„Schöner, ökologisch wertvoller Baum“: Ärger um gefällte Kastanie in der Stadtmitte
Die Anwohner und der Baumschutzbeauftragte fühlen sich überrumpelt: An der unangekündigten Fällung eines stattlichen Baums neben der Tölzer gibt es Kritik.
Bad Tölz – Wenn ein Baum gefällt wird, tut das vielen Menschen in der Seele weh – mitunter aber ist es unvermeidlich. Ob das aktuell auch im Fall einer alten Kastanie im Tölzer Frauenfreithof der Fall war, darüber gehen die Meinungen auseinander. Anwohner und Inhaber umliegender Geschäfte kritisieren die Entfernung des schönen Baums. Richard Hoch, Baumschutzbeauftragter des Stadtrats, beklagt, dass die Fällung – anders als in solchen Fällen üblich – ohne Rücksprache mit ihm erfolgte.
Kastanie am Frauenfreithof in Bad Tölz gefällt
Es war der 29. Februar, als bei Richard Hoch das Telefon klingelte. Ein Bürger informierte ihn, dass Mitarbeiter des städtischen Betriebshofs soeben die letzten Überreste einer einst stolzen Kastanie zwischen Stadtpfarrkirche und Alter Madlschule beseitigten. Später gingen noch einige weitere entsprechende Nachrichten bei dem Baumschutzbeauftragten ein.
Zu denen, die den Verlust des Baums beklagen, gehört Tierärztin Ulrike Vögele. „Dieser Baum war stadtbildprägend“, sagt sie. „Wir waren alle frustriert, unglücklich und entsetzt.“ In dem weitgehend gepflasterten Bereich werde es ohne den Schatten spendenden Riesen jetzt wohl noch heißer. Den Vögeln und Eichhörnchen werde der Baum als Lebensraum fehlen. Vögele findet es „nicht mehr zeitgemäß, dass so etwas klammheimlich passiert, ohne dass man den Anwohnern Bescheid gibt“. Gerade in der heutigen Zeit „würde es uns allen guttun, miteinander zu reden, und nicht, die Menschen vor vollendete Tatsachen zu stellen“, betont sie.
Grund für Baumfällung war ein Trafohäuschen
Geschäftsmann Peter von der Wippel, Inhaber von „Sport Peter“ blickte bis zum 29. Februar aus seinem Bürofenster direkt auf die Kastanie. „Sie hat den Platz sehr aufgewertet“, sagt er. Dass der Baum jetzt weg ist, findet er schade. Von der Wippel wundert sich vor allem über die fehlende Rücksprache. „Wozu gibt es dann einen Baumschutzbeauftragten?“, fragt er sich. „Nur wenn man sich abgesprochen hätte, hätte man sehen können, ob es eine bessere Lösung gibt.“
Als „unerlässlichen“ Grund für die Fällung nennt Rathaus-Sprecherin Birte Stahl auf Anfrage unserer Zeitung „Erschließungsmaßnahmen der Stadtwerke“. In dem Bereich werde eine Trafostation errichtet, „welche die bereits bestehende ersetzt und die Leistung für künftige Anforderungen verstärkt“, so Stahl. Der neue Standort sei vorab gemeinsam mit der Stadt ausgewählt worden.
Bei Baumfällung war Eile geboten
„Erst im Zuge der laufenden Arbeiten stellte sich heraus, dass eine Verlegung der Leerrohre an dem Baum vorbei nicht möglich ist, ohne die Wurzeln zu verletzen“, so die Pressesprecherin weiter. „Durch die notwendig hohe Zahl an Leerrohren wäre ein Großteil der Wurzeln betroffen gewesen.“ Damit wäre die Kastanie nicht mehr standsicher gewesen. „Zudem waren die freiliegenden Wurzeln durch den Winterdienst beschädigt, sodass man sich schließlich kurzfristig zur Fällung des Baumes entschieden hat.“
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Weil es laut Naturschutzgesetz ab 1. März nicht mehr erlaubt ist, Bäume zu fällen, musste es schnell gehen – und man nutzte mit dem 29. Februar den letzten möglichen Tag, den das Schaltjahr den Verantwortlichen beschert hatte. „Im Zuge der Eile wurde es leider versäumt, die Baumschutzkommission zu informieren, die im Regelfall in diese Prozesse mit eingebunden wird“, räumt Otterbach ein. Mit Simon Behmenburg, Baumkontrolleur der Stadt Bad Tölz, sei die Vorgehensweise aber abgesprochen gewesen.
Für mich ist es ein No-Go, einen so schönen, ökologisch wertvollen Baum zu fällen, der für das Stadtbild wichtig ist und Schatten spendet.
„Mir reicht die Begründung nicht“, stellt Richard Hoch klar. Dass ein Transformatorenhäuschen wichtig ist, „stelle ich nicht infrage“, so der Grünen-Stadtrat. „Jeder will, dass die Leitung stabil ist.“ Nur ob diese städtebaulich schöne Ecke mit dem gerade erst aufgewerteten Bürgergarten in der Nachbarschaft wirklich der beste Platz dafür sei, hinterfragt Hoch. „Die Notwendigkeit kann ich aus dem Stegreif nicht bewerten.“
Und: „Ob die Fällung der Kastanie die einzige Lösung ist, möchte ich stark in Zweifel ziehen.“ Die kostengünstigste und auch im übertragenen Sinn „billigste“ Variante sei nicht immer die beste, so Hoch. Dem sei auch gegenüberzustellen, dass es ein schöner, gesunder Baum gewesen sei, und zwar „kein kleiner“. Nach den Ringen der Baumscheibe zu urteilen habe die Kastanie „zig Jahre auf dem Buckel“ gehabt. „Für mich ist es ein No-Go, einen so schönen, ökologisch wertvollen Baum zu fällen, der für das Stadtbild wichtig ist und Schatten spendet“, sagt Hoch.
Fällungen auch am Krottenbach und im Kurpark
Er fügt aber auch hinzu, dass die Absprachen mit ihm als Baumschutzbeauftragten und Vorsitzenden der Baumschutzkommission in anderen Fällen besser klappe. Die Fällung zweier Schwarzkiefern am Krottenbach nahe der Dreifachturnhalle an der Jahnstraße sei mit ihm abgestimmt gewesen. „Einer der Bäume war krank, der zweite war durch vorherige Tiefbaumaßnahmen der Stadtwerke so geschädigt, dass er auf Dauer nicht überlebensfähig war.“ Allein mit der Begründung, dass die Bäume eine Dachrinne verschmutzen – was hier auch der Fall gewesen sei – würde er einer Fällung aber nicht zustimmen.
Auch die Beseitigung von Bäumen im Kurpark zugunsten des Nahwärmenetz-Ausbaus sei aus seiner Sicht okay gewesen. „Die waren tatsächlich massiv geschädigt.“ Und bei Fällungen zur Verkehrssicherung „müssen wir gar nicht diskutieren“, so Hoch.
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Generell lobt er auch, dass die Stadt mittlerweile größere Anstrengungen unternehme, um Bäume in der Stadt zu pflegen und zu erhalten. „Da wird viel mehr gemacht als früher.“ Daher hofft er, dass der nicht abgesprochene Fall der Kastanie eine Ausnahme bleibt.