Amazonas bedroht: Bahnbrechender Milliarden-Plan soll "grüne Lunge" der Welt retten

Wenn Staatschefs und Verhandler dieser Tage nach Belém zur Weltklimakonferenz reisen, reicht ein Blick aus dem Flugzeugfenster – und sie verstehen sofort, worum es geht. Ein grünes Meer breitet sich unter ihnen aus. Flüsse schlängeln sich durch den Regenwald. Die „grüne Lunge der Erde“, ein Bollwerk für das Klima. Milliarden Tonnen Kohlendioxid werden hier gespeichert. Wasserkreisläufe reguliert; globale Temperaturen beeinflusst. 

Eigentlich. Doch dazwischen flimmern braune Flecken. Kahle Stellen. Abholzungen. Waldbrände. Der Amazonas ächzt. Unter dem Klimawandel. Unter der Menschenhand. Die grüne Lunge der Erde gerät unter Druck. Brände, Dürre, zerstörte Flächen – der Regenwald steht an einem Kipppunkt. In einigen Regionen stößt er schon mehr CO2 aus, als er bindet. 

Am Hotspot vom Klimawandel

"Wenn etwa 20 Prozent des Amazonas verloren gehen, könnte das gesamte System kippen", warnt der brasilianische Umweltwissenschaftler Carlos Rittl gegenüber FOCUS online Earth. "Dann würde der Regenwald sich in eine Savannenlandschaft verwandeln – mit massiven Folgen für Biodiversität, Wasserhaushalt und Klima."

Ausgerechnet an diesem fragilen Ort findet die 30. Weltklimakonferenz (COP30) statt. Belém, am Rand des Amazonasbeckens gelegen, soll zum Symbolort werden. Mitten im fragilen Klima-Kipppunkt soll die Weltgemeinschaft zusammenkommen, sich trotz aller Krisen bündeln und den Klimawandel stoppen. Belém soll zugleich der Geburtsort einer Lösung sein, die nicht nur den brasilianischen Amazonas schützt, sondern die Tropenwälder weltweit.

In diesem Jahr kommen die Staaten bei der UN-Klimakonferenz in Belém zusammen, um über den weltweiten Kampf gegen die Klimakrise zu diskutieren.

FOCUS online Earth berichtet für Sie über die COP30: Alle wichtigen Entwicklungen, Hintergründe und aktuellen Updates können Sie hier im Ticker nachverfolgen.

Mit der Waldlösung will Lula COP-Geschichte schreiben 

Brasiliens Präsident Luiz Inácio Lula da Silva macht Ernst. Sein wichtigster Plan: der „Tropenwälder-für-immer-Fonds“ (TFFF) – ein milliardenschweres Instrument, das die grünen Lungen der Erde retten soll. Auf dem Leader Summit vor der COP30 gab Lula den Startschuss für den TFFF.

Das Prinzip ist einfach: Wer Wald schützt, wird belohnt – vier Dollar pro Hektar und Jahr. Wer zerstört, zahlt Strafe – 140 Dollar. Satelliten überwachen jede Veränderung und messen Rodung und Aufforstung. Ziel ist es, Klimafinanzierung und den Schutz vom Ökosystem miteinander zu verbinden – mit klaren, überprüfbaren Ergebnissen.

Wie die WWF-Klimachefin Viviane Raddatz bei FOCUS online Earth betont, ist der „Tropenwälder-für-immer-Fonds“ ein bahnbrechender Ansatz. „Länder und indigene Gemeinschaften, die tropische Wälder bewahren, bekommen Direktzahlungen aus dem Fonds, die über Renditen privater Investitionen erwirtschaftet werden. Damit entstehen wirtschaftliche Anreize für den Waldschutz – und gegen Abholzung", lobt die Klima-Expertin.

Heißt: Der TFFF ist kein klassischer Hilfsfonds, sondern ein globaler Investmentmechanismus. Förderstaaten sollen rund 25 Milliarden US-Dollar bereitstellen, um private Investitionen abzusichern. Als Anreiz sollen die privaten Investoren bei Auszahlungen aus dem Fonds den Vortritt vor den staatlichen Investoren haben. So könnten insgesamt bis zu 125 Milliarden Dollar mobilisiert werden – Geld, das vor allem in Schwellenländern auf internationalen Finanzmärkten arbeitet.

COP30 mit Lula und von der Leyen
Der brasilianische Präsident Luiz Inacio Lula da Silva gibt der Präsidentin der Europäischen Kommission Ursula von der Leyen während der Klimakonferenz der Vereinten Nationen COP 30 die Hand. UNFCCC

Mit den Erträgen aus diesen Anlagen werden Waldstaaten belohnt, die ihre Tropenwälder erhalten. Private Investoren erhalten Zinsen, der Rest fließt als Prämie an die Länder – ein Kreislauf zwischen Kapitalmarkt und Klimaschutz. „Es ist für beide profitabel: für die Tropenwaldländer, die dieses Geld erhalten, und für Investoren, die in den Erhalt investieren“, sagt Pakhi Das von der Initiative Plant-for-the-Planet. 

Nach Lulas Plänen könnten so jährlich bis zu vier Milliarden US-Dollar ausgeschüttet werden. Der TFFF wäre damit ein Novum: kein Spendentopf, sondern ein Marktinstrument, das Klimaschutz in Rendite übersetzt – und den Regenwald buchstäblich zur Investition macht. 

Der erste Grundstein für den „Tropenwald-für-immer-Fonds“ 

Sechs Länder haben bereits zugesagt, mehr als fünf Milliarden US-Dollar sind zusammengekommen – der erste Grundstein für Lulas „Tropenwälder-für-immer-Fonds". 

Brasilien steuert eine Milliarde bei, Indonesien ebenfalls, Norwegen drei Milliarden über zehn Jahre. Portugal sagte eine Million zu und die Niederlande fünf Millionen für die Startkosten des Weltbank-Sekretariats. Frankreich investiert überraschend 500 Millionen Euro, noch unter Vorbehalt. Damit summiert sich das bisherige Finanzvolumen auf rund 5,6 Milliarden US-Dollar.  

Abholzung Amazonas
Die Abholzung des Amazonas trägt wesentlich zur Erderwärmung und damit zum Klimawandel bei. Getty Images

Auch Deutschland unterstützt den TFFF. Eine Klima-Lösung, die nicht nur mit Haushaltsmitteln, sondern auch mit privatem Kapital funktioniert, passe zur Klimapolitik der schwarz-roten Koalition, heißt es in Berlin. Aber noch gibt es offene Fragen, technische Details, und die Koalition muss sich noch abstimmen, welche Summe Deutschland konkret beisteuert. Bundeskanzler Friedrich Merz hat den Fonds am vergangenen Freitag gelobt und eine „namenhafte Summe“ versprochen – konkrete Zahlen nannte er aber nicht.

Tropenwälder als CO2-Senke: TFFF-Fonds sorgt für Chancen – aber auch Risiken

Der Grund: Der Fonds birgt Risiken. Wie verlässlich ist die Finanzierung über Jahrzehnte? Wer kontrolliert, dass das Geld wirklich bei den Schutzprojekten ankommt? Ohne klare Regeln droht Greenwashing. Ohne Einbindung der lokalen Bevölkerung droht Realitätsferne. Auch diese Fragen müssen auf der COP geklärt werden. 

Die WWF-Klimachefin Viviane Raddatz mahnt: „Bis zur COP30 müssen die noch offenen Fragen zur Integrität des Fonds und dessen Finanzmodell gelöst werden. Zudem darf der neue Fonds nicht den Fokus von anderen wichtigen Instrumenten ablenken – etwa der europäischen Entwaldungsverordnung, die derzeit massiv unter Druck steht.“

Es bleibt also abzuwarten, ob der TFFF ein Erfolg wird. Für die Tropenwälder der Welt wäre er dringend notwendig. Kippen die Wälder, werden sie zu CO2-Schleudern. Genau das erleben wir bereits bei uns: Deutschlands Wälder sind heute teilweise selbst eine CO2-Quelle statt einer Senke. Die Tropenwälder der Erde dürfen diesen Fehler nicht wiederholen. Ihr Schutz sichert das globale Klima – und damit auch das Klima in Deutschland.