Rund 100 frisch eingebürgerte Menschen aus Kempten erleben bewegende Momente bei der Einbürgerungsfeier mit Musik, Geschichten und großer Wertschätzung.
Kempten – In den Jahren 2022 bis 2024 erhielten in Kempten 898 Menschen, die aus 76 unterschiedlichen Ländern stammen, die deutsche Staatsbürgerschaft. Etwa 100 von ihnen folgten der Einladung des Oberbürgermeisters Thomas Kiechle, um diesen wichtigen Schritt im Rahmen einer Einbürgerungsfeier in der Schrannenhalle gemeinsam zu feiern.
Syrien führt Liste an: Andreas Hummel nennt Herkunftsländer der eingebürgerten Menschen
Bei den Herkunftsländern steht Syrien mit 221 eingebürgerten Personen an erster Stelle, gefolgt von der Türkei mit 83 und Italien mit 51, erfuhr der Kreisbote von Andreas Hummel, den Leiter des Amtes für Bürgerservice. Das Interesse steige Jahr zu Jahr, 2024 bekamen 406 Kemptener den deutschen Pass, 2025 rechne man mit etwa 600.
„Die Vielfalt in Kempten bereichert das Miteinander“, betonte der Oberbürgermeister in seiner Rede. Die mitgebrachten Geschichten und Erfahrungen jedes Einzelnen seien ein Gewinn für die Stadt.
Kiechle betont Werte: OB spricht über Demokratie und Verantwortung
Die deutsche Staatsangehörigkeit bedeute mehr als einen Pass zu haben, fuhr er fort, sie gebe den Menschen Sicherheit und das Gefühl, Teil einer Gemeinschaft zu sein, mit all ihren Rechten und Pflichten. Er wünschte den Gästen des Abends, dass sie sich im Allgäu – in ihrer „ersten oder zweiten Heimat“ – wohl fühlten und fragte, was dieser Begriff eigentlich bedeute. „Ein Ort, wo man versteht und verstanden wird und wo man Verantwortung übernimmt“ seien in seinen Augen die wichtigsten Inhalte.
In Deutschland lebe man in einer liberalen Demokratie, die derzeit weltweit, aber auch im eigenen Land unter Druck stehe, sagte Kiechle. In diesem politischen System zu leben, sei ein großes Geschenk. Nirgendwo sonst garantierten Institutionen die Rechte der Bürgerinnen und Bürger; nirgendwo sonst könnten die Menschen frei über ihr Schicksal selbst entscheiden und ihr Umfeld gestalten; nirgendwo sonst gebe es so viel Wohlstand und eine soziale Absicherung für Bedürftige. Man könne, wenn man wolle, das Land jederzeit verlassen.
Die Gesellschaft verändere sich ständig. Das geschehe von unten nach oben, deswegen komme es auf jeden Einzelnen an, wie die Demokratie wachsen könne. Kiechle erinnerte an das 500-jährige Jubiläum des Bauernkrieges und an den langen Weg, auf dem aus Untertanen freie Menschen wurden, die die Würde der anderen achten.
Freude über Wahlrecht: „Jetzt kann ich etwas sagen und das hat Mach.“
Ilknur Altan, Integrationsbeauftragte des Stadtrates, sprach von einem Tag von großer Bedeutung für die Eingebürgerten, an dem ein neuer Lebensabschnitt beginne. „Durch die Einbürgerung entsteht ein neues Band zwischen Ihnen und Deutschland, zwischen Ihnen und der Stadt.“ Sie rief dazu auf, die Zukunft Kemptens mitzugestalten und im kommenden Jahr bei der Kommunalwahl von ihrem Wahlrecht Gebrauch zu machen. Anschließend interviewte sie sechs Eingebürgerte.
Tereza Jörg stammt aus Tschechien und lebt seit ihrem siebten Lebensjahr in Deutschland. Oft habe sie sich gefragt: Wer bist du? Sie fühle sich genauso tschechisch wie deutsch. „Ich bleibe bis zu meinem Lebensende ein Mischling“, sagte Jörg. Das spiegle sich in der doppelten Staatsbürgerschaft wider. Sie stellte den Einbürgerungsantrag, weil vieles sich richtig angefühlt habe. „Alle dachten, ich wäre Deutsche, aber ich durfte nicht wählen. Jetzt kann ich etwas sagen und das hat Macht.“
Adriana Callejas führte vor fünf Jahren die Liebe aus Mexiko nach Deutschland. Bei der Entscheidung, hier zu leben, seien die Freiheit und Sicherheit für ihre Kinder ausschlaggebend gewesen. Diese fühlen sich „im Herzen mexikanisch und deutsch zusammen“. „Ich habe das Gefühl, ich bin jetzt hier zu Hause“, sagte Callejas. Sie spüre, jetzt komme in ihrem Leben etwas Neues und Schönes, dank der Freiheit.
Hamza Alsalamat schwärmte von der Familie, die ihm nach seiner Flucht aus Syrien bei der Integration sehr geholfen habe. Der Pflegefachmann hob hervor, dass er dabei gelernt habe, wie wichtig es sei, Teil der Gesellschaft zu werden und daran auch politisch teilzunehmen. Die Menschen hier hätten in ihm nie den Migranten gesehen. „Ich hoffe, dass ich weiterhin integriert bleibe“, formulierte er als Wunsch.
Einbürgerungsfeier in Kempten: Den deutschen Pass zu erhalten, erfüllt mit Stolz
Tetiana Glaser stammt aus der Ukraine und lebt seit sieben Jahren in Kempten. Ihren Exmann, einen Spätaussiedler, lernte sie beim Studium in Fulda kennen. „Deutschland hat den mächtigsten Reisepass“, sagte sie augenzwinkernd und erzählte ein Schlüsselerlebnis am Flughafen: Als sie, gemeinsam mit ihrem Mann und ihrem gemeinsamen Kind, beide mit deutschem Pass, kontrolliert worden sei, hätten die Beamten sie mit ihrem ukrainischen Pass nicht als Familienmitglied wahrnehmen wollen.
Jetzt sei sie stolz, die Staatsbürgerschaft, trotz Scheidung, aus eigener Kraft bekommen zu haben. Das Bedürfnis nach Sicherheit habe ihr nach 2022 eine weitere Motivation gegeben. „Ich liebe Deutschland und träume davon, irgendwann hierzulande in meinem ursprünglichen Beruf als Juristin arbeiten zu dürfen“, sagte Glaser.
Mohammed Alahmad schildert Flucht: Syrer will gegen Rassismus und für Vielfalt kämpfen
Mohammed Alahmad flüchtete in einem kleinen Boot vor dem Krieg in Syrien, ohne schwimmen zu können. „Ich wollte nicht nur Zuschauer sein, ich wollte nicht, dass andere für mich entscheiden, sondern selbst mitgestalten“, begründete er seine Entscheidung für die deutsche Staatsbürgerschaft. „Das Leben als Gast ist nicht immer schön hier“, betonte er, auch deshalb wolle er nach seinem Studium der sozialen Arbeit Projekte für Vielfalt, gegen Diskriminierung und Rassismus durchführen.
Man fühle sich auch als Bürger mit Migrationshintergrund oft als Mensch zweiter Klasse. Wir lebten heute in schwierigen Zeiten, in denen der Rassismus immer stärker wird, sagte Alahmad. Man müsse sich bewusst machen, dass die vielfältige Gesellschaft eine Stärke von Deutschland sei. Diese müsse man verteidigen, indem man darüber laut rede. „Nicht schweigen bitte!“ Zu seinen Zukunftsplänen gehörten Auslandseinsätze in Syrien oder Palästina nach dem Krieg. Er wolle helfen, Kinder und Jugendliche wieder in die Gesellschaft zu integrieren.
Kamuzyu Hausmann, die vor 17 Jahren aus Sambia nach Deutschland kam und hier heiratete, sieht in dem deutschen Pass auch ein Symbol dafür, dass sie in ihrer neuen Heimat als gehörlose Frau angekommen ist. Sie wollte mit der Einbürgerung auch ihren Kindern, die in Kempten geboren wurden, ein Zeichen setzen und hofft, dass sie bei Antragstellungen in Zukunft mit weniger Nachfragen konfrontiert werde.
Die zehnjährige Mirna Youssef spricht über Frieden und neues Zuhause
Auf einmal trat ein junges Mädchen selbstbewusst ans Mikrophon: die zehnjährige Mirna Youssef, Tochter eines kurdischen Ehepaars, das 2016 aus Syrien flüchtete. „Als meine Eltern nach Deutschland gekommen sind, hatten sie Angst und keine Sicherheit. Aber hier, in Deutschland, haben sie Frieden gefunden“, sagte sie. „Dafür möchten wir uns von Herzen bedanken. Wir sind sehr glücklich hier. Und wir sind stolz, diese Stadt unser Zuhause nennen zu dürfen.“ Sie erhielt den größten Applaus des Abends.
Unter den Eingebürgerten trifft man bei jeder derartigen Feier auf prominente Persönlichkeiten, bei denen man nie eine ausländische Herkunft vermutet hätte. Diesmal gehörte der bekannte Cellist und erfolgreiche Musikschullehrer Christian Brunner zu ihnen. Der in München geborene Schweizer – sein Vater war Oberklarinettist im Orchester des Bayerischen Rundfunks – lebt und wirkt seit 38 Jahren in Kempten. Er ist Fachbereichsleiter für Streicher sowie Inklusionsbeauftragter in der Schule, und jetzt auch Deutscher, erzählt er stolz.
Die musikalische Gestaltung der Veranstaltung übernahmen vier Musiker der Stadtkapelle unter der Leitung von Matthias Haslach. Am Ende des offiziellen Teils begleiteten sie auch das gemeinsame Singen der deutschen Hymne.
Feste, Konzerte, Ausstellungen: Was man in Kempten und Umgebung unternehmen kann, lesen Sie im Veranstaltungskalender.
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