Gaza-Frieden spielte wichtige Rolle: So entstand der 28-Punkte-Plan für die Ukraine

Vor knapp einer Woche schlug die Nachricht ein wie eine Bombe: Das US-Medium "Axios" berichtete, dass die USA einen 28-Punkte-Plan für Frieden in der Ukraine entwickelt haben – darin enthalten waren zahlreiche Punkte, von denen Russland profitieren würde. 

Jetzt legt die Nachrichtenseite nach und enthüllt, wie der Friedensplan entstanden ist. Die "Axios"-Journalisten haben dafür mit mehreren US- und ukrainischen Beamten gesprochen. Dem Bericht zufolge gibt es einen Zusammenhang zwischen dem 28-Punkte-Plan und dem Deal, den die USA mit Israel und der Hamas aushandelten, um in Gaza Frieden zu schaffen. 

Auf Rückflug aus Nahost kam US-Verhandlern die Idee für Ukraine-Plan

Jared Kushner, der Schwiegersohn von Donald Trump, und Steve Witkoff, der Sondergesandte des US-Präsidenten, flogen im Oktober vom Nahen Osten zurück in die USA. Wie "Axios" schreibt, standen die beiden noch unter dem Eindruck des gelungenen Gaza-Abkommens. Offenbar davon beflügelt, lenkten sie ihren Blick auf den Krieg in der Ukraine und eine mögliche Lösung dieses Kriegs.

Die beiden wollten mit dem gleichen Ansatz noch einmal zu einem Deal kommen: "Einen Plan entwerfen, ihn auf den Tisch legen und herausfinden, wie man beide Seiten zur Zustimmung bewegen kann", fasst "Axios" zusammen. 

Bei Treffen in Miami entstand Entwurf für 28-Punkte-Plan

Nur drei Tage später trafen die beiden Männer Kirill Dmitrijew, einen Vertrauten und Unterhändler des russischen Präsidenten Wladimir Putin. Alle drei eint die berufliche Vergangenheit, sie waren als Investmentbanker beziehungsweise Immobilieninvestoren tätig – und damit offen für Trumps Deal-Politik. Die Runde traf sich laut "Axios" privat in Miami.

Bei diesem Treffen Ende Oktober entstand offenbar ein erster Entwurf, aus dem später der 28-Punkte-Plan wurde. Dmitrijew äußerte sich damals optimistisch: "Wir haben das Gefühl, dass die russische Position wirklich gehört wird". Einen Friedensplan erwähnte er in dem damaligen Interview mit "Axios" aber nicht. Die Beteiligung Dmitrijews an diesem Entwurf könnte erklären, weshalb mehrere Formulierungen in dem veröffentlichten Plane wie ungeschickte direkte Übersetzungen aus dem Russischen ins Englische klingen.

Trump und Selenskyj schon früh im Prozess beteiligt

Schon in dieser frühen Phase hatten die drei Männer Rückendeckung von ganz oben: Donald Trump hatte grünes Licht für ihre Pläne gegeben. Auch Außenminister Marco Rubio sei "bei jedem Schritt eingeweiht" gewesen, wie "Axios" einen mit den Vorgängen betrauten Beamten zitiert.

Während Trumps neuer Friedensverhandler Daniel Driscoll in die Ukraine reisen sollte, um mit der dortigen Regierung über den Plan zu beraten, gab es ein weiteres Treffen in Witkoffs Haus in Miami. Dabei war neben Rustem Umerov, dem Berater des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj, auch ein katarischer Beamter. Er soll gute Beziehungen sowohl zu den US-Gesandten, zu Umerow als auch zu Putin haben. Auch das ist eine Verbindung zum Gaza-Abkommen: Das gelang auch deshalb, weil Katar als Vermittler einsprang.

Bei dem Treffen flossen offenbar einige Ideen Umerows in den Plan ein, dessen Grundlage zuvor Kushner und Witkoff mit Dmitrijew erarbeitet hatten. Anschließend wurde Selenskyj selbst zugeschaltet – der ukrainische Präsident war also offenbar früher an dem Prozess beteiligt als bisher bekannt. Bei der Telefonschalte wurde ihm der 28-Punkte-Plan vorgelesen, schreibt "Axios".

Nach Enthüllung des Plans brach Chaos aus

Nachdem das US-Nachrichtenportal in seiner ersten Enthüllung über die Inhalte des Plans berichtet hatte, brach Chaos unter den Beteiligten aus: US-Verhandler Driscoll sprach voreilig von "umfassenden Friedensgesprächen", Trump setzte aus Verärgerung über Selenskyj plötzlich eine knappe Entscheidungsfrist, und Außenminister Rubio ließ Verwirrung darüber aufkommen, wie ernst der Plan gemeint ist.

Am vergangenen Wochenende wurde schließlich in Genf zusammen mit den Europäern über den Friedensplan verhandelt. Wegen der Verwirrung stand das aber zwischenzeitlich auf der Kippe: Rubio erklärte, dass die USA erst dann zu einem Treffen bereit seien, wenn sie eine Erklärung abgegeben hätten, dass es sich nicht um einen russischen Plan handele und die Ukrainer ebenfalls dazu beigetragen hätten.

Widersprüchliche Berichte zum Ursprung des Plans

Wie es wirklich zu dem 28-Punkte-Plan kam, ist aber weiter nicht ganz geklärt. Christo Grozev, ehemaliger Russland-Rechercheur der Investigativplattform "Bellingcat" und jetzt für "The Insider" tätig, gibt an, dass er bereits vor sechs Monaten von einem solchen Plan erfahren habe. Dieser sei inhaltlich fast identisch zu der jetzt bekannt gewordenen 28-Punkte-Liste. 

Widersprüchlich scheint auch die Aussage einiger US-Senatoren zu sein. Sie hatten sich am Rande einer Sicherheitskonferenz in Kanada zu Wort gemeldet. Die Politiker behaupteten, Außenminister Rubio habe ihnen in einem Telefonat mitgeteilt, dass der 28-Punkte-Plan nicht aus einer amerikanischen Feder stammt. 

"Dieses war ein Vorschlag, den man von jemandem erhalten hatte, der Russland vertrat", so die Senatoren. Das würde dem "Axios"-Bericht zur Beteiligung Kushners und Witkoffs widersprechen. Rubios öffentliche Äußerungen, die er später tätigte, stützen hingegen die Recherche. Er sagte, es seien die Vereinigten Staaten gewesen, die den 28-Punkte-Plan verfasst hätten. Russen und Ukrainer hätten dazu Input geliefert.