„Gut, dass Politik reagiert“: Grundschul-Rektoren froh über Aufstockung von Deutsch und Mathe
Rektoren im Landkreis begrüßen die Aufstockung von Deutsch und Mathe in der Grundschule. Wie genau die neue Fächergewichtung umgesetzt wird, ist noch unklar.
Bad Tölz-Wolfratshausen – Grund zum Handeln sieht die Politik nach den Pisa-Ergebnissen an bayerischen Grundschulen. Immer mehr Kinder haben demnach Probleme beim Lesen, Schreiben und Rechnen. Mit der „Pisa-Offensive Bayern“ will Kultusministerin Anna Stolz (FW) nun Abhilfe schaffen. Das jüngst vom bayerischen Kabinett beschlossene Konzept soll durch zusätzliche Stunden in den Fächern Deutsch und Mathematik die Leistungen der Schülerinnen und Schüler steigern. Das geht auf Kosten anderer Fächer. Konkret heißt das: Kürzungen in Kunst, Musik, Werken und Englisch. Schulleiter aus dem Landkreis sehen ebenfalls Handlungsbedarf bei den Basis-Qualifikationen. Zur Umsetzung der Offensive sind aber noch Fragen offen.
Bärbel Weixner, Rektorin der Tölzer Lettenholzschule, sagt: „Grundsätzlich finde ich es gut, dass auf die Pisa-Ergebnisse nun reagiert wird.“ Ganz „passgenau“ finde sie die bisherigen Angaben zu den Umsetzungsmöglichkeiten allerdings noch nicht. Denn: Bis dato war der Stundenplan für jede Klasse fest geregelt. Künftig soll ein Pool aus dem Fächern Kunst, Musik sowie Werken und Gestalten gebildet werden. Vier bis fünf Unterrichtsstunden pro Woche stehen künftig für diese Fächer zur Verfügung.
Kritik an Gewichtung des Religionsunterrichts
„Es ist ja noch nicht klar, ob das Schulamt den Schulen einen Plan zur genauen Umsetzung vorgibt oder ob jede Schule für sich selbst entscheiden kann, welche Gewichtung innerhalb dieser vorgegebenen Stunden die einzelnen Fächer bekommen“, erklärt Weixner. „Meine Kollegen und ich sind der einhelligen Meinung, dass es beispielsweise die dritte Religionsstunde in der dritten Klasse nicht zwingend braucht. Hier hätte man gut eine Stunde für Mathe oder Deutsch opfern können.“ Weiter: „Auch die Gleichwertigkeit von Religion mit Heimat- und Sachunterricht finde ich persönlich fragwürdig.“
Mit Blick auf Werken und Gestalten würde die Rektorin ungern einsparen. „Schließlich gibt es das Fach nur in der Grundschule.“ Dann blieben noch Musik und Kunst als Stellschrauben, um mehr Zeit für Mathe und Deutsch zu schaffen. „Gerade musische Fächer liegen mir sehr am Herzen, aber irgendwo wird man eben diese Stunden hernehmen müssen.“
Herausforderung: Adäquaten Mittelweg finden
Ab der dritten Klasse können ab dem kommenden Schuljahr auch Englisch-Unterrichtsstunden eingespart werden. Bisher sah der Lehrplan für Dritt- und Viertklässler zwei Stunden Englisch pro Woche vor. „Mit einer Fremdsprache mit nur einer Stunde die Woche zu beginnen, das hat absolut keinen Sinn“, ist Weixner überzeugt. „Man kann darüber diskutieren, ob man mit Englisch überhaupt schon in der Grundschule beginnt, dazu gibt es verschiedene Ansichten. Aber wenn, dann vernünftig und nicht nur mit einer Stunde.“
Christian Müller, Rektor der Tölzer Südschule, bewertet es ebenfalls grundsätzlich positiv, dass auf die Pisa-Ergebnisse politische Reaktionen folgen. „Es ist klar, dass es verschiedene Interessen gibt, aber es ist auch klar, dass man nun mal irgendwo einsparen muss, um mehr Platz für die Basisqualifikationen zu schaffen“, sagt er.
Problem: Erfassendes Lesen
Michael Basel, Konrektor der Südschule, stellt schon seit ein paar Jahren fest, dass die Leistungen beim erfassenden Lesen, also dem Verstehen von Texten, bei den Schülerinnen und Schülern immer mehr abrutschen. Davon berichtet auch Weixner. „Es gibt in Deutsch einfach immer größere Defizite, das ist nicht wegzureden.“
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Trotzdem stellt Basel klar: „Es ist sehr bedauerlich für die kreativen Bereiche. Es gibt viele Studien und Nachweise, dass diese Bereiche fürs Lernen sehr förderlich und wichtig sind.“ Mögliche Folgen einer Kürzung stünden Verbesserungen durch die Intensivierung der Basisfächer gegenüber. „Das wird sich alles erst im Laufe der kommenden Jahre dann zeigen.“ Schade sei, dass man das Loch bei den kreativen Bereichen nicht mit für die Schüler freiwilligen Angeboten an Nachmittagen abfedern könne. „Früher hatten wir zehn bis zwölf verschiedene AGs im Angebot, und die Nachfrage war auch immer sehr hoch“, so Basel. Allerdings fehle es dafür mittlerweile an Personal. „Aktuell können wir nicht eine AG anbieten.“
Peter Lang ist der Rektor der Tölzer Jahnschule. Auch er kann noch nicht genau sagen, wie die neue Regelung ab dem kommenden Schuljahr an der Jahn-Grundschule umgesetzt wird. Er äußert sich auf Anfrage wie folgt: „Die Beschlüsse sind recht frisch und die Umsetzungsmöglichkeiten der Vorgaben müssen zunächst intensiv innerhalb der Schulfamilie diskutiert und abgewogen werden.“ Ziel ist es laut Lang, „einen adäquaten Mittelweg zwischen der Fokussierung auf die Basiskompetenzen zum einen und dem ganzheitlichen Lernen mit Kopf, Herz und Hand zum anderen sicherzustellen“.
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