit zu gewinnen und den Beginn der eigentlichen Verhandlungen hinauszuzögern.
UN-Sonderberichterstatter fordern Verbot für Fossil-Lobbyisten
18.08 Uhr: In einer neuen Erklärung haben 25 UN-Sonderberichterstatter die langjährigen Forderungen von Klimagerechtigkeits-Aktivisten unterstützt und plädieren für einen Ausschluss von Lobbyisten der Fossil-Industrie aus den UNFCCC-Klimaverhandlungen. Sie betonen die Notwendigkeit, die Präsenz dieser Interessenvertreter einzuschränken, um Transparenz, öffentliche Beteiligung, einen sinnvollen Dialog mit der Zivilgesellschaft sowie den Schutz von Umweltschützern zu gewährleisten.
Mehr als 5350 Lobbyisten bei den letzten vier COPs
Exklusive Analysen der Kick Big Polluters Out Coalition belegen, dass bei den vergangenen vier Klimagipfeln mehr als 5350 Lobbyisten aus der Öl-, Gas- und Kohlebranche akkreditiert waren. Diese Interessenvertreter, die sich unter Staatschefs und Verhandlern mischten, repräsentierten mindestens 859 Organisationen, einschließlich 180 Unternehmen.
Unternehmen aus dem Öl-, Gas- oder Kohlebereich entsenden Lobbyisten, um Klimapolitik zu ihren Gunsten zu lenken und seit Jahrzehnten ambitionierte Maßnahmen zu verzögern oder zu verhindern. Besonders auffällig: 90 Konzerne, darunter ExxonMobil, Chevron, BP und Petrobras, die die höchsten Lobbykontingente stellten, sind für 57 Prozent der globalen Öl- und Gasproduktion im Vorjahr verantwortlich.
Adilson Vieira, Sprecher der Amazonian Work Group, kommentierte die Erkenntnisse laut „The Guardian“ kritisch: „Während Waldgemeinden um ihr Überleben kämpfen, kaufen dieselben Unternehmen, die den Klimakollaps verursachen, Referenzen und politischen Einfluss, um ihre fossilen Imperien weiter auszubauen.“
Nächste Klimakonferenz in Bonn?
15.23 Uhr: Kommt die Weltklimakonferenz im nächsten Jahr nach Deutschland? Die Bundesregierung will dies möglichst vermeiden. „Um Himmels willen, einigt euch zwischen Australien und der Türkei, damit diese technische Lösung nicht zum Zuge kommt“, sagte Umweltstaatssekretär Jochen Flasbarth (SPD) auf der Weltklimakonferenz im brasilianischen Belém.
Australien und die Türkei wollen beide 2026 die Weltklimakonferenz COP31 austragen. Gelingt keine Einigung, würde die Konferenz mit Zehntausenden Delegierten am Ort des UN-Klimasekretariats stattfinden – und dieses hat seinen Sitz in Bonn.
„Wir müssten es, wir wollen es aber nicht“
„Das ist keine Frage des Wollens“, betonte in der Klimadiplomatie sehr erfahrene Flasbarth, der für die deutsche Delegation die Verhandlungen in Brasilien leitet. „Wir müssten es, wir wollen es aber nicht.“ Man hätte nur zwölf Monate Zeit für die Vorbereitung. „Deutschland ist ein Land, das aus guten Gründen viele Regeln hat.“
Als zuletzt die Konferenz in Bonn stattfand – das war 2018 unter dem Vorsitz der Fidschi-Inseln – habe in Bonn etwa der Hochwasserschutz für die Rheinaue in Bonn für kurze Zeit außer Kraft gesetzt werden müssen. „Das sind alles keine einfachen Dinge. Deutschland braucht für eine Konferenz mehr Zeit.“
Die Austragung der jährlichen Weltklimakonferenz rotiert zwischen den Weltregionen, die Staatengruppen müssen sich jeweils auf einen Gastgeber einigen.
UN-Klimachef lobt Erfolge des Pariser Abkommens
15.21 Uhr: Zum Auftakt der Weltklimakonferenz in Brasilien hat UN-Klimachef Simon Stiell die Erfolge im Kampf gegen die Erderwärmung herausgestrichen – und zugleich mehr Tempo eingefordert. Das vor zehn Jahren geschlossene Pariser Klimaabkommen habe dazu geführt, dass der Ausstoß klimaschädlicher Treibhausgase gebremst worden sei, sagte er vor dem Plenum in der brasilianischen Millionenstadt Belém im Amazonasgebiet. Doch wolle er nichts schönreden. „Wir müssen viel, viel schneller werden – sowohl beim Runterfahren der Emissionen, als auch bei der Stärkung unserer Widerstandskraft.“
Zu lamentieren keine Strategie
Die Wissenschaft sei klar, fügte Stiell an. Die Menschheit könne und müsse die Erderwärmung unter auf 1,5 Grad im Vergleich zur vorindustriellen Zeit drücken – nach einem nun unvermeidlichen vorübergehenden Überschreiten der Marke. Darüber zu lamentieren sei aber keine Strategie. „Jetzt zu zögern, macht weder wirtschaftlich noch politisch Sinn – in einer Zeit, in der Megadürren die nationalen Ernten vernichten und die Lebensmittelpreise in die Höhe treiben.“
Solar- und Windenergie meist am kostengünstigsten
Stiell sagte dazu, Hoffnung machten die Erfolge der Energiewende. „Solar- und Windenergie sind mittlerweile in 90 Prozent der Welt die kostengünstigste Energiequelle. Erneuerbare Energien haben Kohle in diesem Jahr als weltweit wichtigste Energiequelle abgelöst.“ Und Investitionen in erneuerbare Energien überträfen die in Öl, Gas und Kohle inzwischen im Verhältnis 2:1.
mit Agenturmaterial
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