Mit Schwert und Druckerpresse ins Jahr 1525: So authentisch feierte Kempten den „Großen Kauf“

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Mit Schwert und Druckerpresse ins Jahr 1525: So authentisch feiert Kempten den „Großen Kauf“

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Lyrik hörten die Besucherinnen und Besucher beim „Wortaufstand – Running Mic“. © Susanne Lüderitz

Geschätzt etwa 4.000 Menschen erlebten beim Fest „Der Große Kauf“ in Kempten das Jahr 1525 – mit Mitmachstationen, Musik und Stadtgeschichte zum Anfassen.

Kempten – „Der hat war auf dem Kerbholz.“ Wer weiß heute noch, wo diese Redewendung herrührt? Beim historischen Fest „Der Große Kauf“ konnten es die Besucherinnen und Besucher am Samstag erfahren und selbst fühlen. Rund um die Burghalde bereisten über den Tag verteilt geschätzte 4.000 Menschen das Kempten des Jahres 1525 und feierten den Deal, mit dem sich die Reichsstadt damals vollends vom Fürstabt freikaufte. Ob beim Bogenschießen, in der Kräuterwerkstatt oder beim Improtheater – an zahlreichen Stationen und Ständen hieße es mitmachen, neues lernen und das frühneuzeitliche Flair genießen.

Einen ganzen Tisch voll an Gegenständen zum Anfassen aus dieser Zeit hatten zwei Damen von den Kemptener Museen vor sich ausgebreitet: eine überaus große Unterhose, üblich damals bei ihm und ihr, eine Haube für die verheiratete Frau oder ein längliches kleines Holzstückchen. Auf dem sogenannten „Kerbholz“ ritzten die Menschen die Schulden einer Person ein. Anschließend teilten sie das Hölzchen längs. Eine Hälfte bekam der Schuldner, eine der Gläubiger. Waren die Schulden beglichen, strichen sie die Markierungen durch und verbrannten das Hölzchen.

Geschichte wird greifbar beim historischen Fest „Der Große Kauf“ in Kempten

„Stadtgeschichte zum Mitmachen und für alle Sinne“ könnte das Motto des ganzen Festes lauten. Auf große Begeisterung stieß etwa die Gutenbergpresse vom Verein Alte Druckkunst aus Wangen, die die Besucherinnen und Besucher selbst bedienen durften, oder das historische Brotbacken mit Geschmackserlebnis. Wie schwer ein Schwert in den Händen wiegt, fühlten die Gäste im Lager des Landsknechtsross 1504 im Altstadtpark.

Für die perfekte Geräuschkulisse sorgten die Kaiser Maximilian Trommler zu Kaufbeuren sowie Michael Schönmetzer und Jürgen Schlachter. Die beiden gaben Allgäuer Lieder aus dem Jahr 1525 zum Besten. Und wie ein Ross schnaubten die Kinder bei der Kinder-Impro-Show der Wendejacken mit Ritterin Rita und ihrem Pferd Mickey. Mehr über Burgen, den Bauernkrieg oder Freiheit konnte man bei den Veranstaltungen im Reglerhaus erfahren.

Oberbürgermeister Thomas Kiechle schlüpfte bei der Eröffnung des Festes selbst in die Rolle des einstigen Bürgermeisters Gordian Seuter. Seinem Verhandlungsgeschick ist es zu verdanken, dass sich die Reichsstadt Kempten damals für 30.000 Gulden aus allen Bindungen an den Fürstabt freikaufen konnte. Kiechle erinnerte in seiner Rede an die wichtige Bedeutung dieses Ereignisses und an jene des Bauernkriegs. Das Jahr 1525 sei ein „Meilenstein“ auf dem Weg zur Freiheit und zu einem freien Europa, „das wir mit allen uns zu Gebote stehenden Mitteln verteidigen müssen“.

„Eine tolle historische Basis!“

Bei den großen und kleinen Gästen auf der Burghalde kam das bunte Treiben bestens an. „Der Platz ist wunderschön!“, lobte eine Frau. Einer Kemptener Familie gefielen vor allem die Mitmachangebote, die Geschichtenzeit und das „süße“ Improtheater. Zwei Mittelalterfans, die solche Events des Öfteren besuchen, waren extra aus München nach Kempten gefahren. Ihr Fazit: „unheimlich authentisch“, klein, gemütlich. „Das Ambiente mit Mauerresten, Kräutergarten und ohne viel Kommerz lädt zum Eintauchen ein. Hätte das Fest Eintritt gekostet, wären wir nicht gekommen.“ Ein Mann aus der Nachbarschaft der Burghalde hätte sich allerdings mehr Werbung gewünscht.

Über einen „vollen Erfolg“ freute sich am Abend Nadja Kuban, die die Projektleitung für das Fest und das „Courageprojekt“ innehat. Geschätzte 4.000 Menschen hatten den Tag über mitgefeiert und ihre Erwartungen sogar übertroffen, wie sie erzählt. Nachdem schon die ganze Woche über Regen gefallen war, hatte das Organisationsteam im Vorfeld zusätzliche Pavillons und Zelte aufgestellt. Das Konzert des „Rainer von Vielen Duo“ war ins Künstlercafé umgezogen. Doch letztendlich „regnete es keine Bindfäden“, wie schon die Menschen in der frühen Neuzeit sagten. Die Wolken machten den Festbesuch sogar angenehmer als gleißende Hitze.

Feste, Konzerte, Ausstellungen: Was man in Kempten und Umgebung unternehmen kann, lesen Sie im Veranstaltungskalender.

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