Warum Miele in der Krise steckt – Zwischen Inflation und „Regulierungs-Tsunami“

  1. Startseite
  2. Wirtschaft

Kommentare

Erst vor ein paar Tagen gab der Haushaltsgerätehersteller Miele bekannt, 2.700 Stellen streichen zu wollen. Auch ein Umzug von Produktion nach Polen ist geplant. Aber woran liegt das?

Gütersloh – 500 Millionen Euro: So viel Geld erhofft sich Miele von den kürzlich mitgeteilten Einsparmaßnahmen. Unter anderem soll ein Teil der Waschmaschinenproduktion statt in Gütersloh künftig in Polen stattfinden, weiterhin sind bis zu 2.700 Jobs von Um- oder Abbau betroffen. Der Umsatz war zuletzt zurückgegangen, die verkauften Stückzahlen ebenso – und das zweistellig. Dafür gibt es mehrere Gründe.

Von Mieles Umbauprogramm betroffene Stellen 2.700 maximal
Produktionsrückgang für Elektro- und Digitalindustrie 2024 2 Prozent (Prognose)
Rückgang der verkauften Stückzahlen bei Miele 2023 18 Prozent

Long Covid bei der Miele Gruppe

Einer der Gründe für diese Flaute ist die Coronavirus-Pandemie – allerdings nicht etwa wegen Quarantäne oder Betriebsausfall. Im Gegenteil. „Unter den wechselhaften Vorzeichen der Pandemie glich auch der Geschäftsverlauf der Miele Gruppe der sprichwörtlichen Fahrt mit der Achterbahn“, teilte das Unternehmen im Februar 2021 mit. Zwischen März und Mai habe das Unternehmen Einbrüche zu verzeichnen gehabt, doch dann kamen „Nachholeffekte“ im Sommer und eine „herausragende“ zweite Jahreshälfte dazu.

Miele logo sign on a building facade. The German manufacturer of domestic appliances is a big employ
Erst vor ein paar Tagen gab der Haushaltsgerätehersteller Miele bekannt, 2.700 Stellen streichen zu wollen. Das „Miele Performance Program“ soll Millionen einsparen. © IMAGO / Pond5 Images

„Eine ausgeprägte Sonderkonjunktur bei den Hausgeräten hat hier für kräftigen Rückenwind gesorgt“, erklärte Miele. „Die Menschen mussten – und müssen – viel mehr Zeit zu Hause verbringen, und anstatt Geld etwa für Reisen und Restaurants auszugeben, haben sie in ihre vier Wände investiert.“ Laut der Wirtschaftswoche hatte Miele wegen dieser Hochkonjunktur personelle Überkapazitäten aufgebaut, aber nicht ausreichend bedacht, dass der Kaufrausch vielleicht einmal zu Ende sein könnte. Dem Hersteller sei es schlichtweg nicht gelungen, das Unternehmen für eventuelle spätere Krisen sicher aufzustellen.

Inflation trifft Nachfrageeinbruch

Dass nun bei der weltweiten Nachfrage nach Haushaltsgeräten ein deutlicher Einbruch Einzug hielt, ist laut Miele ein wesentlicher Faktor für die aktuellen Turbulenzen. Der vorläufige Umsatz der Miele Gruppe ist um etwa neun Prozent eingebrochen, die verkauften Stückzahlen sanken gegenüber dem Vorjahr um rund 18 Prozent. Eine Erholung der Märkte sei nicht in Sicht.

„Was wir derzeit erleben, ist keine vorübergehende Konjunkturdelle, sondern eine nachhaltige Veränderung der für uns relevanten Rahmenbedingungen, auf die wir uns einstellen müssen“, erklärte die Geschäftsleitung der Miele Gruppe in einer internen Information an ihre Mitarbeiter. Hinzu kommt die hohe Inflation, die Material- und Energiekosten in die Höhe treibt. In diesem Rahmen sprach Miele von „drastischen Preissteigerungen“.

Ampel muss „Regulierungs-Tsunami“ stoppen

Miele ist mit der Flaute bei der Nachfrage keineswegs allein. Schon zu Jahresbeginn teilte der Verband der Elektro- und Digitalindustrie (ZVEI) mit, dass die Auftragslage über die ganze Branche hinweg rückläufig sei. Im vergangenen Jahr hatten die Hersteller noch von „historisch hohen“ Auftragsbeständen profitiert, die sie abarbeiten konnten, aber spätestens ab dem zweiten Quartal gingen diese zurück.

Für 2024 rechnet ZVEI mit einem Produktionsrückgang um zwei Prozent. Die Elektro- und Digitalindustrie befände sich vor einer „leichten Wachstumsdelle“. Um die Branche langfristig wieder auf Kurs zu bringen, ist laut ZVEI-Präsident Dr. Gunther Kegel die Politik gefordert. „Will die EU zwischen den USA und China weiterhin eine eigenständige Rolle einnehmen, muss sie den Binnenmarkt konsequenter auf Wachstum ausrichten und von industriefremder Regulierung wie dem EU-Lieferkettengesetz ablassen“, sagte Kegel in einer Verbandsmeldung. Die Ampel-Koalition müsse den „Regulierungs-Tsunami“ und die „nahezu entfesselte Bürokratie“ stoppen, die die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen schwächen.

„Wir brauchen jetzt eine Europäische Union, die industrielle Wertschöpfung in den Fokus stellt“, sagte Kegel außerdem. So weit ist die Ampel allerdings schon – zumindest in der Theorie. Wann aus den Plänen Praxis wird, darüber streiten die Koalitionsparteien derzeit.

Auch interessant

Kommentare