Am Tor zum Amazonas entscheidet sich auch Deutschlands Zukunft

In diesem Jahr kommen die Staaten bei der UN-Klimakonferenz in Belém zusammen, um über den weltweiten Kampf gegen die Klimakrise zu diskutieren.

FOCUS online Earth berichtet für Sie über die COP30: Alle wichtigen Entwicklungen, Hintergründe und aktuellen Updates können Sie hier im Ticker nachverfolgen.

Der Amazonas ist Hotspot: für Artenvielfalt, für Klimaschutz und Klimakrise, für wirtschaftliche Interessen und Schutz traditioneller Kulturen. Und genau hier, im Amazonasgebiet, wird im November die Weltklimakonferenz COP30 stattfinden – genauer gesagt in Belém, dem „Tor zum Amazonas“. 

Und genau aus der Vielfalt oben ergibt sich das Spannungsfeld, in dem die COP agieren wird. Es ist eine Klima-COP, soll aber auch den Waldschutz nach vorne bringen, sie soll indigene Interessen vertreten und ökonomische Interessen wahren. Und all dies, während es global brennt. Im übertragenen Sinne, denn multiple Krisen erschüttern unser Miteinander, von anti-demokratischen Rollbacks bis hin zu bewaffneten Kriegen. 

Und im wortwörtlichen Sinn, denn Waldbrände vernichten Regionen in Europa genau wie – den Amazonas. 2024 entsprach die Brandfläche in etwa der Fläche Italiens. Befeuert werden die Brände von der Klimakrise, während sie wiederum die Klimakrise befeuern. Unter all dem steht die Frage: 

Wohin steuert die Welt?

Wir möchten diese Frage mit Optimismus beantworten. Und wir sehen die COP30 als Grund für den Optimismus. Denn wenn andernorts Zusammenarbeit infrage gestellt wird, kommt die Welt bei der COP zusammen, um gemeinsam Antworten zu finden. Das wird nicht ohne Auseinandersetzungen und Kompromisse funktionieren. 

Aber die Zusammenkunft an einem Tisch, das ist eine klare Chance und ein starkes Signal: für den Multilateralismus und den Schutz unserer Lebensgrundlagen. Für eine lebenswerte Zukunft für uns alle.Dafür erwarten wir von der COP Fortschritte insbesondere in den folgenden vier Bereichen:

1. Weltweiter fossiler Ausstieg ist ein No-Brainer

Zum einen ist das der weltweite Ausstieg aus fossilen Energien. Denn ihre Nutzung ist es, die die Klimakrise maßgeblich verursacht hat und nun weiter verschlimmert. Vor zwei Jahren war auf der Klimakonferenz in Dubai ein historisches Ergebnis gelungen: Zum ersten Mal wurde sich auf die Abkehr von fossilen Energien geeinigt. Eigentlich ein No-Brainer, über den aber Jahrzehnte lang gerungen werden musste. 

Denn in den fossilen Energien steckt für einige Länder und Unternehmen viel Geld. Und für alle Menschen erhebliche Kosten. Gleichzeitig bestätigte diesen Sommer ein Gutachten des Internationalen Gerichthofs die völkerrechtliche Verpflichtung zur Emissionsminderung, internationaler Zusammenarbeit und Vermeidung schwerer Umweltschäden – inklusive fossiler Produktion, Nutzung und Infrastruktur.

Fossiler Ausstieg ist noch nicht auf Kurs

Doch noch verläuft der Abschied von den klima- und gesundheitsschädlichen fossilen Energien viel zu langsam und der gleichzeitige Ausbau der Erneuerbaren und die Elektrifizierung nicht schnell genug. Da reicht schon der Blick nach Deutschland. Denn die neue Bundesregierung hat in ihren ersten Monaten im Amt eher Rückschritte verkündet, statt Fortschritte umzusetzen.

  • Dazu gehören die Pläne, weitreichende und überbordende Gaskapazitäten als Grundlast zu schaffen.
  • Dazu gehört, CO2 eben auch an Gaskraftwerken abfangen und danach wegspeichern zu wollen (CCS) – dabei ist die Technologie teuer und steht für diese Ausmaße nicht nachhaltig zur Verfügung. Dazu gehört, dem Ausbau von Wind und Sonne Hürden entgegenzusetzen.
  • Und dazu gehört, die Elektrifizierung zu erschweren, etwa indem die Förderung von Wärmepumpen infrage gestellt wird. Eine zusätzliche Verunsicherung und Täuschung der Verbraucher:innen, die nun womöglich auf teuren Öl- und Gasheizungen sitzen bleiben. Planungssicherheit wird anders geschaffen.

Die COP30 wird der erste internationale Auftritt der neuen Bundesregierung in der Klimadiplomatie sein. Sie muss hier die Weichen stellen für eine Zukunft, in der Deutschland nicht bremst, sondern vorangeht. Wir fordern ein klares Bekenntnis zur multilateralen Zusammenarbeit und zum Klimaschutz ohne fossile Kompromisse. Es braucht starke politische Signale und einen Plan, wie die gerechte Abkehr von fossilen Ressourcen voranschreiten kann.

Fossile Energie vs. Windkraft: Windräder eines Parks in den Niederlanden, dahinter das Gas- und Dampfkraftwerk Eemscentrale.
Fossile Energie vs. Windkraft: Windräder eines Parks in den Niederlanden, dahinter das Gas- und Dampfkraftwerk Eemscentrale. Imago Images

2. Die Investitionen in den Klimaschutz lohnen sich

Dazu gehört auch ein klares Bekenntnis zur internationalen Klimafinanzierung, dem zweiten für uns zentralen Bereich. Zwar hat die alte Regierung ihr Versprechen 2024 eingehalten und sechs Milliarden Euro bereitgestellt (nachdem sie das Ziel im Jahr zuvor verfehlt hatte), aber die Haushaltsplanungen der neuen Regierungen lassen befürchten, dass gerade an der Finanzierung der Zukunftsfähigkeit gespart werden soll. 

Dabei muss allen klar sein: Jeder Euro, den wir heute investieren, eröffnet uns Chancen. Jeder Euro, den wir heute an falscher Stelle sparen oder an falscher (zum Beispiel fossiler) Stelle ausgeben, wird uns morgen ein Vielfaches an reiner Schadensbegrenzung kosten. Daher muss die COP30 auch als Chance genutzt werden, einen Verhandlungsrahmen für die Ausrichtung aller globalen Finanzflüsse auf das Erreichen des Pariser Klimaziels zu schaffen. Damit würde ein noch stärkerer Anreiz dafür geschaffen, dass Mittel, die heute noch in fossile Subventionen fließen, in Zukunft etwa für erschwingliche und saubere Mobilität und Energie eingesetzt werden.

Umso wichtiger ist daher, das neue internationale Finanzierungsziel (New Collective Quantified Goal - NCQG), das im letzten Jahr in Baku verabschiedet wurde, in die Umsetzung zu bringen. Die COP30 sollte bestenfalls einen Aktionsplan mit konkreten Zwischenschritten ergeben, wie die 1,3 Billionen US-Dollar bis 2035 erreicht werden und wer dazu beiträgt. Dabei sollten zusätzliche Mittel, vor allem in Form von Zuschüssen, bereitgestellt werden, um die Schuldenlast des globalen Südens nicht noch weiter zu verschärfen.

3. Der Schutz der Wälder und Biodiversität

Doch das NCQG ist nicht das einzige Finanzthema, das während der COP30 Debatten prägen wird. Neben den wichtigen Fonds etwa zur Anpassung und für Schäden und Verluste, die dringend mehr Mittel benötigen, steht ein ganz neuer Fonds im Mittelpunkt zahlreicher Diskussionen: der sogenannte Tropenwaldfonds, von Brasilien ins Leben gerufen. Sein offizieller sperriger Name lautet: Tropical Forest Forever Facility (TFFF). 

Die Grundidee: Länder und indigene Völker und Gemeinden, die tropische Wälder bewahren, bekommen Direktzahlungen aus dem Fond, die über Renditen privater Investitionen erwirtschaftet werden. Damit werden wirtschaftliche Anreize für den Waldschutz und gegen dessen Abholzung gesetzt. Die gemeinsame Zielhöhe aus öffentlichem Kapital und privaten Investitionen liegt bei 125 Milliarden US-Dollar. 

Daraus ließen sich laut der Rechnung Brasiliens jährlich vier Dollar pro Hektar Tropenwald erwirtschaften für die Länder, deren Wälder von dem Fond erfasst sind. Allerdings unter den Bedingungen, dass diese Länder ihre Abholzungsraten auf ein Minimum beschränken und dies auch in Zukunft nicht ändern – sonst setzen die Zahlungen aus. 

Damit wäre der Fond der erste Mechanismus weltweit, der für die Bewahrung intakten Tropenwaldes – und somit auch für die Artenvielfalt und das Klima – eine finanzielle Belohnung bereitstellt. Und das theoretisch, ohne weitere jährliche Aufstockungen aus öffentlichen Mitteln zu benötigen. Bis zur COP30 müssten die noch offenen Fragen zur Integrität des Fonds und dessen Finanzmodell gelöst werden, so dass er in Belém beschlossen werden könnte. 

Sichergestellt werden muss zudem, dass die öffentlich mobilisierten Gelder zu Erstellung des Fonds zusätzlich fließen - also nicht mit anderer Klimafinanzierung verrechnet werden und diese damit schmälern. Und er darf den Fokus nicht ablenken von anderen wichtigen Instrumenten für den Waldschutz, etwa der europäischen Entwaldungsverordnung EUDR, die gerade massiv unter Druck steht.

Natur und Klima gehören zusammen

Apropos Waldschutz: Auf der COP und generell in der internationalen, bilateralen und auch nationalen Zusammenarbeit sollten künftig Natur- und Klimaschutz viel stärker zusammengedacht werden. Der Schutz der Biodiversität und der Schutz unseres Klimas gehören zusammen – beides kann nur gemeinsam gelingen. Die Schädigung eines Bereichs wirkt sich auch unmittelbar negativ auf den anderen Bereich aus. 

Für den WWF ist dies daher ein weiteres zentrales Thema. Wir plädieren dafür, auf der COP die Synergien zwischen Klima- und Biodiversitätsschutz zu adressieren und über gemeinsame Arbeitsstränge in den Klima- wie Biodiversitäts-COPs zu verstetigen. Das wäre auch dem Austragungsort angemessen: Nirgendwo wird die tiefe Verbundenheit von Klimakrise und dem Verlust biologischer Vielfalt so deutlich wie im Amazonasgebiet.

Ein Faultier im Amazonas. Früher teilten Tiere dieser Art ihren Lebensraum mit Riesenfaultieren, Rüsseltieren und Riesengürteltieren.
Ein Faultier im Amazonas. Früher teilten Tiere dieser Art ihren Lebensraum mit Riesenfaultieren, Rüsseltieren und Riesengürteltieren. Colourbox.de

4. Europa muss liefern

Die EU als politisches, wirtschaftliches und Treibhausgas-Schwergewicht ist gefordert, auf der COP voranzugehen und konkrete Fortschritte zu erwirken. Dafür wäre es ein wichtiges Zeichen gewesen, einen angemessenen Klimabeitrag für 2035 vorzulegen. Diese nationalen Klimabeiträge (NDCs) sind das Herzstück des Pariser Klimaabkommens – und daher das vierte zentrale Thema für uns.

In Summe sollen die NDCs dafür sorgen, die Erderhitzung auf möglichst 1,5 Grad zu begrenzen. Alle fünf Jahre müssen diese Beiträge aktualisiert und nachgeschärft werden, dieses Jahr stand wieder solch ein Aktualisierungszyklus an. Doch die EU hatte die offizielle Frist zur Einreichung verstreichen lassen und sich erst wenige Tage vor der COP nach zähem Ringen auf ein neues NDC einigen können – und dieses ist leider viel zu schwach. Umso dringender wird daher noch einmal die ambitionierte Umsetzung von Klimaschutzmaßnahmen.

Der Amazonas wirkt über sein Gebiet hinaus. Er ist unsere grüne Lunge – auch die EU, auch Deutschland braucht ihn zum Atmen. Was dort geschieht, betrifft unser Klima, unsere Ernährung. Wenn der Amazonas kippt und kein CO2 mehr aufnimmt sondern emittiert, dann sind die Folgen für die Klimakrise fataler denn je. Wer den Amazonas schützt, schützt das eigene Zuhause. Daher sollte auch die COP30 uns daran erinnern: Wir sind Teil eines großen Ganzen. Was wir dort verhandeln, spüren wir hier. Und was wir hier entscheiden, wirkt auch dort.

Viviane Raddatz, Leiterin Klima und Energie beim WWF Deutschland, setzt sich für wirksame Klimapolitik und die nachhaltige Transformation von Wirtschaft und Energieversorgung ein. Sie ist Teil unseres EXPERTS Circle. Die Inhalte stellen ihre persönliche Auffassung auf Basis ihrer individuellen Expertise dar.