Miele, Porsche & Co: Unternehmen verlassen Deutschland – „Nicht mal die Finanzkrise war so gravierend“

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Miele, Porsche & Co: Unternehmen verlassen Deutschland – „Nicht mal die Finanzkrise war so gravierend“

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Immer mehr Unternehmen kehren Deutschland den Rücken zu. Zuletzt auch Miele und Porsche, zwei große Traditionsfirmen.

Berlin – Dass der Standort Deutschland nicht mehr wettbewerbsfähig ist, hat die Politik zwar erkannt. Doch es ist gut möglich, dass diese Erkenntnis zu spät kommt. Die ersten deutschen Unternehmen haben angekündigt, ihre Produktionsstätten zu verlagern: Neben dem Konzern Miele – der einen Teil der Produktion nach Polen auslagern will – haben auch Unternehmen wie Porsche und Kärcher das Ausland zunehmend im Visier. Die Gründe dafür sind vielfältig, aber auch die politischen Entscheidungen der Ampel-Koalition haben ihren Beitrag geleistet.

Miele will bis 2026 rund 500 Millionen Euro einsparen

„Ich bin seit 1999 im Unternehmen, und wir haben seitdem mehrere sehr herausfordernde Phasen erlebt. Aber nicht mal die Finanzkrise von 2008/09 hat sich bei uns so gravierend bemerkbar gemacht“, so schildert der Konzernchef von Miele, Markus Miele, die aktuelle Lage im Interview mit der Zeit. Jede Sparte des Haushaltsgeräteherstellers sei betroffen. „Von den verkauften Stückzahlen her haben wir im vergangenen Jahr das gesamte Wachstum von mehr als fünf Jahren verloren.“

Entsprechend hat Miele auch die Entscheidung treffen müssen, in Deutschland bis zu 700 Stellen zu streichen und Teile der Produktion nach Polen zu verlagern, um Kosten zu sparen. Zur Begründung verwies es auf den „weltweiten Einbruch der Nachfrage nach Hausgeräten sowie die drastischen Preissteigerungen auf der Kostenseite“.

Das sogenannte Effizienzprogramm solle den finanziellen Spielraum von Miele bis 2026 um rund 500 Millionen Euro erweitern, wie das Unternehmen mitteilte. Dafür sei „eine substanzielle Senkung der Personalkosten unausweichlich“. Die Umsetzung solle „so sozialverträglich wie möglich erfolgen“. Derzeit hat Miele nach eigenen Angaben weltweit 23.000 Beschäftigte.

Der Plan sieht laut Miele im Einzelnen vor, dass bis 2027 fast alle Waschmaschinen für den Haushalt im polnischen Ksawerow montiert würden. Dafür sollen im Werk in Gütersloh 700 Stellen schrittweise entfallen. Die übrigen Teile der Gütersloher Geräteproduktion wie Presswerk, Gießerei oder Bearbeitung der gegossenen Teile seien von der Verlagerung nicht betroffen.

Auch Porsche will Deutschland verlassen

Im Interview mit der Zeit betonte Markus Miele auch nochmal, dass keiner der Unternehmensstandorte geschlossen würde. Und: „2700 Stellen zu streichen oder zu verlagern, bedeutet nicht, dass es auch nur annähernd so viele Kündigungen geben muss.“

Nicht nur Miele verlagert die Produktion aufgrund der schwierigen wirtschaftlichen Lage in Deutschland ins Ausland. Erst vor wenigen Tagen wurde durch die Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) publik, dass der Autobauer Porsche seine neue Batteriefabrik doch nicht in der Heimat bauen will, sondern vermutlich in den USA. Nach Informationen der FAZ könnten vor allem die Subventionen den Ausschlag gegen einen Standort in Baden-Württemberg geben. Aus Unternehmenskreisen heißt es, dass Nordamerika wohl bereit wäre, Porsche mit fast zwei Milliarden Euro unterstützen. In Deutschland könnte der Autohersteller eine Förderung zwischen 700 und 800 Millionen Euro erhalten.

Und auch der Reinigungsgerätehersteller Kärcher plant wohl einen Umzug, allerdings nicht im Hauptkonzern. Laut übereinstimmenden Medienberichten plant der rechtlich selbstständige Geschäftsbereich Kärcher Municipal, Arbeitsplätze von Reutlingen nach Lettland zu verlagern. Betroffen sind rund ein Viertel der Stellen des Spezialfahrzeugherstellers.

Viele Faktoren setzen Unternehmen unter Druck

Doch warum zieht es so viele Unternehmen gerade jetzt aus Deutschland weg? Wie es der Miele-Chef in der Zeit erklärt, gibt es mehrere Faktoren. So habe man zwar schon damit gerechnet, dass das Pandemie-Hoch irgendwann wieder vorbei sein würde, als viele Menschen in ihr Zuhause investiert haben – aufgrund fehlender Reisemöglichkeiten. „Hier sind jedoch die wirtschaftlichen Auswirkungen des Kriegs in der Ukraine hinzugekommen, mit einem allgemeinen Einbruch der Konsumneigung, hohen Steigerungen bei Preisen und Zinsen sowie der Krise im Bausektor. Damit haben auch wir nicht gerechnet“.

Waschmaschinen-Produktion Miele Werk Gütersloh (8.6.2022)
Miele Werk Gütersloh © IMAGO/Robert B. Fishman

Die Energiekosten, die Zinsen, der wirtschaftliche Abschwung – all das sind Dinge, die auch in anderen Ländern gelten. Doch deutsche Firmen werden noch von Bürokratie und einer höheren Steuerlast erdrückt. Für Firmen, die auch nur im weitesten Sinne mit der Baubranche zu tun haben – wie Miele – kommt noch die Baukrise erschwerend hinzu. Und die ist durchaus auf die politischen Entscheidungen der Ampel-Koalition, die Investoren verschreckt haben, in großen Teilen zurückzuführen.

Ampel will Wirtschaft bald entlasten und „Wirtschaftswende“ einläuten

Entsprechend wird in der Politik seit Wochen darüber gestritten, wie die Lage wieder in den Griff zu kriegen ist. Finanzminister Lindner wies im Gespräch mit dem Münchner Merkur darauf hin, dass die Ampel für den Wirtschaftsstandort Verbesserungen auf den Weg gebracht habe. Das reiche aber noch nicht aus. „Die Wettbewerbsbedingungen wurden so lange vernachlässigt, dass wir eine Wirtschaftswende brauchen.“

Wachstumsbremsen seien vor allem zu viel Bürokratie, der Fachkräftemangel, die vernachlässigte Infrastruktur und zu hohe Steuern. „Wir haben bereits Fortschritte erzielt, aber die Koalition muss schneller und entschlossener in diese Richtung arbeiten.“ Neue Prioritäten im Haushalt zu setzen, hatte zuletzt bereits für monatelangen Streit in der Koalition gesorgt. Der Entwurf für den Haushalt 2025 soll Lindner zufolge bis zum Sommer geklärt werden. Ob das reichen wird, den Trend noch rechtzeitig umzukehren, wird sich dann erst zeigen.

Mit Material von Reuters

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