Unternehmer-Chef wettert gegen Umweltministerin Steffi Lemke: „Völlig falsch und realitätsfern“
Der Verband Unternehmer NRW sieht die deutsche Industrie in Gefahr. Schuld sei eine ideologiegetriebene Politik. Vor der Europawahl gebe es aber eine noch größere Gefahr.
Düsseldorf – Wenn das Wetter gut ist, kann man von hier oben fast das Ruhrgebiet in der Ferne erahnen: dort, wo immer noch ein großer Teil der NRW-Industrie sitzt, Schwergewichte der deutschen Wirtschaft. Um letztere ist es nicht allzu gut bestellt, hieß es beim traditionellen Aschermittwochgespräch der Landesvereinigung der Unternehmensverbände NRW („Unternehmer NRW“) in Düsseldorf, wo bekanntlich der Schreibtisch des Ruhrgebiets steht. Hier im zwölften Stock des Verbandshochhauses plant man – und macht sich Sorgen. „Deutschland ist das einzige Industrieland auf der Welt, das schrumpft. Die Basis bröckelt“, sagt Arndt G. Kirchhoff, Präsident von Unternehmer NRW. Das liege auch einer falschen Wirtschaftspolitik, die sich schleunigst ändern müsse.
Unternehmer: Ampel-Regierung ist ideologiegetrieben
„Es ist allerhöchste Zeit, dass sich die Bundesregierung zusammenreißt“, so Kirchhoff. Die Politik der Ampelregierung sei viel zu sehr ideologiegetrieben: „Da sitzen Parlamentarier, die gehen ideologisch an Politikgestaltung. Die sagen uns, wie Wirtschaft funktioniert. Aber die haben gar keine Ahnung davon.“

PFAS-Verbot ist „realitätsfremd und verschreckt die Industrie“
Der Chef des traditionsreichen Automobilzulieferers Kirchhoff Automotive hat dafür auch ein aus seiner Sicht passendes Beispiel mit vier Buchstaben: PFAS. Das Akronym steht für eine riesige Gruppe von Chemikalien, die in zahlreichen Alltagsprodukten wie Smartphones, Kleidung oder Bratpfannen Anwendung finden. Auch für Lithium-Ionen-Akkus etwa von E-Autos werden PFAS-Chemikalien genutzt. Die Stoffe lagern sich in der Umwelt und im menschlichen Körper ab und stehen im Verdacht, gesundheitsgefährdend zu sein. In der EU wird deshalb ein PFAS-Verbot diskutiert, auch Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Grüne) will klare Beschränkungen.
Aus Unternehmer-Sicht kein guter Ansatz, findet Kirchhoff: „Steffi Lemke verbietet erst mal alles und will dann Ausnahmen machen. Das ist völlig falsch und realitätsfremd und verschreckt die Industrie.“ Eine vernünftige Politik sei aus seiner Sicht, PFAS nicht grundsätzlich zu verbieten, sondern sich dafür einzusetzen, dass einzelne besonders kritische Chemikalien durch Alternativen ersetzt.
Sorge vor Europawahl 2024: „Wenn man unser Land und Europa völlig ruinieren will, dann muss man den Dexit machen”
Besonders große Sorgen mache er sich vor der Europawahl. Die sei in diesem Jahr „die vielleicht wichtigste Wahl seit Bestehen der Europäischen Union“, so der Verbandspräsident. „Es entscheidet sich die Frage, ob wir ein freies und rechtsstaatliches Europa haben wollen, oder eines, das Abschottung, Extremismus und Nationalismus zulässt.“ Eine geeinte und handlungsfähige Europäische Union sei so wichtig wie noch nie. Er sehe ein Erstarken von Extremisten und Populisten, die Europas Wirtschaft gefährdeten und einen Ausstieg Deutschlands aus der EU postulierten. „Über zwei Drittel unserer Produkte handeln wir in und mit Europa. Das ist unser Heimatmarkt“, so Kirchhoff. „Wenn man unser Land und Europa völlig ruinieren will, dann muss man den Dexit machen.”
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Indirekt äußerte er sich auch zum sogenannten Geheimtreffen in Potsdam, wo AfD-Politiker mit Rechtsextremisten über die Deportation von Millionen Menschen diskutiert hatten. „Wir wollen gerne Fachkräfte aus dem Ausland anwerben und dann laufen einzelne Menschen in Deutschland rum und reden übers Deportieren. Dagegen werden wir uns wehren, mit der vollen Unterstützung all unserer Belegschaften und der Gewerkschaften.“ Er rate dringend ab, aus Protest bei der Wahl „ein Kreuzchen an eine bestimmte Stelle zu setzen, und dann Extremisten unterstützen“.
Dexit steht bei AfD im Wahlprogramm: „Das muss man deutlich sagen“
Es gehe dem Verband nicht explizit um die AfD, man wolle keine Parteienpolitik machen. Aber Johannes Pöttering, Hauptgeschäftsführer von Unternehmer NRW ergänzte: „Bei der AfD steht der Dexit im Wahlprogramm, das muss man deutlich sagen.” Mehrere deutsche große Unternehmen hatten zuletzt bereits vor der AfD gewarnt.