„Man redet nur, tut aber nichts“: Emotionale Diskussion über Radwegbau
In einer gemeinsamen Sitzung wurde den Gemeinderäten von Peißenberg und Oberhausen die Variante für den Bau eines Radwegs zwischen den beiden Orten vorgestellt. Euphorie kam bei den Gremiumsmitgliedern aber nicht auf. Das hat Gründe.
Peißenberg – Schon vor 30 Jahren wurden erste Überlegungen angestellt, zwischen Peißenberg und Oberhausen eine direkte Radwegeverbindung zu schaffen. Es wurden Varianten skizziert und 2015 von Studenten der Hochschule für Technik in Stuttgart sogar wissenschaftliche Untersuchungen angestellt, die in einer gutachterlichen Projektarbeit mündeten. Doch bis dato wurde kein einziger Quadratmeter an Radweg gebaut.
Mit ein Grund dafür ist, dass der Landkreis das Thema lange Zeit eher halbherzig behandelte – wohl auch aus finanziellen Gründen. Zuletzt wurde eine Umweltverträglichkeitsprüfung initiiert. Die zog sich auch noch einmal über gut zwei Jahre hin. Die Ergebnisse wurden nun vom Staatlichen Bauamt den Gemeinderäten von Peißenberg und Oberhausen präsentiert. War der gemeinsame Sitzungstermin in der Tiefstollenhalle nun ein wichtiger Schritt in Richtung Radwegebau oder nur eine Alibiveranstaltung? Vermutlich letzteres. Hochgefühle kamen bei den Räten jedenfalls nicht auf.
Relativ viele alltägliche Fahrten
Am Sinn und Zweck eines Radwegs gibt es allgemein keine Zweifel. Die Präsentation von Andreas Lenker (siehe Infobox unten) war von einer „relativ hohen Ausprägung an Verkehrsbeziehungen zwischen Peißenberg und Oberhausen für alltägliche Fahrten“ die Rede. Gemeint ist damit vor allem der Schüler-, Berufs- und Einkaufsverkehr.
„Wir freuen uns alle, dass jetzt wieder Bewegung in die Geschichte reingekommen ist“, erklärte Grünen-Fraktionssprecher Matthias Bichlmayr (Peißenberg) in der Diskussionsrunde: „Ich weiß allerdings nicht, ob wir jetzt euphorisch sein dürfen.“ Es habe sich schon bei der letzten Info-Runde mit dem Staatlichen Bauamt vor drei Jahren abgezeichnet, dass nur die Route entlang der Kreisstraße wirklich in Frage kommen würde. Aber: „Haben wir denn eine Chance auf Umsetzung?“, fragte Bichlmayr.
Großer Knackpunkt der Vorzugsvariante ist der Grunderwerb. Rund ein Dutzend Eigentümer müssten Flächen abgeben – unter dem Strich etwa 30 000 Quadratmeter. Im Vorfeld der gemeinsamen Gemeinderatssitzung hatte es eine Versammlung mit den Grundbesitzern gegeben. Die Stimmung dort war laut Lenker „überraschend sachlich“: „Natürlich schreien nicht alle Juhu, aber dass es gar keinen Radweg geben soll, das will eigentlich keiner.“ Klingt eigentlich ganz gut – aber: „Ich kenne leider Eigentümer, die gar nicht zur Versammlung gekommen sind“, relativierte Oberhausens Bürgermeister Rudolf Sonnleitner (Parteifreie Wählerschaft): „Die haben gesagt: `Ich gehe da gar nicht erst hin, weil ich schon vor 15 Jahren gesagt habe, dass ich nichts verkaufe.“
Stefan Rießenberger: „Werde den Radweg niemals nutzen“
Sonnleitner versprach, dennoch in die Grundstücksverhandlungen einzusteigen. „Aber das ist schon ein Dämpfer zum Start, wo ich sage: ,Leute, von der Euphorie bitte runterkommen‘.“
Auch Stefan Rießenberger (Peißenberg) verbreitete wenig Optimismus: „Ich werde den Radweg niemals nutzen, weil es ihn nie geben wird“, konstatierte der Fraktionssprecher der Bürgervereinigung. Leider würden Einzelinteressen wieder mal eine Rolle spielen. „Es gibt immer einen Grund dagegen. Das ist sehr traurig“, so Rießenberger.
Ebenfalls zu Wort meldete sich Georg Hutter (Peißenberg; CSU/Parteilose). Der Landwirt ist selbst Eigentümer von benötigten Flächen an der Kreisstraße. „Den Radweg braucht es“, beteuerte Hutter – aber: Die Landwirte hingen emotional an ihrem Grund und Boden. Auch sei der Größenzuschnitt der Felder für die maschinelle Bewirtschaftung enorm wichtig. Für den Fall, dass der Grunderwerb scheitere, bezeichnete es Hutter als „jammerschade“, dass man die anderen Varianten nicht weiterverfolgt. Auch die Vorzugsvariante würde schließlich teilweise FFH-Gebiete durchqueren. Generell müsse die Frage gestellt werden, ob die Boden-Wertigkeit für den Naturschutz tatsächlich höher zu gewichten sei als jene für die Landwirtschaft.
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Kreiskämmerer Norbert Merk, der ebenfalls in der Tiefstollenhalle Rede und Antwort stand, hielt Hutter entgegen, dass die Benennung der Vorzugsvariante gerade ein „klassischer Ausdruck“ der rechtlichen Güterabwägung im Rahmen der Umweltverträglichkeitsprüfung sei. Natürlich sei es legitim, dass Landwirte ihren Grund und Boden nicht verkaufen wollen. Aber das hätte natürlich Auswirkungen auf das gesamte Projekt – „ganz nüchtern betrachtet“, so Merk. Im Klartext: Lässt sich die Vorzugsvariante nicht realisieren, wird es keinen Radweg geben.
Walter Wurzinger: „Man redet immer nur, tut aber nichts“
Auch von Matthias Reichhart (Peißenberg; Grüne) bekam Hutter eine Ansage: „Das hört sich so an: ,Radweg ja, aber bitte nicht bei mir!‘.“ Es sei unverständlich, jetzt wieder mit Varianten anzufangen, die aus naturschutzrechtlichen Gründen nicht möglich seien. Und: Für den Bau von Flughäfen, Straßen und Gewerbegebieten funktioniere die Generierung von Flächen zumeist. „Nur wenn es um einen Radweg geht, dann hat man offenbar keine Chance“, so Reichhart.
Ins gleiche Horn stieß Walter Wurzinger (Peißenberg, Freie Wähler). Für die Mobilitätswende in der Region wäre der Radweg ein wichtiger Baustein – viele München-Pendler aus Peißenberg würden zum Beispiel den Bahnhof in Huglfing nutzen. „Doch man redet immer nur, tut aber nichts.“ In die Grundstücksverhandlungen, so Wurzinger, hätte man schon viel früher, nämlich im Rahmen der Umweltverträglichkeitsprüfung, einsteigen können.
Und wie geht es nun weiter? Sonnleitner und sein Peißenberger Amtskollege Frank Zellner (CSU) werden nun das Gespräch mit den Grundeigentümern suchen. „Es hängt letztlich vom Verhandlungsgeschick der Bürgermeister ab“, meinte Andreas Lenker halb im Scherz. Doch ob die Rathauschefs nach der Sitzung in der Tiefstollenhalle wirklich gestärkt in die Verhandlungen gehen? Der Landkreis zahlt „nur“ nach Bodenrichtwert – und keinen Cent mehr. Rufen die Eigentümer, sofern sie überhaupt verkaufswillig sind, höhere Preise auf, wären die Kommunen gefordert.
Selbst wenn der Grunderwerb für die Vorzugsvariante klappen würde, ist aus heutiger Sicht äußerst vage, ob tatsächlich gebaut werden könnte. Wie Lenker berichtete, sind die staatlichen Fördertöpfe für den Radwegebau zwar gut gefüllt. Aber nach den Ausführungen Merks bliebe am finanziell schwer angeschlagenen Landkreis immer noch ein sechsstelliger Eigenanteil hängen. Ob ein solcher Betrag finanziert werden könnte, ist ungewiss: „Niemand hat eine Glaskugel“, so Merk. In der Finanzplanung des Landkreises bis 2027 sind in der Rubrik „Radwege“ gerade einmal 100 000 Euro eingestellt.
Die unterschiedlichen Varianten
Andreas Lenker, Abteilungsleiter „Straßenbau“ im Staatlichen Bauamt, stellte Zahlen, Daten und Fakten zu den einzelnen Varianten vor. Das klare Ergebnis der Umweltverträglichkeitsprüfung: Die „absolute Vorzugsvariante“ für eine möglichst sichere, direkte sowie auf den Schüler- und Alltagsverkehr ausgerichtete Radwegeverbindung ist eine entlang der Kreisstraße (WM 15) verlaufende Route. Selbige würde laut Lenker im Gegensatz zu den Trassen entlang der Ammer respektive Eyach und Ach „keine erhebliche Beeinträchtigung“ in puncto „Naturschutz“ haben.
Und: Mit einer Länge von 5, 2 Kilometer ist sie die kürzeste, höhendifferenzärmste (30 Meter) und mit einer Fahrzeit von 17 Minuten (bei einem angenommenen Durchschnittstempo von 18 km/h) auch die schnellste Verbindung zwischen Peißenberg und Oberhausen. Genau diese Werte hatten bereits auch die Stuttgarter Studenten vor knapp zehn Jahren ermittelt. Die geschätzten Baukosten würden ungefähr mit knapp zwei Millionen Euro zu Buche schlagen.
Die anderen Varianten liegen – wenn zum Teil auch nur knapp – über diesem Betrag. Allein eine Brücke über die Ammer würde über eine Million Euro verschlingen – „zum aktuellen Zeitpunkt“, wie Lenker betonte. Da staatliche Zuschüsse aber nur für alltagstaugliche Radwege fließen, muss die Trasse durchgängig asphaltiert und mindestens 2, 50 Meter breit sein. Das heißt, allein mit einem Brückenschlag über die Ammer auf Höhe der Ach-Mündung oder im Bereich „Thalhausen“ wäre es nicht getan. Zusätzlich müsste der Ammerdammweg am nördlichen Flussufer Richtung Peißenberg asphaltiert werden.
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