Wohlfühloase im doppelten Sinn: 200 Mitarbeitern wird Kurzurlaub geschenkt
Egal ob Führungskraft oder Küchenhilfe – im Krüner Vorzeige-Hotel „Das Kranzbach“ wird sich geduzt. Respekt und Wertschätzung sollen das Nobelhaus noch stärker durchdringen. Dafür stehen Eigentümer David Edinger und sein neuer Direktor Friedhelm Doesel.
Kranzbach – Kürzer geht‘s nicht: „Alle?“, fragt Wilhelm Doesel mit leicht ungläubigem Blick. „Alle!“, antwortet ihm sein Chef David Edinger im Brustton der Überzeugung. Dieser will etwas tun, was in der deutschen Hotellerie wohl einzigartig sein dürfte: Im Herbst sperrt Edinger seine Nobeladresse „Das Kranzbach“ im idyllischen Elmauer Tal zu und lädt die komplette Belegschaft – über 200 Mitarbeiter – für vier Tage zum Wellness-Kurzurlaub ins Fünf-Sterne-Superior-Hotel Interalpen im benachbarten Seefeld ein. Damit wird aus dem Wellness-Tempel Kranzbach somit eine Wohlfühloase im doppelten Sinn.
„Wir wollen ein Signal aussenden, dass wir in eine neue Zeit eintauchen“, verdeutlicht der Architekt aus Innsbruck, der im Mai 2023 durch den plötzlichen Tod seines Vaters und Kranzbach-Begründer Dr. Jakob Edinger (1944 bis 2023) von einem Tag auf den anderen in die Hotelbranche bugsiert wurde. Was der Seiteneinsteiger damit meint: Noch mehr Wertschätzung und Respekt sollen durch die luxuriösen Hallen des ehemaligen, über 100 Jahre alten Landsitzes wehen, den Jakob Edinger durch eine Millionen-Investition 2003 wach geküsst hatte.
„Employer-Branding-Prozess“ lautet diese besondere Form von Markenbildung und Mitarbeiterführung im Neudeutsch. Mit Friedhelm Doesel (40) weiß Edinger genau den richtigen Mann an seiner Seite. „Wir sind uns in puncto Führungsstil einig“, betont Doesel, der Anfang Februar den Direktorenposten übernommen hat (Bericht folgt). Der Hotelbetriebswirt, tritt die Nachfolge von Ralf Enseleit an. Der Wiesbadener zog bereits im März 2024 einen Schluss-Strich. Das stete Pendeln zwischen dem Pinzgau, wo seine Familie lebt, und Kranzbach waren Enseleit nach dreieinhalb Jahren auf Dauer zu viel. Die Trennung sei „einvernehmlich“ verlaufen, versichert Edinger. „Herr Enseleit möchte in die Beratung gehen.“
Im selben Zeitraum ging auch noch die bisherige Personalchefin in Mutterschutz. „Wir hatten eine turbulente Zeit und sehr viel Unruhe im Betrieb“, erinnert sich Edinger. Deshalb hat er in seinem Haus eine Transformationsphase eingeleitet – und die verläuft in allen Bereichen. Die Mitgesellschafter und Geschäftspartner Gunda und Werner Unterweger aus der Steiermark kümmern sich nun wieder ausschließlich um das Schwesterhotel Steirerhof in Bad Waltersdorf. David Edinger wiederum schlüpft in die Rolle des alleinigen Kranzbach-Chefs.
Im Verbund mit seiner rechten Hand Doesel will Edinger frischen Wind reinbringen. Dazu zählt auch der Abschied von hierarchischen Strukturen. Mit anderen Worten: Es wird sich geduzt auf allen Ebenen. „Wertschätzende Kommunikation“, nennt das Edinger. Sein Credo: Wenn ich Wertschätzung und Respekt nur über das ,Sie‘ aufbauen kann, werde ich kein guter Geschäftsführer sein.“ Das „Du“ war der Wunsch von ungefähr 80 Prozent der Belegschaft bei einer Mitarbeiter-Umfrage – der ersten überhaupt. Doch beim Wellness-Trip nach Seefeld, bei bezahlbaren Mitarbeiterwohnungen oder flachen Hierarchien soll‘s nicht bleiben. Angestellte sollen Wertschätzung auch im Geldbeutel spüren. Direktor Doesel spricht von „übertariflicher Bezahlung“. Was ihm zufolge eine Zielgruppe besonders ansprechen soll: „Wir wollen unbedingt die Einheimischen im Team haben.“ Die dann möglicherweise eine noch engere Verbindung mit ihrem Arbeitgeber eingehen.
Wir wollen ein Signal aussenden, dass wir in eine neue Zeit eintauchen.
Doch die Transformation findet auch im Hotel selbst ihren sichtbaren Niederschlag – allerdings aus Kostengründen erst 2026. Alle Zimmer und Suiten sollen demnach modernisiert, die Tiefgarage erweitert und eine Energiezentrale – eine riesige Pellets-Heizanlage – geschaffen werden. Ein zweistelliger Millionenbetrag muss dafür eingesetzt werden. Bei einer durchschnittlichen Auslastung von etwa 80 Prozent durchaus stemmbar. Dennoch bekommt David Edinger bei der Preiskalkulation in regelmäßigen Abständen Schnappatmung.
Bei der Energieversorgung erinnert sich der Hotelchef an das Flüssiggas-Provisorium, das sein Vater 2022 unter dem Eindruck des Ukrainekriegs und der Ressourcen-Verknappung in Kranzbach installieren ließ. „Das hat ein Vermögen gekostet.“ Mit dem künftigen Kraftwerk und seinem riesigen unterirdischen Bunker will man endlich energie-autark werden. Die kompletten Baumaßnahmen sollen voraussichtlich im Mai/Juni 2026 verwirklicht werden. In diesem Zeitraum bleibt das abgeschiedene Nobelhotel logischerweise für zwei Monate geschlossen. Dann dürfte die Transformation abgeschlossen sein. David Edinger weiß, dass das einen Paradigmenwechsel bedeutet, der bei seinem Vater nicht nur Begeisterung auslösen würde. „Wir machen viele Dinge, mit denen er wohl nicht einverstanden gewesen wäre.“
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Doch diese in der Region wohl beispiellose Charme- und Investitionsoffensive ist für David Edinger alternativlos. Denn auch die Wohlfühloase Kranzbach befindet sich im „knallharten Wettbwerb“ mit der Konkurrenz – vornehmlich aus Südtirol.